In deutschen Gazetten war es still um die NGO-Schiffe im Mittelmeer geworden. Eigentlich müssten es Hochzeiten für die „zivilen Hilfsorganisationen“ sein. Denn die illegale Migration übers Mittelmeer hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Doch die Quote der von NGO-Schiffen „geretteten“ Passagieren ist gefallen. Wurde sie im letzten Jahr noch mit 14 Prozent ausgewiesen, so sind es dieses Jahr gemäß dem italienischen Verteidigungsminister Crosetto nur fünf, nach anderen acht Prozent aller Rettungsaktionen, die im weiten Kreis rund um Italien stattfinden.
Auch aktuell liefern die verschiedenen Schiffe unter deutscher, norwegischer oder auch spanischer Fahne eher Kleinkram ab. So brachte das vom Künstler Banksy finanzierte deutsche Patrouillenboot „Louise Michel“ gerade 60 Migranten nach Sizilien. Auch das deutsche Segelschiff „Nadir“ (angeblich nur ein Aufklärer) transportiert immer wieder ein oder zwei dutzend Migranten in italienische Häfen. Die „Lampedusa“ – eines der Schiffe des Berliner Vereins Sea-Watch – absolviert unklare Touren zwischen der namengebenden Klein-Insel und der Westspitze Siziliens. Der kleine Ex-Segellogger „Mare*go“ (deutsche Flagge, früher als „Mare Liberum“ vor Lesbos bekannt) liegt an der südlichen Küste Siziliens, klärt auf und „rettet“ gelegentlich mit. Langsam scheint sich das Geschäft totzulaufen.
Aus grün-deutscher Sicht müssen die Schiffe weiterfahren
Die Regierung Meloni hat den freien NGO-Verkehr dabei durch mehrere Dekrete eingeschränkt. In der Folge werden die Schiffe immer wieder temporär beschlagnahmt, Geldstrafen kommen hinzu. Eventuell baut sich hier schon eine abschreckende Wirkung auf. Auch die „Sea-Eye 4“ wurde zweimal in diesem Sommer festgesetzt.
Doch aus grün-deutscher Sicht ist klar: die Schiffe müssen am Laufen gehalten werden, weil sie einerseits die grüne Ideologie vom „Menschenretten“ verbreiten helfen und so auch die Schlepper auf der anderen Seite des Meers ermutigen. Das ist das Fazit, das man aus den Ermittlungen der italienischen Staatsanwälte im sizilianischen Trapani ziehen kann. Der Linksdrall-Verein „Seebrücke“, verantwortlich für ein Netzwerk deutscher Städte und Gemeinden, die anscheinend noch immer „Platz haben“, beklagt, die Festsetzungen würden die NGOs von ihrem Werk abhalten und so Todesfälle in Kauf nehmen. Ist das wirklich so? Oder ganz anders?
Ähnliche Methoden in Ägäis und zentralem Mittelmeer
Die von den Staatsanwälten beschriebenen Methoden gleichen dabei genau jenen, die TE durch aufwendige Recherchen für die Ägäis belegen konnte. So wie die inzwischen aufgelöste NGO „Mare Liberum“ rund um Lesbos vorging, so gingen parallel die NGOs im zentralen Mittelmeer vor. Lesbos wurde auch durch deutsche „Aktivisten“ zu einem Epizentrum der illegalen Migration, das hat der griechische Migrationsminister gerade erst in einem Interview durchscheinen lassen.
Auch über die Vorgänge rund um das deutsche mittelgroße NGO-Schiff „Iuventa“ hat TE ausführlich berichtet. Seit 2021 sind die ehemaligen NGO-Schiffsführer Gegenstand von Strafermittlungen im sizilianischen Trapani wegen des Vorwurfs, mit kriminellen Schleppern zusammengearbeitet zu haben. Für die Ermittler ist es der „Pull-Faktor“ schlechthin, der es Schleppern erlaubt, den Geschleusten mit hoher Sicherheit die Ankunft im EU-Sozialsystem zu versprechen. Die unsichere Fahrt über hunderte Kilometer auf hoher See entfällt.
Der Vorwurf: „Erreichung nützlicher und wirtschaftlicher Zwecke“ humanitär getarnt
Am 5. Mai 2017 ist es so weit: Die „VOS Hestia“ kann 548 Migranten aus den Booten aufnehmen. Die Schlauchboote und Außenbordmotoren werden von den Schleppern abtransportiert und wiederverwendet. All das ist reine Routine für die Schlepper und ihre europäischen Helfer. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Schiffskapitän es hätte melden müssen, wenn er auf dem Mittelmeer Schleppern begegnet. Durch diese Unterlassung habe er die „Beihilfe zur illegalen Einwanderung“ sehenden Auges hingenommen und letztlich unterstützt. Teilweise sollen die NGOs sogar mit Nebenbooten in die untersagte libysche Zwölf-Meilen-Zone eingedrungen sein, um Migranten aufzunehmen.
