Tichys Einblick
Befragung

Faeser stellt sich im dritten Anlauf, verbreitet aber nur Nebel

Nachdem sich Faeser in der Sache Schönbohm zweimal geweigert hatte, in den Innenausschuss zu gehen, bequemte sie sich nun doch zur Teilnahme an einer Ausschusssitzung und zur Befragung im Plenum. Die Personalie ist längst zu einer Belastung für Scholz und die SPD geworden.

IMAGO/dts

Mitgefühl ist eine zwischenmenschliche, aber keine politische Kategorie. Deshalb kann man mit einer „feministischen“ Außen-Gouvernante Baerbock oder mit einem ökonomisch und physikalisch ahnungslosen (Vettern-)Wirtschaftsministerium Habeck (beide „grün“) kein Mitleid haben. Und mit einem Kanzler Olaf Scholz und einer Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) kann man schon gar kein Mitleid haben. Dummerweise – für beide dummerweise – sind Scholz und Faeser aber schier aneinander gekettet. Scholz kann die längst zur Belastung gewordene Faeser nicht feuern, weil diese mit mehr als bescheidenen Aussichten nach dem 8. Oktober Hessens Ministerpräsidentin werden will und weil Scholz keine Ersatzfrau für Faeser hat. Frau! Denn schon einmal hat Scholz (siehe die zurückgetretene Verteidigungsministerin Lambrecht) eine Frau durch einen Mann (Pistorius) ersetzt. Soll Scholz etwa eine Saskia Esken zur Innenministerin machen oder Lambrecht, die ja eigentlich im Innenministerium landen wollte, reaktivieren?

Und Faeser, die laut Henryk Border „sich selbst monströs überschätzende Ministerin“? Faeser, die als „Geisterfahrerin“ (Merkur) nun allmählich selbst die dicksten Geduldsfaden von immer mehr Medienleuten strapaziert?

Nein, Faeser betreibt nicht nur eine Personalpolitik lupenreiner Gutsherrinnenart, sondern sie stellt sich auch politisch nahezu täglich große Fettnäpfchen auf, um sofort volle Kanne dort hineinzuspringen. Mal will sie Afrika-Flüchtige aus Lampedusa holen, mal nicht. Mal will sie in Hessen ein kommunales Wahlrecht für Flüchtlinge, mal nicht. Pirouetten innerhalb weniger Tage. Ein „saublöder Fehler“ sei das gewesen mit dem Wahlrecht, meinte ein SPD-Sprecher. Bei der Erstellung des Wahlprogramms sei es zu diesem „saublöden Fehler“ gekommen. „Wir haben diesen Fehler in dem Wahlprogramm, das auf der Homepage der SPD Hessen steht, inzwischen korrigiert und die Korrektur in einem Disclaimer transparent gemacht“, sagte der gute Mann. Unwillkürlich fragt man sich, wann die AfD Faeser die Goldene Ehrennadel für die massenhafte Anwerbung von AfD-Wählern ansteckt. Abstrus auch, dass Faeser im Bundestag erklärte, dass die SPD-Wahlrechts-Programmatik nur Hessen, aber nicht sie als Bundesinnenministerin betreffe.

Nachdem sich Faeser in der Sache „Schönbohm“ zweimal geweigert hatte, in den Innenausschuss zu gehen, und eine Befragung im Plenum auf einen Tag im Dezember 2023 verschoben haben wollte, bequemte sie sich am Mittwoch, 20. September, doch zur Teilnahme an einer Sitzung des Innenausschusses und zur Befragung im Plenum. Am Vormittag sollte sie im Innenausschuss sagen, warum sie den damaligen Cyber-Abwehr-Chef Arne Schönbohm strafversetzt hat und vom Verfassungsschutz hat bespitzeln lassen. In der aktuellen Sitzung des Innenausschusses hat sie sich freilich trotz körperlicher Anwesenheit verbal und intellektuell einen schlanken Fuß gemacht. Sie entschuldigte sich allerdings, dass sie der zweiten Sitzung ferngeblieben sei, weil sie sich über die tendenziöse und aus dem Zusammenhang gerissene Berichterstattung in den Medien geärgert habe. Schmollen also als neue ministerielle Kompetenz?

Ihr Ministerium verweigerte nach wie vor die Akteneinsicht – obwohl Schönbohm selbst zugestimmt hatte. Zudem schickte Faeser Verfassungsschutzchef Haldenwang vor. 2016 und 2021 habe es eine Sicherheitsüberprüfungen von Schönbohm ohne Beanstandungen gegeben. Warum sie eine zweite Abfrage Anfang März 2022 beauftragt habe, beantwortete Faeser nicht.

Faesers Befragung im Innenausschuss wurde übrigens zeitweise unterbrochen und nach einer so genannten Sicherheitseinstufung fortgesetzt. Das bedeutete, sämtliche Handys und andere technische Geräte müssen abgegeben werden und nur die Abgeordneten dürfen noch dabei sein.

Ab 13 Uhr las Faeser im Plenum von der Regierungsbank aus ein Statement ab. Danach sei in Sachen Migrationspolitik alles bestens geregelt: Die Grenzkontrollen funktionierten, die Zahlen nähmen ab usw. usw. Danach gab es im Plenum Fragen an Faeser aus der Opposition. Faesers Antworten waren geradezu lächerlich: Schönbohm habe Faesers Vertrauen verloren, weil es Differenzen zwischen ihr und ihm in der Einschätzung der Gefahr von Cyber-Angriffen nach Russlands Überfall auf die Ukraine gegeben habe. Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Schönbohm Strafversetzung und einer ZDF-Böhmermann-Sendung sowie die Frage, ob sie sich bei Schönbohm nach einem nicht einmal erfolgten Disziplinarverfahren entschuldigen werde, ignorierte sie. Nach wie vor also null Unrechtsbewusstsein bei Verfassungsministerin Faeser.

Erinnerungswürdig zugleich: Während sich die Öffentlichkeit mit Faeser/Schönbohm befasste, stellten Faeser und Haldenwang im Juni 2023 den Verfassungsschutzbericht 2022 vor. Die 376 Seiten fielen sehr zu Faesers Geschmack und dem Geschmack der Links-Partei aus: Linksradikale Umtriebe in oder im Umfeld der Links-Partei kommen im Bericht im Vergleich zum Bericht 2021 nahezu nicht mehr vor.

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