Tichys Einblick
Ganz Griechenland verarmt? Nein - der Absatz von Luxusartikeln steigt. Die Geldautomaten werden pünktlich aufgefüllt

Autoabsatz trotz Griechenland-Krise auf Rekordhöhe: Einbahnstraße in die Solidarität

Autoabsatz in Griechenland: Immer, wenn die Krise sich zuspitzt neue Rekordhöhen im Verkauf von Autos und anderen Luxusartikeln. Statt Reformen finanziert Europa die Kapitalflucht.

Griechenland verarmt, hungert; Löhne, Gehälter und Sozialleistungen werden gestrichen? Ganz Griechenland ist arm? Natürlich nicht das ganze Griechenland – nur das Griechenland im Bild der deutschen Medien. Das ist auch gut so: So wird der ständige Zufluß der Hilfsgelder sichergestellt – und dann sofort in Luxusartikel investiert oder ins Ausland gebracht. Das zeigt ein Blick in die griechische Zulassungsstatistik und Kapitalverkehrsbilanz.




Während sich tagtäglich die Meldungen über einen Staatsbankrott häufen steigt der Autoabsatz in Griechenland. Allein im April stieg der Autoabsatz um 47 Prozent. Das ist kein Ausreißer. Der Autoabsatz ist demnach seit 20 Monaten kontinuierlich gestiegen. Die Wirtschaft schrumpft zwar – aber mehr Autos? Das ist nur ein scheinbarer Widerspruch. Die griechische Bevölkerung versteckt ihr riesiges Vermögen vor der Regierung. Allein im April sollen schätzungsweise 7 Mrd. € ins Ausland transferiert werden sein. Im Dezember waren die Einlagen um 5,4 Milliarden geschmolzen. Im Januar flossen weitere 11 Milliarden ab. Wer es nicht in die Schweiz,  nach London oder wenigstens bis Albanien schafft, versteckt das Geld in der Zuckerdose oder  in haltbaren Gütern wie Autos. Mindestens 70 Mrd. € sind, nach verschiedenen Schätzungen, so aus dem offiziellen griechischen Geldmarkt verschwunden. Bemerkenswert: Wie der 10-Jahresvergleich zeigt, steigen die Auto-Zulassungen immer, wenn sich die Krise zuspitzt. Man könnte sagen: Die öffentliche Armut kontrastiert mit privatem Wohlstand. Es lebt sich nicht schlecht in Zeiten der Krise. Waren und Geld werden gehortet – der Staat soll sich anderweitig finanzieren. Nur nicht bei seinen Bürgern. Braucht Griechenland Kapital oder Kapitalverkehrskontrollen?

Autozulassung in Griechenland im Langfrist-Vergleich: Rekordhöhe in der Krise

Immer neue Kredite unter der Decke

Deutschland und die Europäische Zentralbank unterstützen diesen Vorgang. Das Instrument der Wahl sind „Notkredite“, im Fachjargon bekannt als „Emergency Liquidity Assistance“ (kurz: ELA). Auf diesem Weg erhalten griechische Banken frisches Geld aus Frankfurt, damit sie nicht ihre Schalter zusperren müssen. Gedacht sind diese Mittel für kurzfristige Hilfen, um einen Bank-Run zu verhindern. Aber wie der Name sagt – es geht um eine kurzfristige Liquiditätshilfe für Banken, bei denen Abhebungen schneller vor sich gehen als die Auflösung der Anlagen möglich ist. An sich dürfen diese Kredite nur an solvente Banken vergeben werden. Doch was sind Regeln der Geldpolitik im Zeitalter von Mario Draghi als EZB-Chef? Sie sind dazu da, gebrochen zu werden. Und Ela ist ja nur ein Weg, um Griechenland mit Geld für Autokäufer zu versorgen. Banken, die eigentlich keinen Marktzugang mehr haben, weil sie pleite sind, gewähren dem griechischen Staat Kredite, finanzieren also die Staatsausgaben. Früher hätte man das illegale Staatsfinanzierung genannt. Heute geht es in Ordnung, griechische Ordnung eben.

EZB-Kredite sollen gestrichen werden

Dazu passt, dass Griechenlands Finanzminister Giannas Varoufakis angekündigt hat, sein Land werde die Zahlung der nächsten Kreditrate an die EZB verschieben. Im Juli und August würden Zahlungen von insgesamt 6,7 Mrd. € fällig. Diese und die Gesamtfälligkeit von 27 Milliarden € an die EZB sollen in eine nicht genannte Zukunft verschoben, also gestrichen werden. „Verschieben“ klingt aber netter als „streichen“; es passt zum Euro-Neusprech, das unangenehme Wahrheiten in die Watte netter Worte verpackt. Sollten Ihnen die Zentralbank-Bilanzkunde zu kompliziert vorkommen, hier daher im Klartext: Die EZB, und immer mit dabei der deutsche Steuerzahler, füllen die griechischen Geldautomaten täglich mit neuem, frischen Geld auf – das dann von der Bevölkerung abgehoben wird. So werden neue Autos gekauft und Auslandskonten prall gefüllt. Gemäß Artikel 33 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank werden die Nettogewinne und Verluste der EZB auf die nationalen Zentralbanken des Euroraums aufgeteilt; Deutschland ist mit 25 Prozent Kapitalanteil der Bundesbank an vorderster Stelle  dabei. Sollte Ihnen das spanisch vorkommen: Vermutlich nennt sich das europäische Solidarität.

Wie wäre es mit Solidarität?

Echte Solidarität könnte auch so aussehen: Griechenlands Bevölkerung stellt diese Mittel ihrem Staat in Form von Krediten zur Verfügung. Damit wäre das Liquiditätsproblem Griechenlands sofort behoben; Reformen könnten finanziert werden. Mit Kapitalverkehrskontrollen wird verhindert, dass Geld, das in Griechenland dringend benötigt wird, abfliesst. Solche Kapitalverkehrskontrollen hat zuletzt Zypern 2013 eingeführt – und überdies Inhaber von Bankguthaben jenseits der 100.000 € -Grenze zu einer Zwangsabgabe herangezogen. Übrigens ist die Flucht in Autos oder Luxusartikel keine Besonderheit – sie war auch in Russland zu beobachten, nachdem die Sanktionen verhängt worden waren. Aber die Finanzierung des Staates bleibt doch zunächst Aufgabe der jeweiligen Bürger.

Den griechischen Reichen ist das alles vermutlich nicht zuzumuten. Die wissen ja, wie ihr Staat funktioniert. Kein Grieche ist so dumm, seiner Regierung Geld zu leihen. Wozu hat man die anderen Europäer? Es wäre aber auch zu einfach. Zu durchschaubar. Besser ist es, Schuldenstreckung zu verlangen und demnächst neue Direkthilfen. Besser, man lässt sich helfen, als sich selbst zu helfen. Letzteres ist einfach unzumutbar. Wozu gibt es denn Solidarität?




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