Der Wohnungsbau bricht dramatisch ein. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Dienstag meldete, ging im ersten Halbjahr 2023 die Zahl der neu genehmigten Wohnungsbauten um 27,2 Prozent zurück, im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022. Es sind gut 50.600 Wohnungen, die weniger errichtet werden. In der Statistik sind sowohl Neubauten enthalten als auch neue Wohnungen, die in bestehenden Gebäuden eingerichtet werden.
Neubauten besonders betroffen
Besonders betroffen ist der Bau neuer Wohngebäude. Hier beträgt der Rückgang sogar 30,8 Prozent. Der Bau von Zweifamilienhäusern hat sich mehr als halbiert, auch Einfamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser sind betroffen. Insgesamt wurde damit der Bau 111.500 neuer Wohnungen in neuen Gebäuden genehmigt.
Bundesweit sollen 700.000 Wohnungen fehlen, doch in den Großstädten ist die Lage noch dramatischer. Die dem DGB nahestehende Hans-Boeckler-Stifftung meldet, in den deutschen Großstädten würden zwei Millionen „bezahlbare Wohnungen“ fehlen.
Bevölkerungswachstum
Obwohl die Bevölkerung in Deutschland altert, wächst die Bevölkerung durch Immigration seit Jahren wieder an. Im ersten Quartal 2023 wuchs die Bevölkerung in Deutschland um 74.000 Personen. Auch im zweiten Quartal kann ein ähnliches Bevölkerungswachstum erwartet werden. Die Fluchtbewegung aus der Ukraine schlug vor allem Anfang 2022 zu Buche. So oder so: Circa die Hälfte aller neugenehmigten Wohnungen wird also gebraucht, um das Bevölkerungswachstum auszugleichen, denn die durchschnittliche Haushaltsgröße beträgt mittlerweile zwei Personen.
Finanzierung, Kosten und Regulierung
Destatis macht vor allem die nach wie vor stark gestiegenen Baukosten und die schlechte Finanzierungslage für den Baurückgang verantwortlich. Die EZB hat den Leitzins mittlerweile auf 4,25 Prozent angehoben. Die Zinsen auf Baukredite folgen. Jahre, in denen Kredite quasi zu Nullzinsen angeboten wurden, sind vorbei. Das bringt nicht nur private Bauherren in Schwierigkeiten.
Auch dass Baumaterial wegen Lieferengpässen und massiver Nachfrage in China und den USA knapp und teuer ist, ist ein massives Problem. Doch das sind externe Effekte, über die die Regierung wenig Macht hat. Die Situation wird verschärft, durch massive regulatorische Eingriffe.
Mehr als 20.000 Vorschriften regeln, wie was gebaut werden kann. 500 DIN-Normen sind dabei. Dazu kommen immer mehr Gesetze, die den Bau regeln: Schallschutz, Energieeffizienz, Dämmung. Und Behörden, die besonders mit Großprojekten oft heillos überfordert sind. Gekrönt wird die Situation damit, dass es einen eklatanten Mangel an Bauland gibt. Das treibt die Preise nach oben und bedeutet, dass für den Bau selber weniger Geld zur Verfügung steht.
Keine Lösung in Sicht
Eine Lösung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, die Politik will den Bauherren nur immer mehr Steine in den Weg legen. Immer mehr Gemeinden wollen Einfamilienhäuser gar nicht mehr genehmigen, vorgeblich um der Flächenversiegelung zu begegnen. Das mag einleuchtend klingen, aber eine Familie kann und will kein Mehrfamilienhaus bauen: Das wird ihre Ressourcen einfach übersteigen. Also wird weniger gebaut. Und wer noch baut, ist Großunternehmer. Die Regulierungen stiegen nur immer weiter. Effizienzvorgaben für Hausbau machen den Bau schon jetzt komplex. Ab 2030 sollen nur noch Nullemissionshäuser gebaut werden dürfen – auf Grundlage von EU-Regelungen.
„Serielles Bauen“?
Bauministerin Klara Geywitz (SPD) will die Situation mit „seriellem Bauen“ erleichtern. Damit ist gemeint, dass Häuser nach Standardbauplan mit fabrikgefertigten, modularen Teilen zusammengesteckt werden. Sie spricht gerne von Fertighäusern, aber im großen Stil gedacht hat dieses Verfahren einen anderen Namen: Plattenbau.
Über die Probleme, der sich Bauherren und -wirtschaft ausgesetzt sehen – und wie man ihnen begegnen kann – unterhält sich Roland Tichy mit Gästen und Zuschauern am 9. September auf der „Bauen Kaufen Wohnen“-Messe in Dresden. Auf dem Podium diskutieren:
- Silke Schröder, selbstständige Immobilien-Managerin
- Christian Rietschel, Vorsitzender Haus & Grund Dresden
- Dr. Fritz Söllner, Professor der Volkswirtschaftslehre TU Ilmenau
- Gunter Weißgerber (Mitglied des Bundestages, a.D.)
Tickets für die Diskussion sind hier erhältlich.