Tichys Einblick
Frühling zwischen Saudi-Arabien und Israel?

Kronprinz Muhammad bin Salman: Jeden Tag kommen wir uns näher

Seit Jahren bedroht der Iran mit seinem Griff nach der A-Bombe den Nahen Osten und die westliche Welt. Jetzt wollen die USA und Israel dem iranischen Erzfeind Saudi-Arabien dabei helfen, eine eigene Uran-Anreicherungsanlage zu bauen. Der Herrscher von Saudi-Arabien MbS sagt über die Beziehungen mit Israel: Wir kommen uns jeden Tag näher.

Saudi-Arabiens Kronprinz und Premierminister Mohammed bin Salman beim G20-Gipfel in Neu-Delhi, Indien, 9. September 2023

IMAGO / UPI Photo

Benyamin Netanyahu wird nicht als Super-Demokrat in die Geschichte eingehen. Aber in seinen inzwischen 13 Jahren als Ministerpräsident Israels mit Unterbrechungen hat er den Nahen Osten grundlegend verändert. Nicht zum Schlechteren. Drei Jahre, nachdem er mit Ex-US-Präsident Donald Trump und vier muslimischen Staaten die Abraham Accords in Washington unterzeichnet hat, sagt der Herrscher von Saudi-Arabien, Muhammad bin Salman, der sich gerne MbS nennen lässt, über die Beziehungen mit Israel unzweideutig: Wir kommen uns jeden Tag näher.

Der amerikanische Präsident Joe Biden will nächstes Jahr wiedergewählt werden und Netanyahu muss von der leidigen Justizreform und seinem Korruptions-Prozess ablenken, die ihm seit Monaten den politischen Alltag verfinstern. Da kamen beide auf eine Idee, die ebenso kühn wie wirkungsvoll sein kann. Der saudische Kronprinz spielt offensichtlich mit.

Seit Jahren bedroht der Iran mit seinem Griff nach der A-Bombe den Nahen Osten und die westliche Welt. Jetzt wollen die USA und Israel dem iranischen Erzfeind Saudi-Arabien dabei helfen, eine eigene Uran-Anreicherungsanlage zu bauen. Netanyahu – so ist aus seiner Umgebung zu vernehmen – hat Israels Nuklear-Experten bereits angewiesen, Riyad dabei unter die Arme zu greifen.

In einem Interview mit dem amerikanischen FOX-NEWS-Sender spricht MbS die nukleare Option ohne Umschweife an: „wenn andere sie bekommen, dann wir auch“. Er vergisst dabei nicht zu erwähnen, dass niemand daran denkt, die A-Bombe anzuwenden. Das würde einen Krieg mit der ganzen Welt auslösen. Niemand wolle ein zweites Hiroshima erleben, fügt er in Anspielung auf den nuklearen Angriff der USA auf Japan im Jahr 1945 hinzu.

Die Botschaft aus dem Umfeld der aktuellen UN-Generalversammlung hat ein Hauptziel: die auch für Riyad feindlichen Mullahs in Teheran. Sollte die Idee Wirklichkeit werden, würde es dem beabsichtigten Hegemonial-Anspruch des Iran in der muslimischen Welt einen deutlichen Dämpfer versetzen.

Wie wichtig MbS die Verteidigung seines Landes und die Vorherrschaft in der islamischen Welt sind, zeigt auch die Reihenfolge seiner Forderung für eine Annäherung an Israel. Erstens will er einen Verteidigungspakt mit den USA, zweitens signifikant mehr Waffen, drittens ein friedliches Nuklear-Programm auf dem Boden Saudi-Arabiens und viertens ein israelisches Entgegenkommen gegenüber den Palästinensern.

Auffallend ist die Reihenfolge der Forderungen des saudischen Kronprinzen, der das Regierungs-Zepter längst übernommen hat. Die Palästinenser stehen bei ihm an letzter Stelle und die Zwei-Staaten-Lösung kommt ihm nicht über die Lippen. Er spricht von „concessions“ und das kann vieles bedeuten.

Palästinenser-Führer Mahmoud Abbas hatte sich Ende August mit antisemitischen Äußerungen vor dem Revolutionsrat der eigenen Fatah-Partei selbst bei muslimischen Organisationen schwer geschadet. Der 87-Jährige behauptete, die Nazis hätten die Juden wegen „ihrer gesellschaftlichen Rolle als Geldleiher und Wucherer“ bekämpft und nicht allein deshalb, weil sie Juden gewesen seien.

Selbst Dutzende palästinensische Akademiker haben Abbas’ Rede scharf verurteilt. „Wir lehnen strikt jeden Versuch ab, Antisemitismus, Naziverbrechen gegen die Menschlichkeit oder Geschichtsrevisionismus im Hinblick auf den Holocaust zu verharmlosen, falsch darzustellen oder zu rechtfertigen“, heißt es in einem offenen Brief. Die Unterzeichner verurteilen darin „unmissverständlich die moralisch und politisch verwerflichen Äußerungen des Präsidenten“.

Der freundliche Empfang Netanyahus durch Biden dürfte mehr sein als eine atmosphärische Aufhellung der Beziehungen. „Bibi“, wie Biden seinen Gesprächspartner jetzt in New York freundlich nannte, war seit seinem neuerlichen Amtsantritt vor zehn Monaten in Ungnade gefallen. In Washington wird die rechts-nationale Koalition in Jerusalem offen kritisiert. Die angezettelte Justizreform ist auch bei den Freunden im US-Repräsentantenhaus ein Angriff auf die Gewaltenteilung und damit auf die Demokratie. Außerdem bereitet der überaus harte Kurs des Rechtsaußen-Koalitionspartners Itamar Ben Gvir gegen die Palästinenser auch den engsten politischen Unterstützern Jerusalems Kopfschmerzen.

Das Hochgefühl, das Netanyahu in diesen Tagen in den USA empfinden mag – Biden hat ihn noch dieses Jahr ins Weiße Haus eingeladen – wird ihn nach seiner Rückkehr auf den Boden der Tatsachen in seiner Koalitionsregierung herunterholen. Waffenlieferungen an ein arabisches Land, gar Nuklear-Anlagen an Riyad sowie Konzessionen an die Palästinenser stoßen in weiten Teilen Netanyahus sechster Regierung auf strikte Ablehnung.

Israel feiert in diesen Tagen das neue Jahr 5784, danach das Versöhnungsfest „Yom Kippur“ und anschließend verbringen traditionelle Juden eine Woche in der symbolträchtigen Laubhütte. Zeit genug, sich über die aus den USA mitgebrachte Kehrtwende in den Beziehungen zu Saudi-Arabien zu freuen. Die Nah-Ost-Realität kommt früh genug.

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