Tichys Einblick
Digital Services Act:

EU-Zensurgesetz tritt in Kraft: Ab Freitag bestimmt Brüssel, was Sie zu sehen bekommen

Der Digital Services Act der EU, das gefürchtete Zensurgesetz, tritt in Kraft und verleiht damit zukünftig staatlichen und überstaatlichen Organen offiziellen Zugriff auf die Diskurshoheit im Internet Europas. Es ist nur ein Schritt von vielen in Richtung internetbasierter Dystopie.

IMAGO / Hans Lucas

Am Freitag, dem 25. August, ist es soweit: Das neue Zensurgesetz der EU, der Digital Services Act (DSA), verdeutscht „Gesetz für digitale Dienste“, tritt in Kraft und zieht damit die Daumenschrauben der Diskurseinschränkung noch einmal kräftig an. So einschneidend die Änderungen aber auch erscheinen, sie sind nur ein Etappenziel auf dem Weg zur totalen Kontrolle des öffentlichen Raumes.

Zur Erinnerung: Der DSA ist ein typisch trojanisches Pferd aus Brüssel, mit dem den Nutzern im Internet größere Transparenz über personalisierte Werbung versprochen wird, das sich aber vor allem durch seine Regulierung von „Hass“ und „Desinformation“ sowie die dezidierte Einführung staatlicher und überstaatlicher Kontrollorgane auszeichnet. Wo bislang unterschwellige Abhängigkeiten zwischen Unternehmen und Regierungen dafür sorgten, dass Facebook & Co. mehr oder weniger das machten, was Regierungen und ihre Partner sich von ihnen in Sachen Zensur wünschten, werden diese Strukturen nun mit dem DSA in Stein gemeißelt. Nicht nur müssen alle EU-Mitgliedsländer eigene Behörden dazu abstellen, sich der nationalen Diskursregulierung zu widmen, die allergrößten sozialen Netzwerke und Suchmaschinen mit mehr als 45 Millionen europäischen Nutzern – also alle Giganten à la Facebook, Google & Co. – unterstehen dabei direkt der EU-Kommission und ihren Zensoren.

Unternehmen, die „Hassrede“ und „Desinformation“ nicht zufriedenstellend bekämpfen, müssen dabei mit Strafzahlungen von bis zu 6 Prozent des Jahresumsatzes rechnen. Anhand des Beispiels von Facebook zeigt sich, wie empfindlich diese Strafe ist. 2022 generierte Mark Zuckerbergs Plattform einen Umsatz von 116,6 Milliarden Dollar, 6 Prozent wären also knapp 7 Milliarden Dollar. Doch der Jahresgewinn von Facebook betrug „lediglich“ 23 Milliarden Dollar, 7 Milliarden würden also fast ein Drittel des Gewinns kosten. Eine sicherlich vereinfachte Rechnung, die aber dennoch zeigt, wie groß der Druck auf die Unternehmen ist.

EU-Kommissare tun, was sie am besten können: Drohen im Stil eines Mafiaschlägers

Dem musste sich letztlich selbst Elon Musks X beugen, wobei der selbsterklärte „Absolutist der freien Rede“ Musk es sich zumindest nicht nehmen ließ, zukünftig alle Zensuranfragen der EU auf X zu veröffentlichen und damit transparent zu machen, welche Beiträge von diesen Maßnahmen betroffen sind. Freunde machte sich Musk in Brüssel bereits zuvor nicht, als X (damals noch Twitter) im Mai das „freiwillige“ EU-Abkommen zur Verbreitung von Falschinformationen verließ und damit den Zorn des EU-Binnenmarktkommissars Thierry Breton auf sich zog, der damals drohte: „Aber Verpflichtungen bleiben. Du kannst weglaufen, aber Du kannst Dich nicht verstecken“. Bei solchen Worten weiß sich Europas Otto Normaldemokrat doch in besten Händen, zumal Breton seiner Freude über die Einführung des DSA mit der Ankündigung „unsere Teams werden zur Durchsetzung bereit sein“ Nachdruck verlieh.

