Der „Global Wealth Report“ 2023, mit dem Credit Suisse regelmäßig die weltweite Vermögensverteilung misst, meldet für das vergangene Jahr zwei große Trends: Zum einen wuchs die globale Ungleichheit weniger stark als bisher – das aber vor allem deshalb, weil 2022 der Rückgang an den Aktienmärkten den nominalen Reichtum vor allem in den Industrieländern insgesamt leicht schrumpfen ließ. Gleichzeitig wächst weltweit insgesamt die Mittelschicht weiter, vor allem durch den Aufstieg der asiatischen Länder. Diese Entwicklung hält schon seit über zwei Jahrzehnten an: Seit dem Jahr 2000 stieg global der Anteil von Menschen, die ein Pro-Kopf-Nettovermögen zwischen 10.000 und 100.000 Dollar besitzen, von 13,4 auf 34,4 Prozent.
Für Deutschland weist der Report 2023 allerdings sehr bescheidene Zahlen aus, die dem von Politikern und Medien gern bemühten Mythos von dem „reichen Land“ klar widersprechen. Interessant sind die Zahlen zum Durchschnitts- und Medianvermögen der einzelnen Staaten vor allem deshalb, weil sie in früheren Vermögensberichten nicht so detailliert erhoben wurden. Nach dem Ranking des „Global Wealth Report“ gehört Deutschland weder nach dem Durchschnitts- noch nach dem Medianvermögen pro Kopf zu den zehn führenden Ländern weltweit. Das Medianvermögen bezeichnet die Grenze, die die untere Hälfte der Vermögensbesitzer von der oberen teilt. Ein Medianwert sagt deshalb mehr über die Verteilung aus als die reine Durchschnittszahl. Nach den Daten von Credit Suisse belegte Deutschland 2022 beim Durchschnittsvermögen im weltweiten Vergleich Platz 16, beim Medianvermögen Rang 27.
Vor allem der Vergleich unter den Industrieländern zeigt die Unterschiede auf beiden Feldern. Beim Durchschnittsvermögen führt die Schweiz mit einem durchschnittlichen Nettovermögen von 685.230 Dollar pro Kopf, es folgen die USA mit 551.350 Dollar. Das EU-Land mit dem höchsten Durchschnittsvermögen – Dänemark mit 409.950 Dollar – liegt auf Rang fünf. Deutschland weist dagegen ein Durchschnittsvermögen auf, das mit 256.180 Dollar nur etwas mehr als halb so hoch ausfällt. Vor allem wegen drei Faktoren landet die Bundesrepublik in dem Vergleich relativ weit hinten: Erstens gibt es hier wegen der niedrigsten EU-Wohneigentumsquote von 51 Prozent wenige Immobilien in der Hand einzelner Bürger. Zweitens verfügen die Deutschen immer noch über deutlich weniger Aktien als Anleger in den meisten anderen Industrieländern. Auf lange Sicht sorgen Wertpapiere für einen guten Vermögenszuwachs. Und drittens fällt es gerade sehr vielen jüngeren Bürgern in Deutschland wegen der hohen Steuer- und Abgabenbelastung schwer, überhaupt Vermögen aufzubauen – zumal die Immobilienpreise es Normalverdienern in den Ballungszentren kaum noch erlauben, ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung zu erwerben.
Noch deutlicher fallen die Differenzen beim Medianvermögen aus. Hier führt Belgien international mit 249.940 Dollar pro Kopf. Die Hälfte der Erwachsenen besitzen also mehr, die andere Hälfte weniger als diese Summe. Beim Medianvermögen erreicht die Schweiz mit 167.350 Dollar pro Person Rang 6, und zählt damit zu den Staaten, die einen hohen Vermögensdurchschnitt mit einer relativ breiten Wohlstandsverteilung kombinieren. Dazu trägt die bei den Eidgenossen obligatorische zweite, kapitalgedeckte Säule der Altersvorsorge bei. Auch Frankreich (Platz 10) weist mit einem Medianvermögen von 133.630 Dollar pro Kopf ein Wohlstandsniveau auf, das bei gut dem Doppelten von Deutschland liegt. In der Bundesrepublik belief sich das Medianvermögen 2022 gerade auf 66.735 Dollar.
Die Zahlen stehen im starken Kontrast zu den Plänen von Grünen- und SPD-Politikern, die nach einer Vermögensabgabe rufen, und diese Forderung mit dem angeblich hohen Reichtum in Deutschland begründen. In der letzten Zeit forderten sowohl Katrin Göring-Eckardt als auch SPD-Chefin Saskia Esken eine „Sonderabgabe“ – obwohl Bund, Länder und Gemeinden für 2023 Rekordsteuereinnahmen erwarten.