Am 2. Juli 2023 trat das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft. Es sieht vor, dass Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern sogenannte Meldestellen einzurichten haben, die ihren Mitarbeitern die Möglichkeit geben sollen, über Missstände im Unternehmen zu berichten. Für Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern gilt dabei eine Schonfrist für die Umsetzung bis zum 17. Dezember 2023.
Die betreffenden Unternehmer, Whistleblower genannt, sollen sowohl namentlich als auch anonym die Möglichkeit haben, sich an die entsprechenden Meldestellen zu wenden. Die Unternehmen sind nicht verpflichtet, spezielle Vorsorge für anonyme Meldungen zu treffen, sollen anonyme Hinweise aber bearbeiten. Zugleich sieht das Gesetz vor, dass beim Bundesministerium für Justiz eine öffentliche Meldestelle eingerichtet wird. In dem Falle, dass das Anliegen betriebsintern behandelt werden kann, sollen sich die Mitarbeiter vorrangig an die betriebsinterne Meldestelle wenden.
Das Ganze ist nicht unbedingt neu, denn es erinnert an das Antidiskriminierungsgesetz und wie jenes ist auch das Hinweisgeberschutzgesetz die Umsetzung einer EU-Richtlinie.
Schon das Antidiskriminierungsgesetz bedeutete einen schweren Eingriff in die Vertragsfreiheit, welche eine der wichtigsten Grundpfeiler unserer freien Wirtschaft ist. Sie drückte Bewerbern und Arbeitnehmern das Messer in die Hand, ihre Arbeitgeber auf Zugang zum Arbeitsplatz oder Schadensersatz zu erpressen.
Wie die meisten Gesetze in dieser überregulierten EU erscheint der Zweck der Regelung vordergründig als moralisch integer und würde sich mancher politisch Verfolgte in diesem Lande freuen, wenn das Gesetz auf ihn Anwendung fände. Die Praxis zeigt jedoch, dass Regierungskritiker auf den Schutz des Antidiskriminierungsgesetzes nicht bauen können, wohl aber diejenige Klientel, welche von der EU und unserer Regierung als Brechstange zur Zerstörung unserer Wirtschaft und Zersplitterung unserer Gesellschaft verwendet werden. Der gleiche Effekt wird sicherlich auch durch das neue Hinweisgeberschutzgesetz erzielt.
Besonders alarmierend ist, dass die Beweislastumkehr so weit geht, dass wenn ein Arbeitnehmer bei einer anstehenden Beförderung nicht berücksichtigt oder er entlassen wird, oder einen anderen Nachteil erfährt, der Arbeitgeber beweisen muss, dass dieser Nachteil nicht auf der vorherigen Meldung durch den Arbeitnehmer beruht. Sonst stellt jede nachteilige Änderung des Arbeitsvertrages eine strafbewehrte Repressalie dar. Das bedeutet, dass ein Arbeitnehmer nur eine Meldung erstatten muss, die er nicht einmal zu beweisen hat, um es dem Arbeitgeber nahezu unmöglich zu machen, den Status des Arbeitnehmers zu verschlechtern. Das öffnet dem Missbrauch Tür und Tor.
Die Unternehmer fühlen sich womöglich an den Dichter unserer Nationalhymne Heinrich Hoffmann von Fallersleben erinnert, der einst schrieb: „Der größte Schuft im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant!“.
Ganz so einfach ist die Sache freilich nicht. Tatsächlich sollte es im Interesse eines Unternehmers liegen, über Missstände in seinem Unternehmen Bescheid zu wissen. Insofern zeugt es von der Weisheit des Unternehmers, selbst dafür zu sorgen, dass seine Mitarbeiter freien Zugang zu ihm haben. Wenn die Regierung meint, dies per Gesetz durchsetzen zu müssen, so sind entweder die deutschen Unternehmer nicht weise, oder es geht der Regierung um ganz andere Dinge.
Dass unsere Regierung den wohlfeilen Zweck dieses Gesetzes unmöglich ernst meint, lässt sich leicht daran erkennen, wie sie selbst mit Whistleblowern umgeht. Weder ist unsere Regierung bereit, Edward Snowden Asyl zu gewähren, noch hat sie sich wohlwollend gegenüber Stephan Kohn gezeigt, der 2020 Fake News des Bundesinnenministeriums zu Corona aufdeckte. Wahre Whistleblower gelten in diesem Lande ebenso wie beim großen Bruder als Verbrecher.
Es bleibt also weiterhin bei der alten Weisheit, dass, wer die Wahrheit spricht, ein schnelles Pferd benötigt, trotz oder vielleicht gerade wegen des Hinweisgeberschutzgesetzes.
Christian Moser ist Rechtsanwalt und Steuerberater.