Als 2021 die Ampelkoalition ihre Arbeit – wenn man das denn so nennen will – aufnahm, hätte uns eigentlich klar sein müssen, dass unserem Land schwierige Zeiten bevorstehen würden, noch schwieriger als unter Merkel. Auf der einen Seite stand eine nach links gerückte SPD, die eigentlich schon unter Merkel bewiesen hatte, dass sie nicht rechnen kann und auch nicht rechnen will. Es genügt hier an den ständigen Ausbau des Sozialstaates durch den Sozialminister Heil zu erinnern, oder an das große Wort des Finanzministers Scholz vom „Hamilton-Moment der EU“, womit er den Entschluss feierte, das Tor zur Hölle einer gemeinsamen EU-Verschuldung und zu einer grenzenlosen Transferunion auf Deutschlands Kosten aufzustoßen. Schon damals musste man sich fragen: Ist dieser Mann so naiv oder ist ihm einfach nur sein eigenes Land gleichgültig?
Die größere Gefahr in der Koalition stellten allerdings von Anfang an die Grünen dar. Sicher, auf regionaler Ebene etwa in Stuttgart oder Wiesbaden gibt es durchaus Pragmatiker unter den Politikern der Grünen, daran kann kein Zweifel bestehen, aber die Bundespartei hatte sich in 16 Jahren des Ausschlusses von der Macht deutlich radikalisiert. Auf der einen Seite im Sinne rein utopischer Vorstellungen – man denke an den Traum einer Welt ganz ohne Grenzen – auf der anderen Seite aber geprägt von eschatologischen Untergangsszenarien des Klimawandels. Dass sich pragmatische Politik auf dieser Basis nicht würde umsetzen lassen, wurde bald deutlich. Dazu kommt bei vielen Grünen eine tiefe Abneigung gegen das eigene Land oder zumindest die Überzeugung, dass globale Interessen oder die anderer europäischer Länder immer und überall einen Vorrang gegenüber deutschen Interessen haben müssen. In der EU-Politik war und ist dieser anti-deutsche Impetus der Grünen übrigens besonders stark ausgeprägt: Deutschland kann nie genug zahlen, nie kann es genug Subventionen für andere Länder geben.
Sicher, es gab die FDP als potentiellen Bremser bei den wildesten Projekten, darauf hoffte man. Aber bald schon zeigte sich, dass die FDP in der Koalition mehr Geisel war als ausgleichende Kraft. Sie mag in einzelnen Punkten noch Schlimmeres verhindert haben, aber die Wirtschafts- oder Immigrationspolitik konnte sie kaum beeinflussen und wollte es zum Teil auch nicht und in anderen Bereichen setzte sie wie die Grünen vor allem auf Sonderrechte für vermeintlich unterdrückte Minderheiten, etwa dort, wo es galt, von der Idee Abschied zu nehmen, dass es so etwas wie ein biologisches Geschlecht von Menschen gibt.
Allerdings, man muss es zugeben, linke Regierungen haben zu Anfang immer eine Tendenz, einmal auszuprobieren, wie weit man Gesellschaft und Wirtschaft belasten kann, ohne dass es zum kompletten Zusammenbruch kommt. Das war auch in der Vergangenheit so. Gegen Ende der ersten Amtsperiode einer linken Regierung oder nach einer knapp gewonnen Wahl zu Beginn der zweiten Legislaturperiode beginnt dann meist etwas mehr Realismus einzukehren und man legt die Hebel doch wieder um. So war es nach dem Rücktritt Brandts unter Schmidt, so war es auch unter Schröder. Nur, die Regierung Scholz hatte leider das Pech, schon sehr rasch von den Ereignissen einfach überrollt zu werden. Der Ausbruch des Ukrainekrieges entzog den bisherigen energiepolitischen Planungen, die stark auf russisches Gas ausgerichtet waren, den Boden und zwang Deutschland überdies, über das vollständig verdrängte Thema der eigenen Verteidigungsfähigkeit nachzudenken. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Atomausstieg gestoppt oder eventuell sogar rückgängig gemacht werden müssen, aber da dies der Grünen Basis nicht zu verkaufen war, geschah es nicht.
Auch in anderen Bereichen hielt man an Projekten fest, die eine ohnehin schon eskalierende Krise noch verschärfen mussten: Streichung von Zuschüssen und immer mehr Auflagen für den Wohnungsbau und extreme Reglementierung für die energetische Gebäudesanierung trotz der Wohnungskrise. Dazu dann eine Antidiskriminierungspolitik, die sich immer stärker gegen die Anliegen und sozialen Konventionen, ja das gesamte Wertverständnis der bisherigen Mehrheitsbevölkerung richtet. Das alles schafft Unmut, Groll und regelrechte Wut in großen Teilen der Bevölkerung. Das glaubte man aber ignorieren zu können, weil das alles irgendwie in die dunkle AfD-Ecke geschoben werden konnte.
