Tichys Einblick
Illegale Migration

CDU fordert Machtwort von Scholz – doch es bleibt bei der Faeser-Praxis

Nancy Faeser schafft es nicht, die deutsch-polnische Grenzen zu kontrollieren. Die FDP will Bezahlkarten an Asylbewerber, Svenja Schulze ist dagegen. Scholz sitzt einem Kabinett der Widerstände vor – und profitiert davon.

IMAGO / Funke Foto Services

Die CDU fordert ein „Machtwort“ von Olaf Scholz, aber nicht nur das, sondern zudem eine aufsehenerregende Rede im Bundestag. Das könnte den Kanzler allerdings wirklich an die Überforderungsgrenze bringen. In der Bild vom Montag verlangt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann „schnellstmöglich“ nach einer Rede, in der Scholz das eindeutige Signal an die Welt sendet: „Unsere Kapazitäten sind erschöpft. Wir werden die illegale Migration unterbinden.“

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Außerdem müsse Scholz auch die Initiative in der EU ergreifen, setzte der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei (CDU), hinzu. Auch der EVP-Vorsitzende Manfred Weber (CSU) sagte, die EU-Asylreform sei „noch nicht über den Berg“. Die Ampel dürfe „keine weiteren politischen Spiele betreiben, sondern muss jetzt ihren Beitrag für eine Einigung bis Ende des Jahres leisten“. Auch ein Abkommen mit Tunesien fordert Weber – das doch bei der globalen Linken (von EU-Brüssel bis hin zur UNO) einer weitgehenden Kritik unterliegt, weil man die Menschenrechtsverletzungen des nordafrikanischen Staates ausblende.

Frei hat derweil auch die Unions-eigene Obergrenze von 200.000 angezweifelt, die „einer Ausnahmesituation geschuldet“ gewesen sei, und Verständnis für die Position von Elon Musk zur illegalen Migration geäußert. Nun ja, ob die Union nachträglich von ihrem Votum für die Beihilfe-Millionen und die „wohltätige“ (in die italienische Asyl-Industrie verstrickte) Sankt-Ägidien-Gemeinschaft abrückt, ist eigentlich gleichgültig. Auch die CDU/CSU bleibt in die Schlepperbeihilfe im Mittelmeer durch Untätigkeit und Zutun verstrickt. Freis Äußerungen sind nur die eine Hälfte eines Redens mit gespaltener Zunge.

Scholz: Zahlen im Moment zu hoch, kann nicht bleiben wie bisher

Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland streben, sei im Moment zu hoch, hatte Scholz erst kürzlich versichert, was eher nach seinem Sound klang, bei dem die echte Beunruhigung stets ziemlich weit weg oder irgendwie zum Lachen ist. Doch Scholz sprach mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) gesprochen, das seiner Partei durchaus nahesteht. Unruhe oder Sorgen waren also nicht zu befürchten. Laut der Nachrichtenagentur dts fügte Scholz hinzu: „Es kann ja nicht bleiben wie bisher: Mehr als 70 Prozent aller Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, sind vorher nicht registriert worden, obwohl sie nahezu alle in einem anderen EU-Land gewesen sind.“ Auch diese durchaus richtige Erkenntnis scheint aber nicht zu einer Handlung bei Scholz zu führen – weder national mit echten neuen Grenzkontrollen, noch auf der EU-Ebene.

Scholz denkt stattdessen nur an seinen „atmenden Deckel“ für die angesichts des Asyl-Zustroms notleidenden Kommunen. Das ist ein altes Traumprojekt des Kanzlers. Es ist aber alles, nur kein Anreiz für die Politik, das Problem endlich in den Griff zu kriegen. Das ist Widerspruch Nummer eins, der Kanzlerwiderspruch.

Die ‚Meilensteine‘ seiner Politik in Sachen „Grenzen“ fasst Scholz so zusammen: „Mit Österreich setze man zusätzliche Maßnahmen zur Grenzsicherung fort“ – das sind notifizierte stationäre Grenzkontrollen mit einem gewissen Ergebnis, die es allerdings schon seit Jahren auf Druck Wiens gibt. „Mit der Schweiz und mit Tschechien habe man gemeinsame Kontrollen auf deren Seite vereinbart.“ Das sind Pseudo-Grenzkontrollen, bei denen keine Zurückweisungen ausgesprochen werden können. Außerdem habe man Moldau und Georgien zu sicheren Herkunftsländern erklärt. Aber all das ähnelt eher einer Politik der eingeschlafenen Hand. Es sind Trippelschritte, und auch ein paar Halbwahrheiten sind dabei. Nicht einmal mit Polen hat Innenministerin Faeser offenbar die viel umraunten „Kontrollen auf deren Seite“ der Grenze erreicht, die sie eigentlich vereinbaren wollte.

