Tichys Einblick

Glückliche Schweizer dürfen über Rundfunkgebühren-Senkung abstimmen

Eine Initiative will die jährliche Zahlung für die SRG von 335 auf 200 Franken senken, das Volk soll entscheiden. In Deutschland suchen Funktionäre und Politiker stattdessen nach Wegen, eine Gebührenerhöhung gegen die Mehrheit durchzudrücken.

IMAGO / Geisser

Demnächst dürfen die Schweizer, was den Deutschen verwehrt bleibt: Sie können darüber abstimmen, ob die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt der Eidgenossen – die SRG – demnächst mit deutlich weniger Geld auskommen muss. Im Jahr 2018 entschieden die Stimmbürger über die „No Billag“-Initiative, deren Ziel darin bestand, den Pflichtbeitrag für die SRG ganz zu kippen. Damals votierten 71,6 Prozent dagegen. Den öffentlichen Rundfunk wollten die meisten also offenkundig behalten.

Aber viele Schweizer fragen sich: Muss der SRG so viel kosten? Eine Initiative von Politikern der SVP, der Jungfreisinnigen und einigen FDP-Vertretern sammelte jetzt genügend Stimmen, um die Bürger über eine Schrumpfung der Sendeanstalt in einer Volksabstimmung entscheiden zu lassen. Nach ihrer Vorstellung soll der jährliche Pflichtbeitrag in Zukunft von 335 auf 200 Franken sinken.

Die SRG, argumentiert der SVP-Politiker Thomas Matter, einer der Initiatoren, hätte dann statt wie bisher 1,2 Milliarden immerhin noch 700 Millionen Franken pro Jahr zur Verfügung: „Das reicht doch für ein kleines Land wie die Schweiz.“ Er fragt auch, ob SRG-Generaldirektor Gilles Marchand wirklich ein Gehalt von über 500.000 Franken braucht, und SRF-Direktorin Nathalie Wappler ein Salär von mehr als 400.000 Franken.

Die Begründungen für die Initiative lauten sehr ähnlich wie die Kritikpunkte am öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland: erstens zu teuer, vor allem durch die üppigen Gehälter für das Führungspersonal. Zweitens, so monieren die Initiatoren, zeige die SRG trotz aller gegenteiligen Beteuerungen eine starke linksgrüne Schlagseite, und sende deshalb an vielen Schweizern vorbei, die trotzdem zahlen müssen. Und drittens verabschieden sich auch in dem Alpenland mehr und mehr Jüngere vom linearen Fernsehen. Warum sollen sie für etwas zwangsweise Geld abliefern, was nicht mehr zu ihrer Lebenswelt gehört?

Auch die Gegenargumente gleichen denen deutschen. Mit deutlich weniger Geld, behauptet die Nationalrätin Jaqueline Badran von der SP in einem NZZ-Streitgespräch mit Matter, könnte der öffentliche Sender gleich schließen: „Der Druck auf die SRG ist riesig. Wenn sie auf die Hälfte des Budgets verzichten muss, ist sie tot.“ SRG-Generaldirektor Marchand sieht in der Volksinitiative „eine Attacke auf die Schweiz und ihre Vielfalt“, auf den für den „Zusammenhalt des Landes“. Das erinnert stark an das Mantra der ARD- und ZDF-Fürsten, ohne ihrer Sender ginge die Demokratie in Deutschland unter.

Der Unterschied zwischen der Schweiz und Deutschland besteht nicht nur in dem Umstand, dass die Nachbarn abstimmen dürfen, die Bundesbürger aber nicht. In Deutschland dreht sich die Debatte auch nicht um eine Gebührensenkung, sondern um eine kräftige Erhöhung, die ARD und ZDF ab 2025 fordern. Und das, obwohl sie – anders als die SRG – einen Skandal an den nächsten reihen, von der feudalen Geldverprasserei bei RBB bis zu plumpen Manipulationen und erfundenen Geschichten, etwa dem berühmten Fernseher aus Afrika, der Strom erzeugt. Trotzdem soll das monatliche Zwangsgeld von derzeit 18,36 demnächst auf über 20 Euro steigen. Entscheiden müssen die Parlamente der Bundesländer darüber 2024.

Allerdings zeichnet sich schon jetzt so viel Widerstand dagegen ab wie noch nie. Sechs Bundesländer beziehungsweise die Landtage gaben schon zu Protokoll, keine Gebührenerhöhung abzunicken: Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg, Niedersachsen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. Was auch daran liegt, dass in Bayern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen in diesem und nächsten Jahr Wahlen anstehen. Die Politiker sehen, dass sich noch mehr Geld für die überversorgten Anstalten mit starker politischer Schlagseite beim besten Willen nicht begründen lässt, erst recht nicht in Zeiten von Rezession und Inflation.

Um eine Gebührenerhöhung durchzusetzen, müssten alle 16 Länder zustimmen. Nach einer kürzlich von der Landesregierung Sachsen-Anhalt in Auftrag gegebenen Umfrage lehnen 92 Prozent der Bürger des Landes eine Rundfunkgebührenerhöhung ab. Wie das Ergebnis lauten würde, wenn die Deutschen wie die Schweizer bundesweit über die Gebühren befinden dürften, wissen sowohl Kritiker als auch Verteidiger des öffentlich-rechtlichen Systems.

Deshalb gibt es auch Überlegungen, wie die Anstalten trotz des Widerstands zu mehr Geld kommen. Der frühere Vorsitzende der Kommission zu Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) Heinz Fischer-Heidelberger schlug bei einer Anhörung im bayerischen Landtag vor, einfach das Verfahren zu ändern. „Es braucht dringend eine neue Regelung zum Verfahren, wie der Rundfunkbeitrag in Kraft gesetzt werden kann, wenn nicht alle Länder zustimmen“, meinte er. In Zukunft sollte es ausreichen, wenn die einfache Mehrheit der Bundesländer zustimme. Dass diese Mehrheit nicht für eine Bevölkerungsmehrheit stünde, scheint ihm egal zu sein. Für ihn wie für die Verantwortlichen von ARD und ZDF ist es offenbar undenkbar, dass die Öffentlich-Rechtlichen ohne Gebührenerhöhung auskommen müssen.

Sollte die Absenkungs-Initiative in der Schweiz Erfolg haben, würde der Rechtfertigungsdruck auf ARD und ZDF noch einmal steigen. In Großbritannien sollen die Pflichtgebühren für den BBC (derzeit 159 Pfund pro Jahr) ab 2027 enden. Dänemark senkte die Rundfunkgebühr schon 2018 um 20 Prozent. Würden Politiker in Deutschland trotzdem versuchen, mit der Brechstange eine Gebührenerhöhung durchzudrücken, könnte das möglicherweise einen Gebührenstreik in der Bevölkerung provozieren – eine Abstimmung der anderen Art.

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