Doch die Schiffskommunikation der VOS vom 4. Mai wurde von italienischen Ermittlern abgehört. So schnitten die Behörden auch diese Worte der Kapitäns mit: „Sie verlassen Sabratha.“ Morgen früh um 6 Uhr könne man die Migranten, knapp vor der libyschen Zwölf-Meilen-Zone in Empfang nehmen. Einfache Beute für die Kahn-Betreiber, man fuhr hin und fand die Boote vor. Von Seenot, Schiffbruch oder Ertrinken konnte keine Rede sein. Die deutsch-britische NGO hatte sich über diesen Punkt hinaus professionalisiert, wenn man so sagen möchte. Laut den Gerichtsakten hatten es die Beschuldigten „auf die Erreichung nützlicher und wirtschaftlicher Zwecke“ abgesehen, „getarnt hinter humanitären Zwecken oder dem Wunsch, Migrationskorridore zu schaffen“.
2018: Baerbock forderte Einmischung in italienische Justiz
Ähnliche Kommunikationen sollen auch von der rein-deutschen „Iuventa“ bekannt sein, deren Ex-Besatzungsmitglieder es heute bis in die Reihe der Grünen-Fraktion im Bundestag geschafft haben. Die Rede ist von Julian Pahlke, der sich seither an allen Fronten (ob im Mittelmeer oder in Pakistan) für den Import von Migranten stark macht. Aber schon früher forderten Spitzen-Grüne, die Bundesregierung müsse „sich an die Seite der deutschen Seenotrettungsorganisation ‚Jugend Rettet‘ stellen und auf Italien einwirken“. Angeblich stehe die Festsetzung des Schiffes „Iuventa“ nicht „auf rechtsstaatlichen Füßen“. Italien zerstöre die „zivile Seenotrettung im Mittelmeer“. Das schrieb (oder unterschrieb) 2018 die Parteivorsitzende Annalena Baerbock – damals noch „aus dem Völkerrecht“ kommend – zusammen mit der flüchtlingspolitischen Grünen-Sprecherin im Bundestag, Luise Amtsberg. Die Einflussnahme mag damals erfolgt sein. Inzwischen wäre sie eher unwahrscheinlich, denn die diplomatischen Beziehungen zu Italien stehen nicht zum Besten, seit Baerbock ihren aktuellen Posten übernahm.
Doch noch mehr ist inzwischen geschehen: Die illegalen Überfahrten Richtung Italien haben sich in diesem Jahr bisher verdoppelt, auf über 130.000. Und die meisten der Ankommenden streben weiter nordwärts nach Frankreich, Deutschland und den umgebenden Ländern. Die anhaltende Belastung durch diese Migrationsströme seit nun acht Jahren führt aber auch im Norden zum Wandel erst der Verhältnisse, dann der Einstellungen, nicht immer schlagartig, aber doch allmählich.
Im Juni scheiterten die Anwälte von „Jugend Rettet“ mit Anträgen in Trapani, die den Prozess noch abwenden sollten. Das Statement dazu liest sich larmoyant und realitätsfern: „Heute vor Gericht hatte der Grenzschutz Vorrang vor dem Schutz der Grundrechte. Wir wollten, dass die Obersten Gerichte ein für alle Mal über das Gleichgewicht zwischen Grenzschutz und Menschenschutz entscheiden. Doch der Richter verneinte alle diese Möglichkeiten.“ Eine verantwortungsvolle Regierung könnte den NGO-Aktivisten erwidern, dass es mehr als einen Weg zum Schutz der Grundrechte oder gar zum „Menschenschutz“ gibt.
Weniger Überfahrten bringen mehr Sicherheit
Heute verbreitet sich die Kunde, dass es in der Tat weniger Überfahrten wären, die den „Menschenschutz“ im Mittelmeer verbessern würden. Das Setzen von Anreizen für die illegale Einreise kann in dieser Logik nicht zu den menschenrettenden Maßnahmen gezählt werden, es vergrößert das Risiko des Ertrinkens. Auch die deutschen NGOs können an dieser Stelle nur Stückwerk liefern – wenn sie überhaupt liefern, denn die Gerichtsakten machen es wahrscheinlich, dass die drei beteiligten NGOs gar keine Menschenleben gerettet haben, sondern nur auf Bestellung Fährdienste nach Europa bereitstellten.
