Tichys Einblick
Gewerbesteuer auf Rekord-Niveau

Die Gemeinden schröpfen ihre Unternehmen so stark wie noch nie

Die Gemeinden nehmen ihren Unternehmen so viel Geld ab wie noch nie. Für die meisten Medien ist das ein Grund zu feiern. TE sieht das anders und weist auf die massive Belastung der Unternehmen hin.

IMAGO / McPHOTO

Die Sprache bestimmt das Denken. Wenn es um Steuern geht, zeigen Formulierungen gut auf, was in Deutschland nicht funktioniert: „Gewerbesteuereinnahmen 2022 auf neuem Höchststand“, meldet das Statistische Bundesamt. „Gemeinden erzielen Rekord-Einnahmen“, übernimmt die Welt das Wording. „Erneut Rekord-Einnahmen aus der Gewerbesteuer in Deutschland“, titelt Boerse.de. Rekord. Erfolg. Sekt und Siegerehrung. Denn das Geld fließt so stark wie noch nie. Eine erfreuliche Meldung am Montagmorgen – möchte man meinen.

Doch ist dem so? „Die Gemeinden schröpfen ihre Unternehmen so stark wie noch nie“, beschreibt genau den gleichen Vorgang – zeigt nur eine andere Sicht auf. Wer hat nun recht? Die Welt und Boerse.de, die sich mit dem Staat über dessen Einnahmen freuen? Oder doch TE, der auf die Belastung der Wirtschaft hinweist? Das Bruttoinlandprodukt ist trotz Rekord-Einwanderung zweimal in Folge zurückgegangen, nun stagniert es. Die Wirtschaft hat im vergangenen Jahr 130 Milliarden Dollar Kapital aus Deutschland abgezogen und die Arbeitslosigkeit steigt trotz Arbeitskräftemangels – ebenso wie die Zahl der erwerbsfähigen Empfänger von Bürgergeld.

Wir bleiben daher bei unserer Überschrift: „Die Gemeinden schröpfen ihre Unternehmen so stark wie noch nie.“ 70,2 Milliarden Euro musste die Wirtschaft im vergangenen Jahr allein über die Gewerbesteuer an den Staat abgeben. Zum Vergleich: 2009, als Deutschland zum letzten Mal in einer schweren wirtschaftlichen Krise steckte, waren es 32,5 Milliarden Euro. Also nicht mal die Hälfte.

70,2 Milliarden Euro Gewerbesteuer in einem Jahr. Das sind 9,1 Milliarden Euro mehr als 2021. Oder 14,9 Prozent mehr. Soll noch einer behaupten, in Deutschland gäbe es gar kein Wachstum mehr. „Damit wurde auch in 2022 ein neuer Rekord bei den Gewerbesteuereinnahmen erreicht“, freut sich das Statistische Bundesamt. Dass dieses Geld nun in der Wirtschaft fehlt? Kein Wort. Der Öffentliche Dienst ist im gleichen Jahr um rund 120.000 Stellen gewachsen – und zum Öffentlichen Dienst gehört auch das Statistische Bundesamt.

Die Gemeinden in Sachsen-Anhalt nahmen ihren Unternehmen im vergangenen Jahr 34,8 Prozent mehr ab als 2021. In Rheinland-Pfalz waren es 26,7 Prozent und in Hamburg 23,6 Prozent. In Brandenburg gab es ein Minus von 3,8 Prozent. Die Unternehmen müssen mit der steigenden Inflation zurechtkommen, höhere Preise für Löhne, Strom und andere Kosten bezahlen. Die Gemeinden haben das Problem nicht. Mit der Inflation steigen auch die Steuereinnahmen. Ein Grund sich zu freuen? „Rekord-Einnahmen“ und so weiter. Oder doch eher ein Anlass, nachzudenken über Unternehmen, die ihr Geschäft demnächst gar nicht mehr oder woanders betreiben.

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