Im Columbiabad in Berlin Neukölln kam es zu einem Angriff auf einen Wachmann. Er hatte zwei Frauen angesprochen, die das Bad verlassen wollten. Sie wollten das Bad nicht durch den kameraüberwachten Ausgang verlassen. Es kam zu einem Streit. Wenig später fuhren mehrere Autos vor, zwei Männer stiegen aus. Der eine hielt den Wachmann fest, der andere prügelte auf ihn ein.
Ebenfalls in Neukölln versuchten am Montagabend 100 Menschen die Festnahme eines Mannes zu verhindern. Eine 21-jährige Frau hatte die Polizei verständigt und angegeben, er hätte sie sexuell beleidigt. Die Polizisten wollten den Mann befragen und forderten ihn auf, stehenzubleiben. Als er weitergehen wollte, hielt ein Polizist ihn fest, der Mann wehrte sich, die Polizisten brachten ihn zu Boden. Eine Menschenmenge bildete sich, die die Polizisten bedrängte. Auch gab es Versuche, den 25-Jährigen zu befreien.
In Chemnitz wurde ein Mann im Stadtpark angegriffen. Eine Gruppe von vier maskierten Personen griffen ihn an und schlugen mit einer Machete drei Finger der linken Hand ab. Die Finger werden noch von der Polizei gesucht. Über den Hintergrund oder die Täter ist noch nichts bekannt. Die Bild berichtet, bei dem Opfer handle es sich um einen stadtbekannten Neonazi; der Verdacht, dass es sich um politische Gewalt von Linksextremen oder um Gewalt innerhalb der Szene handeln könnte, liegt aber nahe.
Vorherige Woche kam es zu einer Massenschlägerei in Erfurt, als Passanten eine Gruppe zur Rede stellte, die rechtsradikale Parolen wie „Sieg Heil“ skandierte. Eine 31-Jährige, die die Situation beruhigen wollte, wurde schwer verletzt, als ihr die Neonazis auf den Kopf eintraten. Eine zweite Frau (23) wurde bis zur Atemnot gewürgt, zwei weitere Personen, darunter eine 51-Jährige mit Pfefferspray verletzt.
In der Nacht zu Sonntag belästigte eine Gruppe zwei Frauen auf dem Bahnsteig des S-Bahnhofs Frankfurter Allee in Berlin-Friedrichshain. Als zwei Männer Zivilcourage zeigten, wurden sie angegriffen, berichtet die B.Z. Berlin.
Gewalt nimmt zu
Es sind disparate Fälle, die aber eines gemeinsam haben: Es sind Ausbrüche von Gruppengewalt. Es ist kein einzelner Betrunkener, der eine Frau anpöbelt; es sind keine Kneipenschlägereien, die in einem Moment entstehen. Stattdessen sind es Fälle, in denen Gruppen – teils gebildet mit dem Ziel, Gewalt auszuüben – in Gewalt ausbrechen.
Die Gewalt insgesamt nimmt zu: 2022 verzeichnete die Polizeiliche Kriminalstatistik einen Anstieg von fast 20 Prozent. Auch die politische Kriminalität – nicht alles Gewalt – nahm im Vergleich zu 2021 um vier Prozent zu. Schon seit Jahren steigt die Zahl der Massenschlägereien zwischen Vertretern unterschiedlicher Ethnien an. Im Juni bekämpften sich zwei Großfamilien in Essen; es war auch ein Konflikt der alteingesessenen libanesischen Clans gegen syrische. Ein Imam vermittelte einen Frieden, die Polizei war überfordert. Oder politische Konflikte der Heimat werden in Deutschland ausgetragen.
Im Juli kam es zu einem Gewaltausbruch im Rahmen des Gießener Eritrea-Festivals. Befeuert von Lokalpolitikern der Grünen wollte eine Miliz, die in ganz Europa solche Festivals angreift, die Feierlichkeiten verhindern. Das Eritrea-Festival sei Regiment, so die Begründung. Die Konfliktlinie ist auch hier oft ethnisch bedingt: ethnische Eritreer gegen Tigray, die im Land die Unabhängigkeit anstreben.
Insgesamt drängt sich der Eindruck auf: Die Gesellschaft zerfällt. Sie zerfällt in Gruppen, die einander mit Gewalt begegnen. Ein Prozess, der an den politischen und sozialen Rändern anfängt – doch schnell kann er Strahlkraft bis in die Mehrheitsgesellschaft hinein entwickeln. Das Ergebnis ist eine Gesellschaft, die einander in bewaffneter Feindseligkeit gegenüber steht.