Wer auch immer diese generischen Titel für Maybrit Illner immer dichtet, ist diese Woche auf Krawall gebürstet. „Ampel in der Krise – Kein Plan, kein Geld, kein Vertrauen?“ war die Frage, mit der sich die Gäste der Sendung am Donnerstagabend konfrontiert sahen. Es war die perfekte Voraussetzung für Illner, mal mit harten Bandagen in den Ring zu steigen. Allgemein hatte die Sendung allein von ihren Voraussetzungen her das Potenzial, explosiv zu werden.
Gefährliche Dreiecksbeziehung
Verena Bentele, die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, war in der Runde, sowie Eva Quadbeck, die Chefredakteurin vom „Redaktionsnetzwerk Deutschland“, doch die beiden waren Randerscheinungen im Vergleich zu den strahlenden Eliten der Politik, die uns hier beehrten. Christian Lindner (FDP), Ricarda Lang (Grüne) und Carsten Linnemann (CDU) hat es gleichzeitig ins Studio verschlagen. Nun sind wir auch zur Explosionsgefahr gekommen. Jeder von den Dreien hat ein sehr großes Interesse daran, jede Schuld von sich zu schieben. Nun ist die Dreiecksbeziehung der drei allerdings komplizierter als ein Schnulzenroman.
Derweil ist Deutschland aktuell eine Planwirtschaft ohne Plan, die reichste Nation Europas ohne Geld, regiert von einer volksnahen Regierung ohne Vertrauen. Jeder von den Dreien will nicht mit den aktuellen Problemen in Verbindung gebracht werden und hat damit Grund, um die wichtigsten Themen herumzureden. Gleichzeitig sind sie alle in einer ähnlich aussichtslosen Position, denn ihre tatsächliche Verantwortung an der aktuellen Lage ließe sich nur mit einer ausgiebigen Portion Feenstaub wegzaubern, weshalb sie alle Grund haben, sich verzweifelt gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Und so ist da dieses stetige Knistern zwischen ihnen, aus Überlebenstrieb und Existenzangst.
Grund zur Existenzangst haben Lindner und Lang auf jeden Fall, lernen wir im Vorspann. Laut ARD Deutschlandtrend ist die Zufriedenheit mit der Ampel auf 19 Prozent gesunken und laut ZDF Politbarometer glauben nur 14 Prozent, dass die Ampel tatsächlich Probleme löst. Beide wählen ihre eigenen Strategien, um damit umzugehen. Lindner bekommt zuerst das Wort. Sein Redebeitrag klingt eher wie etwas, was der Streber aus der ersten Reihe sagen würde, der dem Lehrer beim Handheben fast den Finger in die Nase steckt, während er ihm eigentlich ganz woanders hinkriechen will.
Handeln ohne Wandel
„Jetzt handeln wir. Wir haben eine andere Migrationspolitik, wir haben zum Beispiel mit dem – von mir erarbeiteten – Wachstumschancengesetz Impulse für die Wirtschaft, wir beschleunigen die Genehmigungsverfahren für die erneuerbaren Energien. Und ich schlage vor, einfach stärker über die Probleme als über Umfragen zu sprechen“, referiert Lindner – in einer Sprache, die er selbst wohl sehr souverän findet. Während er nach vorne drängt, was er selbst schon alles geschafft hat, dachte er wohl, er klingt dynamisch, wenn er die Sache mit den Umfragen noch dranhängt. Tatsächlich merkt man ihm aber gerade hier an, dass er an einem wunden Punkt getroffen wurde.
Sie sagt das auf eine Art, die wohl mitfühlend und sympathisch wirken soll. Sie wippt hin und her wie ein Seemann, der leicht einen sitzen hat, während sie ihre Augenbrauen zu einem Dackelblick zusammenzieht – während sie inhaltlich im Grunde sagt: „Ich weiß nicht, wie der Pöbel auf so einen Stuss gekommen ist, aber wir machen unseren Job super.“ Dann lenkt sie ein, denn sie hat nicht mal irgendetwas total Selbstverständliches, mit dem sie trotzdem schamlos angeben kann, so wie Lindner es getan hat, sie ist ausschließlich auf ihre sympathische Art angewiesen und somit unbewaffnet.
