Spätestens als Jonathan Fine, TE-Lesern bekannt von unserer Recherche zur Unterstützung der Klimakleber durch Museen, von seinem Posten als Direktor des Weltmuseums an die Spitze des Museumsverbands des Kunsthistorischen Museums in Wien befördert wurde, war klar, dass der institutionelle Einsatz für Klimaextremisten in der Welt von Kunst und Kultur keineswegs ein Akt des Widerstands, als vielmehr Ausdruck politischer Konformität ist, der mittlerweile ausschlaggebender für die Karriere in der Kunstwelt ist, als die tatsächliche künstlerische Qualifikation.
Wer diese Regel versteht, kann dem exilrussischen Dirigenten Vladimir Jurowski nur eine große Karriere in den nächsten Jahren vorhersagen. Denn als ein von ihm in Luzern dirigiertes Konzert von zwei Klimaextremisten unterbrochen wurde, richtete sich Jurowski mit folgenden belehrenden Worten an das Publikum:
„Wir haben eine Abmachung getroffen. Die jungen Menschen sagen ihr Wort jetzt, wir hören alle zu, ohne zu kommentieren.“ Als sich in diesem Moment eine widerwillige Stimme erhob, brachte Jurowski diese mit dominierend erhobener Hand zum Schweigen und fuhr fort: „Ich habe es ihnen versprochen, mein Ehrenwort gegeben, dass nicht kommentiert wird. Wir lassen sie ausreden und dann lassen sie uns den 4. Satz spielen, das war die Abmachung. Bitte helfen Sie mir…“. An dieser Stelle wurde Jurowski von Applaus unterbrochen.
Mit der großen Gestik des Podiumskünstlers schüttelte er dem Schweizer Malte-Torben und seiner wortführenden Blaustrumpf-Dame die Hand, wie es ansonsten nur dem Konzertmeister und Solisten vorbehalten ist, und erteilte ihnen mit Segnungsbewegungen das Wort.
Natürlich durfte man gespannt sein, was es Neues aus der Welt der Klimahysterie gab, denn so langsam dürfte schon wirklich jeder mindestens einmal den Spruch vom bevorstehenden Ende gehört haben. Jurowskis Ankündigung ließ also kurzfristig Hoffnung aufkeimen, dass es informativ werden könnte. Aber dann die Enttäuschung. Mademoiselle Blaustrumpf gab ihr „Bedauern“ zum Ausdruck, das Konzert unterbrechen zu „müssen, aber wir haben einen Klimanotstand.“
Dirigent antwortet auf Unmut aus dem Publikum mit Drohungen
Das Luzerner Publikum bewies an dieser Stelle, noch nicht seine letzten Gehirnzellen an der Garderobe abgegeben zu haben, und quittierte die Ansprache mit erbosten Zwischenrufen. Das veranlasste Jurowski, der sich aus dem autoritären Russland bereits vor einiger Zeit im Streit verabschiedete, um im freien Westen sein Dirigat als menschliches Windkraftwerk in den Dienst der Bekämpfung des Klimawandels durch Kunst zu stellen, tief in sich zu gehen und die Reste altmodischer Dominanz des Dirigenten auszugraben und dem Publikum entgegen zu schmettern.
Mit seinen Armen versuchte Jurowski das Publikum wie ein ungehorsames Schülerorchester zum Schweigen zu bringen: „Hört auf! Lasst sie reden“, schallte es dem Publikum entgegen. Ein weiterer Wortfetzen der Blaustrümpfin kämpfte sich durch die Aufregung. „Ein Anliegen, der uns alle etwas angeht“, rief sie radebrechend, doch die Menge war lauter. Zeit für Jurowski, härtere Bandagen anzulegen und dem Publikum zu drohen: „Lasst sie doch einmal reden und dann spielen wir unsere Symphonie, sonst gehe ich jetzt von der Bühne. Wenn Sie sie nicht ausreden lassen, habe ich mein Wort gebrochen. Dann gehe ich.“ Wieder brandete Applaus auf, der Dirigent unterstrich sein autoritär-liberales Weltbild mit dem geheimen Handschlag der Kunstszene, indem er sich trotzig im Schneidersitz auf sein Dirigentenpodium setzte und wiederum Mademoiselle Blaustrumpf das Wort erteilte.
