Tichys Einblick
Offener Brief gegen Claudia Roth:

Internationale Filmschaffende kritisieren Roths „schädigendes, unprofessionelles und amoralisches Verhalten“

Claudia Roth hat es geschafft: Selbst Martin Scorsese weiß nun, wer sie ist. Allerdings nicht als eifrige Förderin deutscher Filmkunst, sondern für den Schaden, den sie an der Berlinale anrichtet. Ein offener Brief kritisiert dabei unterschwellig auch die knausrige Förderpolitik und Infrastruktur in Berlin.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth im Deutschen Bundestag, Berlin, 6. September 2023

IMAGO / Political-Moments

Fast könnte man mit Claudia Roth Mitleid haben, denn momentan scheint die Grünen-Koryphäe kaum ein Fettnäpfchen auszulassen. Nach der skandalösen Nicht-Aufarbeitung des Documenta-Skandals erntete sie von jüdischen Jugendlichen gellende Pfiffe beim Jewrovision Song Contest und nun verkrachte sie sich auch noch mit der internationalen Filmszene so sehr, dass ein von Martin Scorsese mit unterzeichneter offener Brief die Grünen-Politikerin für ihr „schädigendes, unprofessionelles und amoralisches Verhalten“ kritisiert.

Auslöser war Roths Ankündigung, dass die bisherige Doppelspitze der Berlinale, bei der die Geschäftsführung und die künstlerische Leitung getrennt waren, zukünftig wieder unter einer einzelnen Intendanz zusammengefasst werden sollen. Obwohl Roth dem bisherigen künstlerischen Leiter Carlo Chatrian noch vor wenigen Monaten eine Verlängerung von dessen Vertrag zugesagt hatte, wurde nun bekannt, dass Chatrian für diese Rolle nicht länger vorgesehen war und ihm lediglich nahegelegt wurde, in Zusammenarbeit mit der neuen Intendanz dem Festival erhalten zu bleiben.

Diese Herabstufung wollte der Italiener Chatrian jedoch nicht hinnehmen und verkündete kurze Zeit später, die Berlinale nach der Ausgabe des Jahres 2024 zu verlassen. Bereits in der Vergangenheit hatte Chatrian zu Protokoll gegeben, organisatorisch flexibel zu sein, solange ihm die künstlerische Freiheit zur alleinigen Gestaltung des Festivals geboten würde. Offensichtlich sah Chatrian diese Grundlage in dem neuen Modell nicht länger gewährleistet.

Seitenhieb gegen mangelnde Finanzierung und marodes Festivalzentrum in Berlin

Als Antwort auf diese Entscheidung veröffentlichten aber nun über 300 internationale Filmschaffende, darunter bekannte Namen wie Martin Scorsese, M Night Shyamalan, Tilda Swinton, Margarethe von Trotta und sogar Josef Hader, einen offenen Brief, in dem sie Claudia Roth aufs Schärfste für ihre Entscheidung kritisieren. Darin warfen sie Roth „schädigendes, unprofessionelles und amoralisches Verhalten“ bei ihrer Entscheidung, den Vertrag von Chatrian trotz vorheriger Zusage nicht zu verlängern, vor. Gleichzeitig lobten die Filmschaffenden Chatrian, der zwar „kein Showmann“ sei, aber in seiner „stillen Art einen offenen und künstlerisch lohnenden Pfad zu kurieren“ eingeschlagen hatte.

Damit aber noch nicht genug der Seitenhiebe. Der offene Brief lobte Chatrian dafür, auch „unter schwierigsten Umständen“ außerhalb seiner Verantwortung, darunter „der Pandemie, finanzieller Einschränkungen und einem verfallenden Festivalzentrum am Potsdamer Platz“ ein gelungenes Festival organisiert zu haben. Anstatt Chatrian für seinen Einsatz zu belohnen, so die Unterzeichner, entschloss sich „die Ministerin, die Schwierigkeiten zu erhöhen“, bis Chatrian sich dazu gezwungen sah, die vorzeitige Auflösung seines Vertrags bekannt zu geben.

„Erwartungsgemäß wurde keine bessere Vision für das Festival vorgestellt oder besprochen, bis auf die fragwürdige und politisch rückwärtsgewandte Forderung nach einer starken Hand in Form eines Intendanten, die die Berlinale angeblich bräuchte.“ Der Brief endet mit einer „dringenden Forderung“ zur Verlängerung von Chatrians Verbleib und einer „Reparatur des angerichteten Schadens an diesem essentiellen Filmfestival“.

Sparmaßnahme oder Frauenquote?

Laut einer Sprecherin bedauerte Roth die Entscheidung Chatrians, aus früheren Gesprächen hatte Roth angeblich den Eindruck gewonnen, dass der bisherige künstlerische Leiter bereit gewesen wäre, „mit einer neuen Intendanz das Gespräch aufzunehmen“. Die Entscheidung, diese Intendanz zukünftig wieder in einer Hand zu sehen, verteidigte die Kulturstaatsministerin jedoch.

Die neue Intendanz ist aber nicht die einzige umstrittene Entscheidung Roths über die Zukunft der Berlinale. Bereits im Juli war durchgesickert, dass das Festival einen harten Sparkurs fahren müsste, der die Gesamtzahl der gezeigten Filme um ein Drittel reduziert. Ob solch eine Sparmaßnahme der Hauptgrund für die neue Einzelintendanz war, oder doch womöglich eine politische Entscheidung, bleibt im Dunkeln. Berichten zufolge hatte bereits eine Kandidatin für den neuen Posten abgesagt, sodass vermutet wird, dass womöglich eine beabsichtigte Frauenquote hinter der geplanten Neubesetzung steht. So oder so dürfte sich die Besetzung nach dem nunmehrigen Skandal und der offenen Ablehnung der internationalen Filmgemeinschaft schwierig gestalten. Das kinoaffine Publikum darf jedenfalls bereits sein Popcorn bereitstellen um den nächsten Akt dieses Dramas zu verfolgen.

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