Überhaupt Nancy Faeser – ist das noch Widerspruch oder schon die krasse Inkonzinnität, das Nicht-Zusammenpassen der Ansprüche, Behauptungen und realen Handlungen? Die Innenministerin – die von Scholz formal noch gestützt wird, weil sie formal aus demselben Parteiflügel kommt – hat behauptet, die Kontrollen an den östlichen Grenzen zu intensivieren und dabei auch zu „stationären“ Kontrollen zu kommen, was aber gar nicht stimmte. Die angeblich verbesserten Grenzkontrollen entpuppten sich bald als Schleierfahndung mit leicht zu umgehenden mobilen, also äußerst temporären Kontrollpunkten. Faesers Äußerungen gegenüber der Öffentlichkeit waren schlecht verhohlene Tricksereien.

Trotz Kontrollen: Es bleibt bei der Faeser-Praxis

Vor allem ist die Effizienz solcher unorthodoxen „Grenzkontrollen“ (die im strengen Sinne keine sind) höchst umstritten. Im Bundestag widersprach ein CSU-Abgeordneter der Innenministerin an dieser Stelle scharf: Die mit der Schweiz vereinbarten Kontrollen auf deren Staatsgebiet seien keineswegs ein „Erfolgsmodell“. Vielmehr endeten alle an der Schweizer Grenze aufgelesenen Migranten mit großer Sicherheit in einer deutschen „Bearbeitungsstraße“, würden dann in die Schweiz zurückgeschickt, von wo sie aber bald neue Versuche zum illegalen Grenzübertritt in Bussen, Trams und Zügen unternehmen.

Es passiert also das, was Faeser auch im Bundestag zusagte: Wer in Deutschland Asyl verlangt, bekommt es auch. Alexander Hoffmann (CSU) fordert, dass die Schweizer eine erneute Einreise verhindern, ohne allerdings zu sagen, wie das gehen soll. Langfristig bedürfe es einer „geschlossenen EU-Außengrenze“, so Hoffmann.

Thorsten Frei (CDU) fiel derweil – wie gesagt – auf, dass eine dauerhafte Aufnahme von 200.000 Menschen pro Jahr, wie in der alten und neuen CSU-Obergrenze vorgesehen, nicht zu verkraften ist. Das würde „die Gesellschaft überfordern“, sagte der Unionsfraktionsgeschäftsführer laut der Nachrichtenagentur dts auf ntv. Auch die alte Obergrenze von (angepeilt) 180.000 bis 220.000 Asylbewerbern pro Jahr, die man 2018 nach einem langen Streit zwischen Horst Seehofer (CSU) und Angela Merkel (CDU) eingeführt hatte, sei „einer Ausnahmesituation geschuldet“ gewesen, so Frei. Auf Dauer sei eine Zuwanderung von „Flüchtlingen“ in diesem Ausmaß zu hoch. Kehren CDU und CSU also zurück von ihrem Ausflug in die Merkel-Gründe der „asymmetrischen Demobilisierung“?

Scholz will „atmenden Deckel“ und keine Diskussionen mehr

Nun, das kümmert Olaf Scholz derzeit nicht viel. Er will im November – vielleicht aber auch schon früher, denn die Ministerpräsidenten drängeln bereits – ein „dauerhaftes System für die Kommunen“ zur Finanzierung der Asylkosten entwickeln. Dabei geht es um den sogenannten „atmenden Deckel“ – also ein Zuweisungssystem, das immer so viel Geld bereitstellt, wie von den Ländern und Kommunen real gebraucht wird. Der eierlegende Wollmilchsau-Goldesel geht damit in Serie (die FDP hat dazu praktische Vorschläge, s. unten).

Migranten besser gestellt als Beitragszahler
Umstände und Auswirkungen der illegalen Migration
Es ist eine alte Scholz-Idee, die er schon als Finanzminister hatte. Damals gelang das nicht, nun will Scholz das System festklopfen und damit jeden künftigen wie zünftigen Streit über die Kosten der illegalen Migration vermeiden. Eine weitere Stellschraube, die freilich kaum als Kontrolle funktioniert, wäre damit entfernt. Der Aufruhr, der durch die Lande ging, als Finanzminister Christian Lindner (FDP) keine weiteren Zuschüsse an Länder und Kommunen mehr bewilligen wollte, wäre praktisch ausgeschlossen, das Land seiner Finanzstruktur nach befriedet wie lange nicht mehr.