An dieser Stelle endet der Videoclip der Extremisten. Als ein letztes Detail sei noch darauf hingewiesen, dass die Musiker des Orchesters weder auf die kritischen Zurufe noch auf den Szenenapplaus reagierten und – soweit ersichtlich – sich diesem Applaus auch nicht anschlossen. Ein Cellist fummelte an seinem Instrument, bevor er seine Brille abnahm und gesenkten Hauptes auf das Ende der Darbietung wartete, ein Violinist starrte Löcher in die Luft über ihm und ließ das Geschehen teilnahmslos über sich ergehen.
Eine Karriere voller Haltung
Nun ist Jurowski alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Zwar war er noch bis 2021 Dirigent des Staatlichen Akademischen Sinfonieorchesters in Moskau, geriet aber dort auch vor dem Ukraine-Krieg immer wieder mit der Leitung aneinander, weil er unter anderem ein Werk eines zeitgenössischen ukrainischen Komponisten mit dem Titel „Majdan-Hymne“ aufführen wollte, was in Moskau auf wenig Gegenliebe stieß. 2021 verließ er seinen Posten in Moskau aus „ökologischen Gründen“ und gab an, weniger fliegen zu wollen. Seit 2017 ist Jurowski Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin, 2021 folgte er seinem Landsmann Kyrill Petrenko auf den Posten des Generalmusikdirektors der Bayrischen Staatsoper.
Allerdings war Petrenko ebenfalls bis 2021 Chefdirigent des London Philharmonic Orchestra, seitdem gilt er als „Conductor emeritus“, weshalb er nach wie vor ein gern gesehener Gast in London ist. So darf trotz aller Bekenntnisse zum Klimaschutz ein prall gefüllter internationaler Konzertkalender nicht fehlen. Alleine im Monat September ist Jurowski nicht nur in Berlin, München und Luzern zu bewundern, sondern unter anderem auch in Paris, London und Österreich.
Doch die Forderung nach einer Reduktion von Reisen klingt hohl aus dem Munde eines Künstlers, der mit nunmehr 51 Jahren den Luxus hat, über mehrere Chefdirigate in einem Land mit potenter Kunstförderung zu verfügen, und der somit auch schon einmal auf die eine oder andere Auslandsreise verzichten kann, die ihn selbst in den vergangenen 30 Jahren seiner Karriere ungehemmt rund um die ganze Welt geführt hatten. Mit dieser Einstellung ähnelt er dem Plädoyer für ein Atomwaffentestverbot durch jene Atommächte, die bereits frühzeitig so viele Tests unternommen hatten, dass sie fortan diese Tests im Computer durchführen konnten und somit ihren Vorsprung monopolisieren konnten.
Die Reduktion von Kunst zum Sprachrohr der Gegenwartspolitik
Vor allem aber wird an Jurowskis Verhalten die Einstellung der gesamten Kunstbranche gegenüber ihrem Publikum deutlich. Denn wo die Dirigentengarde in den letzten 20 Jahren nicht müde wurde zu betonen, dass die „Despoten des Dirigierpults“ glücklicherweise der Vergangenheit angehörten, ja, dass man sich rühmte, mittlerweile kooperativer (Kritiker könnten sagen: weniger durchsetzungsfähig) mit dem Orchester umzugehen, so zeigt sich am Umgang Jurowskis mit dem Publikum doch nur, wie selektiv diese Prinzipien zum Einsatz kommen. Die Autorität war nie weg, nur erstreckte sie sich nun vor allem gegen den politischen Feind. Und sei es das Publikum. Das zahlende Publikum!
Woher glaubt Jurowski das Recht zu besitzen, den Klimaklebern ein Podium zu bieten? Glaubt er gar, das Konzert sei seine Privatveranstaltung und das zahlende Publikum nur eine tolerierte Masse? Angesichts der zahlreichen Lamenti der letzten Jahre und Jahrzehnte, dass man in der Klassikindustrie ein neues Publikum ansprechen wolle, drängt sich die Frage auf, ob die Erpressung des Publikums – inklusive Drohung zum Konzertabbruch, wenn man den Klima-Propagandisten nicht zuhöre! – wirklich ein probates Mittel ist, um mehr Menschen für die Klassik zu begeistern. Wäre er vom Podium gegangen, täte das Publikum wohl daran, geschlossen zum Kartenschalter zu gehen und die Rückerstattung ihrer Karten zu fordern.