In der Immigrationspolitik feierte man vor allem die Wende, die Merkel vollzogen hatte: nämlich die Unterschiede zwischen Flucht vor Gewalt und Unterdrückung und bloßer Wirtschaftsmigration weitgehend einzuebnen und faktisch eine Politik der gänzlich offenen Grenzen zu verfolgen. Dafür bekam ja Merkel auch zahlreiche Orden verliehen, nicht nur vom Bundespräsidenten, sondern auch von Unions- Ministerpräsidenten. Bis gestern noch galt jeder, der wagte diese Politik offen zu kritisieren, man denke an den Tübinger Bürgermeister Palmer, faktisch als gemeingefährlicher Rechtsradikaler.
Es zeichnete sich aber schon im Laufe dieses Jahres ab, dass es schwer sein würde, diese Art von grenzenloser Willkommenskultur aufrechtzuerhalten. Zu groß wurden die Belastungen für die Kommunen, zu groß auch die fiskalischen und sozialen Kosten. War das für die Regierung freilich ein Anlass, ihren Kurs zu ändern? Nein, vielmehr hoffte man wohl eher, durch rasche Einbürgerung der zahlreichen Immigranten die Zusammensetzung des Wahlvolkes so zu ändern, dass man in Zukunft immer auf eine strukturelle linke Mehrheit würde rechnen können.
Der Ausbruch des Krieges im Nahen Osten verschärft die Lage dramatisch
Jetzt hat sich die Situation aber noch einmal drastisch verschärft. Einerseits deutete sich schon vor den letzten Ereignissen in Israel ein partieller Rückzug der USA aus dem Ukraine-Krieg an, dessen Kosten nun verstärkt die Europäer (sprich vor allem Deutschland) übernehmen sollen, zum anderen ist im Nahen Osten ein Neuer Krieg ausgebrochen, der erhebliche Rückwirkungen auch auf die USA haben wird, weil er in Form von finanzieller und militärischer Unterstützung Kräfte binden wird und damit die Probleme an der ukrainisch-russischen Front verstärkt. Aber auch Europa ist unmittelbar betroffen, denn es ist in multiethnischen Gesellschaften nicht selten, dass die jeweiligen ethnischen Minderheiten bei Kriegen, die ihre Heimatländer betreffen, mit einer der beiden Kriegsparteien sympathisieren. Das war selbst in der friedlichen Schweiz im I. Weltkrieg so und nur mühsam konnte damals verhindert werden, dass welsche gegen deutschsprachige Schweizer Soldaten kämpften.
In Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern gibt es unter der arabischstämmigen Bevölkerung und – allerdings wohl schwächer ausgeprägt – zum Teil auch unter anderen Muslimen eine starke Sympathie für die Palästinenser. Dass Hamas eine mörderische Organisation ist, die das massenhafte Töten von Juden und Ungläubigen als zentrales Ziel sieht, wird dabei von den Sympathisanten oft entweder stillschweigend in Kauf genommen oder sogar – bei einer Minderheit – ganz explizit begrüßt.
Deutschland ist freilich ein Land, das sich aus historischen Gründen zurecht darauf festgelegt hat, dieser Art von Judenhass mit aller Kraft entgegenzutreten; wie aber soll das möglich sein, wenn sich die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung so rasch und radikal verändert, dass einer solchen Politik des „Nie Wieder“ einfach der Boden unter den Füssen weggezogen wird. Spätestens jetzt müsste die Regierung also das Steuer herumreißen und auf nationaler ebenso wie auf europäischer Ebene alles für eine Begrenzung und Steuerung der Immigration tun, namentlich dort, wo es sich um Immigranten handelt, die westliche Werte und Konventionen des sozialen Verhaltens massiv ablehnen. Dabei darf es auch in der Interpretation und Flexibilisierung des geltenden europäischen und internationalen Rechtes keine Tabus geben, zumal ja klar ist, dass Putin durch die von ihm geförderten Migrationsbewegungen Europa bewusst destabilisieren will, was ihm auch zunehmend gelingt.
Glaubt irgendjemand, dass diese Regierung mit einer Innenministerin Faeser und den Grünen als immer noch treibender Kraft der Regierungspolitik zu einem solchen Kurswechsel in der Lage ist? Nein, das glaubt wohl so gut wie keiner. Man wird zwar die Rhetorik ändern und in den öffentlichen Verlautbarungen „eine andere Platte auflegen“ aber sonst weitgehend so weiter machen wie bisher. Sicher, es gibt keine „einfachen“ Lösungen, das stimmt auch juristisch, aber indem man gar nichts tut, macht man die Dinge sicher nicht besser.
