Tichys Einblick
Wahlen in Hessen und Bayern

Sahra Wagenknecht hält bereits den Dolch gegen „Die Linke“ in der Hand

Die deutsche Geschichte geht ein zweites Mal über die SED hinweg. Dieses Mal rafft sie deren Gegenwartsgestalt: „Die Linke“ hinweg. Daran sind alle schuld – nur nicht „Die Linke“.

IMAGO

Manuela sang einst „Schuld war nur der Bossa Nova“. Martin Schirdewan hat den Hit neu aufgelegt. Sein Refrain heißt nun: „Schuld waren nur alle anderen“. Die Niederlage der Linkspartei hätten die Rechten verursacht, weil sie rechte Themen gesetzt und so zu einem Rechtsruck beigetragen habe. Die Ampel, weil sie so unsoziale Politik durchgesetzt habe. Und „eine kleine Gruppe von Leuten“, weil sie „Die Linke“ von innen geschwächt habe.

Logik ist eine harte Mutter. Und Logik ist wahrlich keine Anhängerin der Linken. Wenn es denn einen Rechtsruck gegeben hat und alle anderen rechte Themen besetzt haben, warum hat dann die einzig verbliebene linke Partei nicht die linken Wähler gewonnen? Wenn denn die Bundesregierung unsozial ist, warum hat dann die Partei die Hälfte ihrer Wähler verloren, die angeblich für soziale Themen steht? Und wenn denn „eine kleine Gruppe von Leuten“ die Partei von innen zersetzt, warum trennt sich die Partei dann nicht von diesen „Leuten“?

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Eine Antwort vorweg, für alle, die Martin Schirdewan nicht kennen: Er ist einer von zwei Bundesvorsitzenden der Linken. Die andere ist Janine Wissler. Sie ist Hessin. Warum dann Schirdewan in der Bundespressekonferenz die hessische Landtagswahl erklärt und nicht sie, lässt sich nur mit einer Logik beantworten, die eine harte Mutter ist – und keine Anhängerin der Linken: Wissler tritt nicht dort auf, wo schlecht über linke Politik oder Ergebnisse gesprochen wird. Das heißt: Außerhalb von Talkshows der ARD und des ZDF werden wir sie kaum noch sehen.

Der Bossa Nova mag schuld daran gewesen sein, dass die Besungene im Bett ihres späteren Mannes gelandet ist. Doch die anderen sind nicht schuld am Niedergang der Linken – es ist „Die Linke“ selber. Allen voran Janine Wissler. Die Partei hatte seit dem Zusammenbruch der DDR einen Hang zum Sektierertum. Der wuchs umso mehr, desto mehr Mitglieder aus dem Westen etwas zu sagen hatten. Die alten SED-Kader hatten ein falsches Bild von der Realität, aber sie hatten ein Bild von der Realität. Die Kader aus dem Westen haben ihre realitätsfernen Ideen aus den Seminaren an den Universitäten in die Partei getragen. Es ist kein Zufall, dass mit Wissler eine Westdeutsche für den Niedergang der Linken steht – auch wenn sie sich eben diesem Niedergang offensichtlich nicht stellen will.

Sahra Wagenknecht hat eine denkwürdige Biografie: Sie galt in der DDR erst als Talent, dann als Kritikerin der SED, weshalb sie nicht studieren durfte. In die Partei ist sie dann doch eingetreten. Gerade in dem Moment, in dem sich deren erster Niedergang abzeichnete. Wagenknecht ist eine Idealistin. Eine DDR-Romantikerin. Aber sie ist keine Irrealistin wie Wissler.

Wissler und Genossen wollen eine Politik machen, die nicht zu den Wählern passt, die sie erreichen wollen: Wissler propagiert einen „Klimaschutz“, zu dem gehört, dass Bürgerkinder Arbeitnehmern den Weg zur Arbeit blockieren. Dann wundert sich Wissler aber, dass ihre linke Partei diese Arbeitnehmer nicht erreicht, obwohl die Bundesregierung eine unsoziale Politik gegen eben diese betreibt.