Praktisch will der schweigsame Scholz eine Pauschale pro Asylbewerber (vulgo auch „Flüchtling“ genannt) festlegen und automatisch bewilligen und so „ wiederkehrende Debatten über die Höhe der Unterstützungsleistung des Bundes künftig verhindern“ (dts). Daneben lebt der Kanzler weiter seine Traumwelt-Visionen aus, behauptet etwa, Deutschland unterstütze „seit langem“ den Schutz der europäischen Außengrenzen. Davon kann aber etwa das Außengrenzland Italien kein Lied singen, dessen Migrationssystem seit Jahren durch deutsche NGOs unterminiert wird, die seit Scholzens Kanzlerschaft sogar auf staatliche Hilfe zählen können, was sogar den Tesla- und X-Chef Elon Musk in Staunen versetzte.

Ylva Johansson: Nicht illegale Einreisen, sondern Visa-Vergabe schuld an Vielzahl von Asylanträgen?

Von der Regierung in Warschau forderte Scholz, dass „nicht weiter Visa verkauft und Flüchtlinge nach Deutschland durchgewunken würden“. Deshalb seien die Kontrollen an der Grenze zu Polen verschärft worden – ohne allerdings auch hier zu notifizieren. Mit Warschau bleibt das bilaterale Verhältnis verquer bis schwierig. Warschau hat prompt widersprochen, dass die polnische Visa-Erteilung einen großen Beitrag zum Asylantragsaufkommen im Staatenblock EU leiste. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson (gewissermaßen auch Spielerin im Team Scholz-Faeser, von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Schwedens) konnte es nicht lassen, Öl in dieses Feuer zu gießen, und behauptete kurzerhand, man müsse die Visa-Vergabe der EU-Staaten „an Menschen aus Afrika und Asien“ überprüfen, wie die DW berichtet.

Neuer Türkei-Deal nötig?
Griechischer Migrationsminister: Deutscher Ampel-Streit bremst EU
Selten hatte man etwas so wenig „Mitfühlendes“ vom Zentralorgan der Anti-Grenzschutz-Fraktion in der EU gehört. Polnische (am Ende sogar ungarische) Visa erscheinen in dieser Optik als die größere Gefahr gegenüber dem leider realen Ansturm illegaler Glückssucher-Migranten an den Südgrenzen der EU. Johansson scheint die Grenzstürmer zu bevorzugen. Die 600.000 Asylanträge EU-weit (im laufenden Jahr bisher) wurden aber kaum durch überzogene Visa ausgelöst. Nebenbei widerspricht sie aber der Praxis des grünen Auswärtigen Amts, das sich derzeit wieder um eine Ausweitung der Visa-Vergabe bemüht.

Zurück zu Scholz, der ob der von seiner Regierung in heldenhafter Weise vereinbarten Neuregelungen glaubt, sie könnten recht bald Besserung bringen: „Wir hoffen, dass sich das schnell bemerkbar macht.“ Hoffnung ist bekanntlich etwas Schönes, aber deshalb noch keine wirkungsvolle Politik. Zuletzt hält auch Scholz fest, was seine Innenministerin nicht schöner hätte sagen könne: Migranten an der Außengrenze sollen registriert und neumodisch „gescreent“ werden, damit auch kein Neuankömmling dem EU-Bund entgeht. „Dann werden sie auf die EU-Mitgliedsländer solidarisch verteilt und durchlaufen dort ihr Verfahren“, sagte Scholz abschließend dem RND.

Wird nun Zentralasien angezapft? Schon wieder viele „Fachkräfte“

Immer interessanter dürfte unter diesen Vorzeichen die Diskussion um sogenannte „Migrationsabkommen“ werden – selbst ein unscharfer Begriff, der von allen möglichen Fraktionen zu allen möglichen Zwecken gebraucht werden kann. In Zentralasien will Scholz nun die „Migrationszusammenarbeit“ intensivieren. Hier scheint er sich ins Zeug zu legen, während er in der EU-Asylpolitik nur Trippelschritte hinlegt und sie als „Hoffnungszeichen“ umdeutet.