Erfolg hat keine Farbe
Also setzt sie obendrauf: „Ich glaube, für die Zukunft muss noch mehr gelten: Wenn ich mit den Bürgerinnen und Bürgern im Land rede, wollen die nicht wissen, ist das ein grüner Erfolg, ist das ein gelber Erfolg oder ist das ein roter Erfolg.“ Sie hat recht. Tatsächlich wollte in den letzten Monaten niemand wissen, wessen Erfolg die Ampel-Politik ist, sie wollten vielmehr wissen, wer das Land vor die Wand gefahren hat. Vielleicht hat Ricarda selbst gemerkt, in welche Sackgasse sie sich manövriert, als Illner sie fragt, ob man die Wähler beschimpfen wolle.
Als Illner nach Langs CDU-Manöver immer noch nicht von ihr ablässt und sie trotzdem weiter mit Fragen quält, verschwindet plötzlich die gemütliche Seemann-Dackel-Fusion aus Ricardas Gesicht und wir sehen den typischen Blick, den alle Grünen perfektioniert haben. Wie ein zickiges Kleinkind schaut Lang nun zu Illner hoch und macht unmissverständlich klar, dass die nun Linnemann zu befragen hat, indem sie ihn und seine Partei direkt angreift. Dieses Mal tut Illner ihr den Gefallen und stellt Carsten Linnemann vor. Ricardas bockiger aber selbstzufriedener Blick richtet sich nun auf ihn.
Wie erwartet, steht Linnemann Lindner näher als dem Rest des Plenums, er lobt ihn sogar ausdrücklich: „Das einzige, was man jetzt geschafft hat, ist an einem Gesetz zu arbeiten für die Legalisierung von Drogen. Christian Lindner hat die wirtschaftliche Situation erkannt, mit seinem Wachstumschancengesetz, da diskutieren wir auch drüber, wie wir damit umgehen, da sind viele gute Punkte drin.“
Langsam beginnt die Bombe zu detonieren. Linnemann hat sich ein spezielles Feindbild zurechtgelegt – Olaf Scholz. Es scheint, als würde er vor allem Lindner dazu antreiben wollen, sich auf seine Seite zu stellen. So bringt er den Rest der Ampel regelrecht gegen Scholz auf, als er über den gedachten Deutschland-Pakt sagt: „Eigentlich ist es ein Misstrauensvotum gegenüber der Ampel, gegenüber den eigenen Leuten. Es ist ein Hilferuf.“ Lindner reagiert, indem er einen gekünstelt kritischen Gesichtsausdruck annimmt. Währenddessen redet Linnemann sich weiter in Rage: „Wir haben jetzt 80 Prozent mehr Asylanträge in Deutschland als im letzten Jahr und das Jahr ist noch nicht vorbei. Er hat einen großen Flüchtlingsgipfel gemacht im letzten Mai, hat heilig was versprochen – nichts passiert.“
Der Mann im Buchhalterlook
Linnemann nutzt die Ampel perfekt aus, um die CDU wieder auf den Weg in die Regierung zu befördern. Er hat ja auch perfekte Voraussetzungen – anders als Söder oder Merz, verbindet man mit ihm nicht die Merkel-CDU, weil man sich gar nicht erinnern kann, ihn überhaupt vorher schon mal gesehen zu haben. Es wäre eigentlich einfach, der CDU ihre Jahrzehnte lange Vorarbeit für die Katastrophe, die nun in Deutschland herrscht, immer wieder unter die Nase zu reiben, so wie Lang es anfangs noch versucht hatte. Weder sie noch Lindner schaffen das aber, weil Linnemann schon längst auf 180 geschaltet hat. Er setzt die Grünen-Vorsitzende auf den Topf wie ein kleines Kind.
Die kämpft zwar tapfer, doch sie reagiert nicht auf Augenhöhe, sondern beleidigt. Lindner ist zu schwach, um sich gegen Linnemann zu stellen, und zu feige, sich auf seine Seite zu schlagen. „Wir haben keine schlechte Wirtschaft, wir haben eine schlechte Regierung“, wirft er während einer Wirtschaftskrise in ein Plenum ein, in dem zwei Regierungsparteien vertreten sind, doch beide wissen sich kaum zu helfen.
Sie zerschellen an dem Paderborner CDU-Mann mit Brille und Buchhalterlook, der einfach durch die Sendung durchspaziert, während sie ihre Schlagfertigkeit opfern, um einen Mann zu schützen, der nicht geradeaus laufen kann.