Mangelnde Kooperation kann man X dennoch nicht vorwerfen. Als erste große Social-Media-Plattform unterzog sich X einem sogenannten „Stresstest“ zur Prüfung der Eignung. Thierry Breton verkündete die Bereitschaft zur Kooperation am 23. Juni. Ob die temporären Einschränkungen der Reichweite auf Twitter wenige Tage später im Rahmen der französischen Unruhen damit in Verbindung stehen, bleibt zwar Spekulation, es liegt aber nahe, dass genau solche Formen der Unterdrückung von Nachrichten im Geiste des DSA und seiner verantwortlichen EU-Kommissare sind. Immerhin sickerte bereits durch, dass Plattformen wie Snapchat und TikTok im Rahmen der Unruhen tatsächlich Inhalte zensierten. Man fragt sich manchmal, was eigentlich notwendig wäre, damit Brüsseler Bürokraten einmal mehr Redefreiheit einfordern würden.

Worauf man aber aufgrund der Enthüllungen der Facebook-Files wohl wetten kann, ist die Formalisierung eines ähnlichen „Whitelist/Greylist/Blacklist“ (weiße Liste/graue Liste/schwarze Liste) Systems, mit dem Facebook bereits seit Jahren auf Zuruf des Weißen Hauses offizielle Medienhäuser nach ihrer Regierungstreue einstuft und damit entweder fördert – oder zensiert.

Dabei deuten alle vorliegenden Informationen darauf hin, dass solch ein System bereits längst praktiziert wird, der DSA ist somit weniger Neuigkeit als Bestätigung. Doch mit dieser Bestätigung geht eben auch die Grenzverschiebung einher. Was bisher hinter vorgehaltener Hand passierte, wird nun zur offiziellen Doktrin. Damit wird der Zensurprozess aber nicht transparenter (außer man kommuniziert es so, wie Elon Musk es vor hat), sondern verschiebt sich die Heimlichkeit einfach ins nächste Zimmer. Die Drosselung von Inhalten wird zur Norm, die Unterdrückung jenes unregulierten Informationsflusses, der als eine der positiven Entwicklungen des Internets im Zeitalter sozialer Medien angesehen werden kann, wird zum eigentlichen Ziel.

Wenn also zukünftig Ausschreitungen irgendwo stattfinden, dann entscheiden Kontrollorgane der EU darüber, was Sie davon sehen dürfen und was nicht. Um das Potenzial für politischen Missbrauch dieses Mittels zu erkennen, bedarf es keiner allzu großen Phantasie.

Mehr denn je gilt: Nur wer selbst sucht, wird auch finden

So weitreichend dieses Mittel erscheint, so ist es dennoch nur ein Baustein in dem zu erbauenden Komplex der Zensur. Wie ein Trommelfeuer prasseln neue EU-Regelungen, die zu diesem Gebäude beitragen, auf die Bürger ein – oftmals ohne eine vorangehende öffentliche Debatte und praktisch nie demokratisch legitimiert. Während zum Beispiel das Medienfreiheitsgesetz das DSA hinsichtlich der Unterwanderung der Pressefreiheit ergänzt, schaffen andere Initiativen, wie der „European Democracy Action Plan“, der „Digital Markets Act“, aber auch der „Data Act“ und der „Green Deal Industrial Plan for the Net-Zero Age“ das Umfeld, das eine Abkehr von Prinzipien wie freier Meinungsäußerung, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und freien Märkten hin zu Zensur, grünem Totalitarismus und staatlicher Planwirtschaft ermöglicht. Hinzu kommen nationale Gesetzgebungen, wie zum Beispiel das geplante Hassredegesetz Irlands, das durch die Ansässigkeit aller Tech-Riesen auf der grünen Insel dazu führt, dass ein nationales Gesetz auch ohne europäisches Mandat dennoch europaweite Auswirkungen hat.

Angesichts der Tatsache, dass den dafür verantwortlichen EU-Bürokraten meist jegliche demokratische Legitimierung fehlt, wird dieser Prozess durch die anstehenden EU-Wahlen wohl auch nicht so einfach zu ändern sein. Ein Anfang sind sie dennoch, auch wenn es aufgrund der immanenten Trägheit des Apparats wohl Jahre dauern würde, bis eine etwaige Kehrtwende spürbar wäre. In der Zwischenzeit muss man davon ausgehen, dass sich dieser Prozess der Zensur und Meinungskontrolle noch verschärfen wird.

Spätestens ab Freitag sollten es sich TE-Leser allerdings angewöhnen, nicht länger auf Algorithmen zur Verbreitung von Nachrichten zu vertrauen, sondern stattdessen proaktiv Quellen wie TE selbst aufsuchen, da sie nur so sichergehen können, dass Brüssel nicht womöglich einen Artikel vor ihnen versteckt. Der Einführung des DSA kann man kurzfristig nur mit einem noch bewussteren und selbstbestimmteren Umgang mit dem Internet begegnen.

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