Tichys Einblick
Spaltung der Linken

Vorbereitung für Wagenknecht-Partei läuft auf Hochtouren

„Ego-Trip“, „unverantwortlich“, „keine Basis“ – über Sahra Wagenknecht schütten Parteikollegen viel Kritik aus. Denn eine neue Partei könnte die Linke ihren Status im Bundestag kosten.

IMAGO / Steinach

Die Ankündigung Sahra Wagenknechts, nun doch eine Partei zu gründen, hatte zuerst negative Reaktionen hervorgerufen. Die Linken-Chefin Janine Wissler etwa hatte ihr einen „Ego-Trip“ in den Tagesthemen vorgeworfen. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch nannte das Vorgehen Wagenknechts „unverantwortlich angesichts der gesellschaftlichen Situation und der Lage der Linken“. Das sagte er der Rheinischen Post.

Wahlen in Hessen und Bayern
Sahra Wagenknecht hält bereits den Dolch gegen „Die Linke“ in der Hand
Harald Wolf, der Bundesschatzmeister der Linken, ätzte in der FAZ über den Erfolg einer Wagenknecht-Partei: „Ihr letztes Projekt Aufstehen ist krachend gescheitert. Eine Partei, die komplett auf eine Person ausgerichtet ist, hat keine breite Basis. Wagenknecht spricht mittlerweile von konservativen Werten, von Sozialleistungsmissbrauch, sie will die fossilen Energiekonzerne fördern, statt beim Klimaschutz voranzukommen und Leistungen für nicht anerkannte Asylbewerber komplett streichen.“

Der frühere Parteichef Bernd Riexinger nannte Wagenknechts Ausstieg eine „Befreiung“. „Alle, die durch Frau Wagenknecht daran gehindert wurden, uns zu wählen oder sogar bei uns Mitglied zu werden, sind herzlich eingeladen“, sagte er gegenüber Medien. Die Klarheit sorge jetzt dafür, dass die Wähler der Linken jetzt wieder wüssten, „was die Linke will und für sie tut“.

Die Misstöne haben ihre Gründe. Die Gefahr besteht, dass die Linkspartei bei einer Spaltung im Bundestag ihren Fraktionsstatus verlieren könnte. Mit dem Verlust des Fraktionsstatus würde die Partei nicht nur zahlreiche Rechte im Parlament verlieren, sondern auch das Anrecht auf einen Vizepräsidenten – Petra Pau könnte diese Rolle nicht mehr ausüben. Dass bereits der Einzug der Linksfraktion von Anfang an ein Politikum war, weil sie keine 5 Prozent bei den Bundestagswahlen erreichte, steht dabei noch auf einem eigenen Blatt: Denn zwei der drei Mandate kamen aus Berlin, wo die Häufungen von Missständen zu einer Wahlwiederholung auf Landesebene geführt hatten. TE hat darüber aufgeklärt und war nach Karlsruhe gegangen, doch die Verfassungsrichter blocken weiterhin.

Umbruch
Das große Parteienbeben beginnt erst
Am Montag werde Wagenknecht zunächst die Gründung des Vereins „BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit“ öffentlich vorstellen, schrieb der Spiegel am Mittwochabend. Dieser Verein gilt als eine Art Vorstufe zur Parteigründung und ist bereits registriert. Das Kürzel soll für „Bündnis Sahra Wagenknecht“ stehen. Allerdings wolle Wagenknecht weder ihren Austritt aus der Partei noch aus der Fraktion bekanntgeben. Zuletzt hatten mehr als 50 Mitglieder der Linken ihren Parteiausschluss gefordert. Wagenknecht hatte gegenüber der Tagesschau vor einer Woche gesagt, eine Parteigründung sei nicht vor 2024 möglich.

Unterstützend äußerte sich der Soziologe Wolfgang Streeck. Er wünschte der neuen Partei von Wagenknecht „jeden nur denkbaren Erfolg“, sagte er gegenüber der Jungen Freiheit. Der ehemalige Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung monierte die schwindende Bereitschaft zu Kapitalismuskritik in linken Kreisen. „Heute geht es gegen Autoritarismus oder was man darunter versteht, nicht mehr gegen Kapitalismus: gegen Orbán statt gegen Microsoft“, erläuterte er. Streeck hatte sich bereits in Wagenknechts Bewegung „Aufstehen“ engagiert. TE hat bereits seit dem 8. August über eine Spaltung der Linkspartei berichtet.

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