EU gegen Abweichler
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Aber bei wem hat Scholz eigentlich dieses Versprechen abgegeben, Deutschland partout mit „Fachkräften“ aus aller Welt zu beglücken und in anderen Fällen auch zu fluten? Nichts gegen Zentralasien, aber die Staaten aus der Konkursmasse der alten Sowjetunion sind bisher weniger durch Fachkräfte-Reichtum als durch Familien-Potentaten, deren Wüstenpaläste und nagelneuen Hauptstädte aufgefallen. Ein sicher ungerechtes, verkürztes Bild. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, was Olaf Scholz ausgerechnet in diese Ecke der Welt getrieben hat – vielleicht ist es die Konkurrenz zu Russland und China und das Wittern einer „Chance“, die andere westliche Staaten noch nicht genutzt haben. In Kirgisistan unterzeichnete er eine Absichtserklärung zum Aufbau einer „umfassenden Migrationszusammenarbeit“. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sekundierte ihrem Kanzler der Herzen wiederum: „Wir sind auf die Einwanderung von Fachkräften dringend angewiesen, um unseren Wohlstand halten zu können.“

Gleichartige Gespräche führt die Bundesregierung mit Usbekistan. Vor dem Kanzleramt demonstrierten derweil mehrere Dutzend Personen gegen den tadschikischen Staatspräsidenten Emomalij Rahmon, dessen vorbeifahrendes Auto mit Eiern beworfen wurde. Ein weiterer Hinweis, auf die allfälligen Konflikte, die man sich mit den „Fachkräften“ leider zu leicht mit ins Land holt. Rahmon war in Berlin im Rahmen eines „Gipfeltreffens“ der Bundesregierung mit zentralasiatischen Staaten – darunter auch Kasachstan, Kirgistan, Turkmenistan und Usbekistan –, die zusammen knapp 80 Millionen Einwohner haben.

Sachleistungen: Hier balgen sich FDP und eine SPD-Ministerin

Und hier kommt noch ein Widerspruch, und es wird nicht der letzte in diesem Kabinett sein: Volker Wissing will „Prepaid-Karten“ für Asylbewerber. Nein, nicht für das Handy… obwohl, auch das schlägt die FDP in einer Argumentensammlung zur Bekämpfung und Reduktion der „irregulären Migration“ vor. Zu den dort vorgeschlagenen Sachleistungen gehört neben Bus- und Bahnkarten (die die Asylbewerber vielerorts offenbar jetzt schon haben) eben auch die „bundesweite Bezahlkarte“. In der Bild behauptete Wissing vollmundig, die Ampel-Regierung sei sich „einig, die illegale Migration nach Deutschland bekämpfen zu wollen“. Direkte Geldzahlungen seien aber ein Anreiz für die „Einreise in die Sozialsysteme“.

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Svenja Schulze, als Ex-Umwelt- und jetzt Entwicklungsministerin sicher mit vielem aber nicht diesem Thema vertraut, behauptete nun in der Bild am Sonntag: „Sachleistungen sind ein hoher Aufwand.“ Deshalb würde das „so gut wie nicht gemacht“. Doch was Wissing vorschlug, war das Gegenteil von Aufwand. Es ist sogar eine praktische Lösung für die Asylbewerber selbst, die weiterhin alles, was sie brauchen, im Laden quasi gratis bekommen. Bargeld würden sie allerdings nicht mehr sehen, was immerhin die Geldverschickung (gerne über illegale Hawala-Systeme) an Schlepper und Verwandte verhindern sollte. Schlupflöcher werden sich auch hier bald genug finden…

Daneben will die FDP – laut ihrem Argumenten-Baukasten – die EU-Grenzschutzagentur Frontex „perspektivisch“ (will sagen: auf längere Sicht) dazu bringen, „die Seenotrettung und die Ausschiffung der Geretteten in Drittstaaten mit Migrationsabkommen“ zu übernehmen. Sicherzustellen sei, dass „Migranten, die sich bereits in einem sicheren Drittstaat aufgehalten haben, dorthin zurückkehren“. Die FDP scheint zu wissen, dass die Not groß ist und die Kommunen schlichtweg überfordert sind, eine vernünftige Unterbringung und eine rudimentäre Integration zu ermöglichen. Passieren tut deshalb noch lange nichts. Dafür sorgen Grüne und Grünlinge (wie Svenja Schulze) in der Regierung.

Abschließend lässt sich wohl feststellen, dass Sachleistungen für Asylbewerber sinnvoll sind, allein um die allfälligen „Simsalabim“-Szenen in deutschen Behörden zu vermeiden. Ein illegaler Grenzübertritt, der in vielen Fällen nicht zum Flüchtlingsstatus führt (und in noch mehr Fällen nicht dazu führen sollte), darf nicht mit umgehend ausgezahlten baren Geldbeträgen belohnt werden. Dass ein solches System zum Missbrauch einlädt, müsste jedem nüchternen Betrachter einleuchten.

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