Ganz zu schweigen von der Unverfrorenheit, den Propagandisten nicht nur Raum zum Vortrag ihrer ewig gleichen Agenda zu bieten, sondern auch noch zu fordern, dies kommentarlos über sich ergehen zu lassen. Wie kleine Kinder im Kindergarten belehrte Jurowski das Publikum, „wir hören alle zu“. Damit entblößt sich der Klimakult wieder einmal als vollkommen kritikunfähiges Dogma, das einfach „gehört und geglaubt“ werden müsse, denn mit Kommentaren kommt man nicht zurecht.
Billiges Laientheater soll das politische Kalkül des Managements verschleiern
Natürlich hatte Jurowski all das nicht auf eigene Faust initiiert. Man könnte sich ein humoristisches Szenario vorstellen, in dem zwei Klimakleber sich Backstage schleichen, den Sicherheitsmann mit einem geschickt geworfenen Stein ans andere Ende des Ganges ablenken, nur um sich in die Garderobe des Maestro zu schleichen, der zunächst Hilfe rufen will, dann den „jungen Leuten“ aber auf deren verzweifeltes Andringen doch eine Chance gibt (so wie ihm wohl selbst einst eine Chance gegeben wurde) und sie ihn mit ihrer frischen, unverbrauchten und noch nie gehörten Botschaft von der bevorstehenden Klimakatastrophe überzeugen.
Dieses Szenario ließe sich noch endlos weiter spinnen – und es wäre gewiss unterhaltsam – doch die Realität ist viel ernüchternder. Koordiniert zwischen irgendwelchen Schreibtischhelden der Klimabewegung und den Managements von Konzertsaal, Orchester und Dirigent, wurde die gesamte Aktion von vorneherein geplant und mit dem Charme einer Laientheatervorführung dargeboten. „Ich habe ihnen versprochen“ heißt so viel wie: „Mein Management hat entschieden“.
Davon abgesehen darf man sich da keinen Illusionen hingeben. Natürlich ist Jurowski überzeugt von seinem Tun. Spätestens mit dem Erfolg seiner Haltungspolitik wurde ihm der kritische Blick auf die Folgen seines Tuns endgültig verstellt. Er ist Klima-Kollaborateur aus Überzeugung und entspricht somit exakt jenem Typus spätkulturellen Künstlers, der sich primär über sein Charisma und seinen Bezug zur Macht definiert, wie Rolf Peter Sieferle es einst in seinem „umstrittenen“ Finis Germania in Bezug auf die Kunst beschrieb:
„Kunst ist Macht – in diese Formel löst sich der gesamte aktuelle Kunstbetrieb auf; sie enthüllt das Geheimnis eines sonst rätselhaften Geschehens. Wir bewundern im Künstler den Virtuosen der Macht, den glänzenden Projektanten, Organisator, Fundraiser, Überzeugunsarbeiter, Selbstdarsteller und hohen Programmverkünder. In der systemischen Welt horizontaler Beliebigkeiten gilt jede Dezision nur mehr als sie selbst; gewinnt sie Gewicht nur insofern, als sie sich durchsetzen kann. Noch im philosophischen Seminar, wo über diskursethische Fragen debattiert wird, läßt sich beobachten, dass weniger zählt, welches Argument vorgebracht wird, als wer es wie vorbringt.
Auch die diskursive Wahrheit entspringt letztlich einem Akt charismatischer Herrschaftsausübung. Es versteht sich dann von selbst, dass eine solche Einsicht nur aus einer nichtcharismatischen Position heraus artikuliert werden kann, denn der echte Charismatiker wird immer Wert darauf legen, dass er das Wahre, nicht aber nur sich selbst vertritt. Daher wird auch der Künstler darauf bestehen müssen, dass sein Künstlertum jenseits der bloßen Machtausübung liegt, und sofern ihm dies gelingt, ist dies Ausdruck der Vollendung seiner Macht: Sie ist Macht, die nichts als Macht ist und doch als etwas ganz anderes erscheint.“
— Claudio Zanetti (@zac1967) September 11, 2023