Aber so wie hier sieht es eben auch an anderen Fronten aus. Die Wirtschaft befindet sich ohnehin schon in einer Krise, aber im Wirtschaftsministerium, wo eine amerikanische Linke, Frau Mazzucato, als Beraterin Habecks fungiert, aber auch in Brüssel träumt man von weitgehender staatlicher Lenkung der Wirtschaft, um so die Energiewende, mit der man auch die radikalsten und widersinnigsten Maßnahmen rechtfertigen kann, durchzusetzen. Dazu kommt ein Minister, dem das Thema Wirtschaft eigentlich fremd ist und der keine einschlägigen Kompetenzen besitzt – obwohl es bei den Grünen immer wieder Politikerinnen und Politiker mit ökonomischer Kompetenz gab und gibt wie früher Frau Andreae oder heute Danyal Bayaz, aber es musste ja ein Kinderbuchautor sein.
Sicher, da ist noch der Kanzler, dem man eine residuale Rationalität zutraut, und der immerhin kein Fanatiker ist, aber er ist eine eher schwache Figur, schwach als Person, aber schwach auch, weil seine Partei nur zum Teil hinter ihm steht, was bei sozialdemokratischen Kanzlern freilich immer schon der Normalfall war. Hinzu kommt, dass er eine disparate, zerstrittene Dreierkoalition bändigen muss, und seine eigene Partei in den Umfragen auf 15-17 % abgerutscht ist, was es so für eine Kanzlerpartei noch nie gab, und seine Autorität untergräbt.
Wir brauchen einen radikalen Neuanfang
Nein, dieser Regierung wird in der düsteren Krisenzeit, in der wir uns befinden, keine Wende gelingen, dafür fehlt auch einfach das notwendige Personal. Das Vertrauen der großen Mehrheit der Wähler besitzt sie schon lange nicht mehr, das zeigen die Umfragen, die eben doch weitaus mehr als nur eine Momentaufnahme sind, ebenso so sehr wie die jüngsten Landtagswahlen.
Es wäre ein Gebot der Ehrlichkeit, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen und Neuwahlen abzuhalten. Anschließend könnte vielleicht eine Deutschlandkoalition, also ein Bündnis jener drei Parteien, die zunächst Westdeutschland, dann das ganze Land aus den Ruinen des II. Weltkrieges zu Wohlstand und Stabilität geführt haben, versuchen, den Abstieg Deutschlands zumindest zu verlangsamen, wenn nicht zu stoppen. Man muss zugeben, dass die CDU auf dem Weg der Neuorientierung nach den für die Identität der Partei katastrophalen Merkel-Jahren bislang nicht sehr weit gekommen ist, und ihr durchgehend der Mut zur Verteidigung auch nur ansatzweise konservativer Positionen fehlt. Andererseits ist die CDU eine eher opportunistische Partei, was auch für die CSU unter Söder gilt, und in Zeiten, in denen der Wind der öffentlichen Meinung sich dreht, kann das auch ein Vorteil sein, denn dann wird die CDU sich mitdrehen. Selbst die SPD mag sich, wenn sie das Kanzleramt wieder verloren hat, noch einmal ein wenig zu mehr Realismus bekehren. Was die Grünen betrifft, so haben sie nach der letzten Bundestagswahl hinreichend unter Beweis gestellt, dass sie auf Bundesebene schlechterdings nicht regierungsfähig sind, und von der Rettung der Welt und der aller Mühseligen und Beladenen auf allen Kontinenten zu träumen, das ist in der Opposition ohnehin einfacher als in der Regierung, so dass man den Grünen auch keinen Gefallen tut, sie zu zwingen, sich in diversen Ministerien mit der realen Welt auseinander setzen zu müssen. Es ist ein Gebot der Mitmenschlichkeit, sie und uns durch Neuwahlen von dieser Qual zu befreien.
Aber es ist zu befürchten, dass man dennoch weiter versuchen wird, sich durchzuwursteln und irgendwie mehr schlecht als recht zu den nächsten Wahlen durchzuhangeln. Bis dahin werden sich Wirtschafts- und Wohnungskrise weiter deutlich verschärfen und die Kriege in Osteuropa und im Nahen Osten werden Europa noch stärker destabilisieren und auch unmittelbar bedrohen, ohne dass die Regierung ein überzeugendes Konzept hätte, wie sie unser Land vor den Auswirkungen dieser Katastrophen schützen könnte.
Das deutsche Parteiensystem zeichnete sich einmal durch die Fähigkeit aus, eine Basis für eine leidlich pragmatische Politik und rationale Kompromisse zu bieten. Das ist heute schlechterdings nicht mehr der Fall und so darf man sich nicht wundern, wenn immer mehr Wähler sich von den etablierten Parteien und oft auch vom Staat selber abwenden, in den sie keinerlei Vertrauen mehr haben. Man muss sich zunehmend fragen, ob dieses Land überhaupt noch eine Zukunft hat. Das würde voraussetzen, dass die Politik lernfähig und das politische System als solches einschließlich der Rechtsprechung auf nationaler und auf EU-Ebene etwa in Immigrationsfragen anpassungsfähig sind. Das aber ist wohl nicht mehr der Fall.