So geschah es auch am 26. Juni 2017, als einige Schlepper mit PS-starken Motorbooten zu den NGO-Schiffen stießen und ihnen die baldige Ankunft von Migrantenbooten ankündigten. Der Focus https://www.focus.de/politik/focus-online-exklusiv-wie-seenotretter-mit-schleppern-zusammen-arbeiten_id_214529258.html veröffentlicht dazu ein Bild des Schleppers Abdulsalem Suleiman Dabbashi, eines kräftigen jungen Mannes in modischer Kleidung und ebensolchem Bartschnitt.
Im vergangenen Dezember äußerte sich die italienische Regierung zu dem Prozess, beklagte, dass die Aktivitäten der NGOs dem Ruf und den Interessen Italiens geschadet haben, und wollte so weitere Argumente für eine konsequente Strafverfolgung liefern. Doch auch die Staatsanwaltschaft Trapani scheint gute Argumente für einen Prozess zu kennen. So stellt sie in ihren Akten fest, dass „die zwischen 2016 und 2017 von NGOs durchgeführten Patrouillenaktivitäten in den Gewässern direkt vor den libyschen Hoheitsgewässern zu einem Anziehungsfaktor für Migranten geworden“ seien.
Der libysche Dabbashi-Clan: Zwischen IS und NGOs?
Doch zurück zu den Schlepperhelfern von 2017, die vielleicht Aufschlüsse über die Anschlepp-Flotte von 2023 geben können. Ihre Einschleusungsaktionen verklärten die Aktivisten von 2017 im Nachhinein als „Seenotrettungen“, indem sie auch Urkunden und Dokumente fälschten, in denen dann „die Sachverhalte, Umstände und damit zusammenhängenden Abläufe als Seenotrettungen beschrieben wurden“ – dies alles fälschlich, so die Ermittler in Trapani. So wiederum habe man „institutionellen Stellen … vorgegaukelt, dass es sich bei allen angeführten Sachverhalten um einfache Seenotrettungen handele und nicht um anders einzuordnende Sachverhalte“. Man hat die Behörden also bewusst in die Irre geführt.
Vor Libyen kreuzten die Schiffe und noch ein gutes Dutzend weiter „gewohnheitsmäßig“, so die Staatsanwälte laut Focus und dem Schweizer Journalisten Kurt Pelda (CH Media). Immer wieder trafen man sich hier mit den Schleppern, übernahm die Migranten aus ihren Booten, nachdem man sich zuvor fernmündlich miteinander abgestimmt hatte. Man – das bedeutet die 21 NGO-Aktivisten und die Schlepper in Libyen. Das ist eine genaue Parallele zur Kommunikation der Mare-Liberum-Vertreter in der Ägäis mit Akteuren auf dem türkischen Festland. Immer geht es um die zeitliche Festlegung von Migrationsströmen, vulgo Bootsabfahrten, so dass die illegalen Migranten bruchlos in die Hände der Schleuserhelfer übergehen können. Manchmal rief auch ein Schlepper per Satellitentelephon beim Rettungszentrum der italienischen Küstenwache an, gab sich als Migrant in Seenot aus und berichtete von 24 Personen in Not. Dem Rettungszentrum blieb dann kaum etwas anderes übrig, als die NGO-Schiffe zu kontaktieren, die ohnehin in der Nähe der libyschen Küste kreisten.
Auch „Ärzte ohne Grenzen“ erwogen direkte Zusammenarbeit mit Schleppern
Die NGO-Mitglieder – etwa der deutschen „Jugend Rettet“ – weisen die Vorwürfe sämtlich zurück, allerdings mit kuriosen Argumenten: Das Justizsystem wende in diesem Fall „unmenschliches Recht“ an. Das klingt wie Antigone vor Kreon und soll es auch. Aber die Gedankenfigur ergibt rechtlich einfach keinen Sinn. Wenn der beschuldigten Kathrin Schmidt das Justizsystem nicht gefällt, muss sie mit demokratischen Mitteln zu verändern versuchen. Es zu brechen zählt solange nicht als gute Tat. Man bemerkt an der Stelle, wo die „Klimakleber“ ihre Ideen herhaben könnten. Aus dem Nicht-Ort des eigenen ideologischen Utopia heraus agitieren diese Akteure und Aktivisten gegen das demokratisch beschlossene Gesetz.
Bezeichnend ist dabei noch etwas anderes: Die „VOS Hestia“ stellte ihren Mittelmeer-Betrieb seit einer Razzia Ende Oktober 2017 ein. Zuletzt wurde sie im Roten Meer, gegenüber der Küste Eritreas, gesichtet. Vielleicht gibt es also doch einen guten Grund (oder mehrere davon) für diesen Rückzug aus den rechtlich mindestens umstrittenen Operationen im Mittelmeer. Hier lugt der Dreck am Stecken hervor.