Tichys Einblick
Scholz: Daran hapert es

Die Offensive hat begonnen, nur die Abschiebungen lahmen

Wenn das der Kanzler wüsste: Die Abschiebungsoffensive seiner Innenministerin – sicher nur im Verein mit den Ländern umsetzbar – lahmt. Scholz weiß auch das und bleibt auch hier vollkommen untätig, während die Anzahl illegaler Zuwanderungen explodiert, immer mehr Kommunen überfordert und Sicherheitsexperten alarmiert.

IMAGO / Chris Emil Janßen

Die deutsche Abschiebungsoffensive hat anscheinend begonnen. Doch die Ergebnisse bleiben sehr dürftig bis äußerst mager. Man könnte auch mit Olaf Scholz sagen, „daran hapert es“. Gerade einmal 7.861 Personen wurden im ersten Halbjahr abgeschoben, wie das Innenministerium nun in Antwort auf eine Kleine Anfrage zugeben musste. Das waren nur etwas mehr (nämlich knapp 27 Prozent) als im letzten Jahr. Aufs Jahr gerechnet, erreicht man damit noch nicht einmal den Stand von 2018, als es immerhin mehr als 23.000 Abschiebungen in einem Jahr gab. Das war Teil jener Bemühung, für die Innenminister Horst Seehofer (CSU) damals von vielen Medien gescholten wurde. Es hapert. Man müsste eigentlich und vor allem sagen: Diese Regierung hapert, und nicht nur ein bisschen.

Die Mehrheit der Abgeschobenen in diesem ersten Halbjahr waren Männer, nämlich 4.822 Personen. Daneben gab es 1.664 Frauen und 1.375 Minderjährige darunter, die ebenfalls ihr Aufenthaltsrecht verloren hatten, weil ihr Asylantrag abgelehnt wurde oder ihr Visum oder Aufenthaltstitel abgelaufen ist. Zwei von drei Abschiebungen in Deutschland scheitern noch immer in der letzten Minute, etwa weil die Betroffenen Widerstand leisten. Manchmal wollen aber auch die Piloten oder Fluggesellschaften nicht fliegen. Manchmal verweigert sich sogar die Bundespolizei der Übernahme. Es knirscht hier und da im Gewerk, aber jeder Verwaltungsapparat müsste mit Ähnlichem leben und klarkommen, es überwinden.

So recht in Schwung kommen können die Rückführungen unrechtmäßiger Antragsteller aber erst, wenn endlich Hindernisse in der deutschen Diplomatie überwunden werden. Aber dazu muss natürlich auch Chefdiplomatin Annalena wollen, und das ist eher nicht zu erhoffen. Unter den Abschiebeländern dominieren folglich die nahen Ziele: Georgien, Nordmazedonien, Albanien, Moldau und Serbien. Die hauptsächlichen „Fluchtländer“ Syrien, Afghanistan oder der Irak sind dagegen weiter mit Abschiebestopps belegt und sollen das auch bleiben, wenn es nach dieser Regierung geht.

Am 30. Juni 2023 verbleiben fast 280.000 ausreisepflichtige Personen in Deutschland, obwohl es vielleicht viel mehr sein könnten, wenn die Bundesregierung die Sicherheitslage rund um die Welt nicht mit einer derart verzerrt Optik wahrnähme. Von den knapp 280.000 sind aber wiederum nur gut 55.000 abgelehnte Asylbewerber „vollziehbar ausreisepflichtig“. Der überwiegende Rest (224.768 Abgelehnte) hat eine Duldung und kann inzwischen vom „Chancen-Aufenthaltsrecht“ der Ampel profitieren, das heißt, trotz abgelehntem Asylbescheid ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland bekommen.

Einer geht, zehn kommen nach

Afghanen, Syrer und Iraker geraten allerdings gar nicht in diese Lage. Ihre Länder gelten als hochgradig unsicher, obwohl die „Flüchtlinge“ selbst in ihnen Urlaub machen, teils ihre Eltern dort zurücklassen. Die Migration aus diesen Ländern nach Europa entspringt also nicht der politischen Verfolgung oder der Gefahr durch Kriege, sondern dem Wunsch nach wirtschaftlich-pekuniärer Verbesserung. Nichts Neues für Aufmerksame, nur der größere Teil der deutschen Politik ignoriert dieses Faktum.

Zu den Abschiebungen kommen hinzu:

• 4.892 freiwillige Ausreisen nach Erhalt von Fördergeldern des Bundes,
• 2.309 freiwillige Ausreisen nach Fördergeldern der Länder und Kommunen,
• 2.186 Zurückweisungen an der Grenze (das geht nur an der bayrisch-österreichischen Grenze).

Alles in allem wurde das deutsche Asylsystem so in einem halben Jahr von gerade einmal 17.230 Antragstellern entlastet – während gleichzeitig 150.000 neue Anträge gestellt wurden. Man sieht, dass die Mengenverhältnisse nirgendwo auch nur annähernd aufgehen. Wo ein unzulässiger Asylbewerber zurückgewiesen oder abgeschoben wird, kommen zehn neue ins Land. All das kann also, wenn überhaupt, nur ein kleiner, zaghafter Anfang sein. Als unzulässig müssen aber 50 bis 99 Prozent der Antragsteller gelten, denn so hoch ist die echte Ablehnungsquote bei Flüchtlingsschutz und politischem Asyl. Von einem Triumph auf diesem Feld des rechtstreuen Umgangs mit illegaler Migration ist die deutsche Politik derzeit genauso weit entfernt wie in den letzten acht Jahren.

Nun hat übrigens auch der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Joachim Stamp (FDP), vor überzogenen Erwartungen an sich und etwaige Migrationsabkommen gewarnt. Wie ebenso sein Amt wie auch der Begriff des Abkommens besagt, geht es dabei gar nicht um mehr Abschiebungen, sondern um mehr Migration. Zu dumm, man hatte ihn ja präsentiert, als aufzufallen begann, dass die Ampel die von ihr versprochene Abschiebungsoffensive nicht hinbekam. So vergehen alle politischen Ambitionen dieses heillosen Haufens im Reisestaub ihrer „Beauftragten“ und Minister. In Nordrhein-Westfalen, auch Stamps Heimatland, will die schwarz-grüne Koalition derweil chancenlose Asylbewerber vermehrt an Städte und Gemeinden weiterleiten. Auch das ist eine Art mit dem Scheitern der Abschiebungen umzugehen.

Anzeige
Die mobile Version verlassen