Tichys Einblick
Anne Will zum Hamas-Terror in Israel

Wolffsohn warnt: Israelische Bodenoffensive wäre politischer Fehler

Mehrere Gäste bei Anne Will kritisieren eine Bodenoffensive, die Israel angekündigt hat: Die würde letztlich den Hamas helfen. Ein Sprecher des israelischen Militärs befürchtet derweil eine weitere Eskalation im Norden des Landes.

Screenprint ARD / Anne Will

Israel hat seine angekündigte Bodenoffensive noch nicht begonnen. Das sei aber nur eine Frage der Zeit, betont Anne Will in ihrer Sendung. Der Sprecher des israelischen Militärs, Arye Sharuz Shalicar, stellt klar, warum sie die Bodenoffensive vertagt haben: „Hauptgrund“ sei, dass sich noch immer viele palästinensische Zivilisten im Gaza-Streifen befänden.

Laut Will habe es bislang weniger als die Hälfte der Zivilisten geschafft, aus dem nördlichen Gaza-Streifen in den Süden zu fliehen. Der Historiker und Publizist Michael Wolffsohn hält diese Bodenoffensive daher für einen „politischen Fehler“: Es gäbe „elegantere Lösungen“, mit denen ein Blutvergießen auf beiden Seiten vermieden werden könne, meint er. Als Beispiel nennt er, den Gaza-Streifen „komplett abzusperren“, sodass keine Lebensmittel und kein Wasser mehr bei den Hamas ankämen. Auch die Journalistin Natalie Amiri warnt davor, dass die Bodenoffensive „viele Bilder von blutigen Kindern hervorbringen wird“, die Hamas dann als neues „Propaganda-Material“ verwenden würde. Mit diesen könnte sich die Soldarität gegenüber Israel wandeln, befürchtet sie. Laut Shalicar will Israel nicht, dass unschuldige Zivilisten sterben – weder Israelis noch Palästinenser. Aber Israel wolle die Hamas vernichten. Daher plane sie diese Bodenoffensive mit dem Ziel des Hauptquartiers der Hamas in Gaza-City. Damit diese Offensive weniger Zivilisten treffe, warne das israelische Militär die Zivilbevölkerung aus dem nördlichen Gaza-Streifen und rufe sie zur Flucht auf.

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Laut Wolffsohn verhindern die Hamas jedoch, dass die Palästinenser vom Norden in den Süden fliehen. Das bestätigt ebenfalls Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in einem extra geschalteten Interview: Die Hamas verschanzt sich laut ihren Aussagen hinter den Zivilisten. Ihr liege der Schutz der Zivilisten weniger am Herzen, als das in Demokratien der Fall sei. Gerhard Conrad war früher im Bundesnachrichtendienst mit Schwerpunkt Nah-Ost tätig und erklärt, dass dieses „Dilemma“ kaum zu lösen sei, da es der Hamas und dem Dschihad um die „Befreiung von Nicht-Muslimen“ gehe, und sie dabei denken würden, Gott sei mit ihnen. Entsprechend würde die Hamas Kinder, Frauen und Alten aus dem Gaza-Streifen für diese Befreiung opfern. Wie „perfide“ die Hamas ihre Kriege führen, wird in der Sendung mehr als deutlich.

Baerbock berichtet von den Zuständen in Israel: Gerade von ihren Staatsbesuchen in Israel und Ägypten zurück, gesteht sie, dass es noch immer keinen direkten Kontakt zu den Geiseln gebe und auch noch keine Geiseln befreit wurden. Sie denkt jedoch, dass es der Hamas nicht bewusst sei, dass sie auch deutsche Geiseln gefangen halten. Daher probiere sie nun gemeinsam mit der Türkei, Ägypten und Katar, dies der Hamas über Bilder mitzuteilen, um so die deutschen Geiseln zu befreien. Wie genau das funktionieren soll, erklärt sie nicht. Im Interview betont Baerbock mehrmals ihre Solidarität mit Israel: Die Regierung stünde mit allem, was sie habe, hinter Israel; Jegliche Hilfe, die Israel brauche, werde Israel bekommen – auch Waffen.

Dies kann Wolffsohn nicht so stehen lassen: Ihm fehle die Selbstkritik von Baerbock. Immerhin habe Deutschland die Hamas über Zahlungen an Gaza mitfinanziert. Das kritisiert auch Shalicar: Das Geld werde unter anderem für Raketenrampen und Waffen sowie für die Gehälter der Hamas-Krieger investiert. Der Kenntnisstand von Generalsekretär Kevin Kühnert (SPD) sei zwar, dass nie eine Autonomiebehörde in Gaza direkt finanziert worden sei. Allerdings könne er eine „Zweckentfremdung“ nicht ausschließen. Dass die deutsche Regierung und die EU die Zahlungen an Gaza sogar noch erhöhen wollen, findet keinen Niederschlag in der Sendung.

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Ebenso wenig wird angesprochen, wie Muslime in Deutschland den Terror der Hamas feiern. Stattdessen berichtet Amiri von den „großen Feiern“ im Iran. Sie meint zwar, dass der Iran kein Interesse an einem „Flächenbrand“ in der gesamten Region habe, aber dass er „ganz schön zündelt“. Auch Wolffsohn glaubt, dass der Iran momentan nicht eingreifen werde: Dieser sei der Sieger der momentanen Situation, weil Israel geschwächt würde. Conrad bemerkt das „verlegende Schweigen“ der Nachbarländer in Nah-Ost. Er meint, dass sich diese Länder nicht „exponieren“ wollten, sich jedoch „klammheimlich“ über die Situation freuen. Baerbock wiederum betont ihre Bemühungen, einen Flächenbrand durch einen „regionalen Austausch“ zu vehindern.

Die Realität sieht jedoch anders aus, wie Shalicars berichtet: Immerhin sei aus dem Libanon geschossen worden. Demnach gebe es im Norden Israels nun einen „kleinen Krieg“, der zwar noch nicht eskaliert sei, aber das Potential dazu habe. Ein Zwei-Fronten-Krieg wäre für Israel eine „Katastrophe“, betont Shalicar. Vor allem, weil die Hisbollah aus dem Iran und Libanon mehr als doppelt so viele Anhänger hat wie Hamas und Dschihad und zudem über mehr Raketen verfügt. Trotzdem: Er sei bereit und voller Hoffnung, die Geiseln zu befreien, schätzt allerdings, dass der Krieg mehrere Wochen – wenn nicht länger – dauern wird.


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