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Wissler steht für eine Einwanderung, die jede Kritik an den real existierenden Zuständen unter Faschismus-Verdacht stellt und somit unterdrückt. Gewalt an Bahnhöfen, Gewalt im Görli-Park in Berlin sind für Linke wie Wissler und Schirdewan rechte Themen, die rechte Parteien setzen, um die Linken zu schwächen. Doch die Realität ist eine andere: Gewalt an Bahnhöfen ist echt und bedroht auch junge Frauen, die eigentlich links wählen – aber diese reale Bedrohung eben nicht ignoriert sehen wollen.

Sahra Wagenknecht hat schon einmal den Untergang linker Politik erlebt. Sie hat ein realistisches Bild von dem Land und seinen Wählern. Sie weiß, dass diese es nicht als einen Beitrag für ein vielfältigeres Land sehen, wenn dieses Land vorbestrafte Vergewaltiger und Mörder unkontrolliert einwandern lässt. Sie weiß, dass Frauen – und auch Männer – zuerst vor Gewalt an Bahnhöfen geschützt werden wollen und erst danach fragen, welchen Pass die potenziellen Täter haben. Sie weiß auch, dass der Wohlstand ein zentrales Anliegen der Mehrheit ist und nicht die gesellschaftliche Sichtbarkeit von transsexuellen Unentschlossenen, unentschlossenen Sexualitätswechslern oder die Sexualität wechselnden Transsexuellen.

Wagenknecht will eine eigene Partei gründen. Der erste Schritt ist bereits getan. Anhänger haben in Mannheim den Verein BSW angemeldet. Der soll bis zum Jahreswechsel die Parteigründung vorbereiten. Es gibt zwei konkrete Vorteile dabei, wenn Wagenknecht mit der eigentlichen Gründung das neue Jahr abwartet. Zum einen bekommt sie dann mehr staatliches Geld aus der Parteienfinanzierung. Zum anderen kann ein Verein die „Extremisten und Spinner“ fernhalten, die sich von jeder neu gegründeten Partei angezogen fühlen.

In einem Punkt hat Schirdewan recht: Wagenknecht hält den Dolch gegen „Die Linke“ bereits in der Hand. Und sie betreibt ihr Spiel aus deren Reihen heraus. Sie ist nicht nur Mitglied der Partei, sondern sogar der Bundestagsfraktion. Nur: Dass das noch so ist, gehört zum Gesamtversagen von Wissler und Schirdewan.

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Wagenknecht kommt beim Wähler besser an als Wissler und Schirdewan. Eine von ihr gegründete Partei hat mehr Potenzial, als es noch „Die Linke“ besitzt. Und mit Wagenknecht in ihren Reihen wäre die Partei stärker – mit einer Wagenknecht als Unterstützerin wohlgemerkt, nicht als eigentliche Gegnerin. Es war vor allem Wisslers Fehler, Wagenknecht innerhalb der Partei immer mehr zu isolieren und zu bekämpfen, statt sie als Zugpferd einzubinden.

Aber: Selbst wenn man es als Fehler ansieht, dass sich Wissler und die Linkspartei Wagenknecht zum Gegner gemacht haben, so ist das doch mittlerweile ein gesetzter Fakt. Auch wenn sich Schirdewan nicht traut, dieses Problem beim Namen zu nennen, sondern stattdessen von „einer kleinen Gruppe von Leuten“ schwadroniert. Die Frau weiterhin in den eigenen Reihen zu dulden, die demnächst eine eigene Partei gründet und ihrer alten Partei damit den Dolch in den Rücken setzt, ist an politischer Schwäche kaum zu toppen. Und warum macht es die Linke trotzdem? Wenn Wagenknechts Leute die Fraktion verlassen, verliert diese ihren Fraktionsstatus und damit Geld. Und wenn es um das eigene Geld geht, werden auch Sozialisten plötzlich zu Kapitalisten.

Einen Schuldigen am Niedergang der Linken hat Schirdewan ausgespart. Es ist der Wähler. Er will „Die Linke“ nicht mehr. 3,1 Prozent in der einstigen Hochburg Hessen. 1,5 Prozent im wirtschaftlich wichtigsten Bundesland Bayern. Bei zwei Wahlen über die Hälfte der Wähler verloren. Die Zahlen sind vernichtend für die Linken. Sie sind zurecht enttäuscht vom Volk. Und es sei sie an einen Tipp erinnert, den Bert Brecht schon vor 70 Jahren der SED gegeben hat: Sie dürfen sich jetzt ein anderes Volk suchen.

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