Tichys Einblick
Lost in ARD – Der verlorene Montagabend

Hart aber Fair nach der Sommerpause: Das Elend geht weiter

Willst Du Dir den Tag versauen, dann musst Du „Hart aber Fair“ am Montagabend mit Louis Klamroth in der ARD schauen. Das ist kein Reim, sagen Sie? Kein gescheites Versmaß? Großer Mist? Ja, selbstverständlich! Wir passen unseren Jambus eben dem Nimbus der Sendung an. Reine Notwehr. Von Michael Plog

Screenprint ARD / Hart aber Fair

Ich schreibe ungern in der Ich-Form. Aber mein Leiden ist immens. Ich musste mitten in der Nacht – nach einem elend überlangen Fußballabend – eine eigentlich längst vorab gemütlich aufgezeichnete Sendung ansehen. Damit Sie jetzt ganz entspannt überfliegen können, was Sie (nicht) verpasst haben. Ich beneide Sie darum. Nur das überbordende Zeilenhonorar, das Tichys Einblick in der schönen Tradition internationaler Zentralbanken unter permanenter Neuverschuldung an mich ausschüttet, kann mein Leiden etwas dämpfen. Es gilt übrigens auch für angefangene und sehr kurze Zeilen.

Das finde ich gut.

Sehr gut.

Hoch lebe Tichys Einblick!

Hoch!

Also kommen wir zur schlechten Nachricht: Die Sommerpause der Talkshows ist vorbei. Es gibt wieder Hart aber Fair. Und? Hat sich das Warten gelohnt? Selbstverständlich nicht. Sie können an dieser Stelle aufhören zu lesen. Sie Glücklicher:in:nen:öse!

Es ist alles so geblieben, wie es immer war: Herunterbeten von Regierungsnarrativen. Probleme ausblenden und nichtige Nebenaspekte zum Thema hochjazzen. Die alte Leier. Der Meinungskorridor wird von vornherein aufs Engste abgesteckt. Proudly presented by you, the Zwangsgebührenzahler! Wir werden für unsere eigene Gehirnwäsche zur Kasse gebeten. 18,36 Euro. Monat für Monat, Montag für Montag. Nach der Sommerpause – ach, war die herrlich – werden wir nun wieder mit dem Klamroth-Beutel gepudert. Es ist, man muss es so deutlich sagen, schlichtweg unerträglich.

TE-Interview 09-2023
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Deutschland ist von sicheren Staaten umgeben, aber die Sendung tut so, als sei jede Grenzkontrolle unmenschlich. Dass Deutschland mit seinem üppigen Asylsystem wie ein Magnet für Wirtschaftsflüchtlinge wirkt, wird nicht debattiert. Alle Gäste der Sendung plädieren für unbegrenzte Zuwanderung. Die Leidtragenden sind am Ende diejenigen Flüchtlinge, die wirklich verfolgt werden, wirklich Asyl brauchen und wirklich eine sichere neue Heimat suchen.

Alle plädieren für unbegrenzte Zuwanderung? Nicht alle. Thorsten Frei von der CDU will zumindest europaweite Kontingente. Aber das bedeutet für Deutschland im Endeffekt genauso viele Migranten, wie es jetzt sind, das gibt er unumwunden zu. Und das sind im ersten Halbjahr 2023 bereits 175.000 Asylanträge, also 78 Prozent (!) mehr als im Vorjahr. Dies also ist der klitzekleine, vorab festgezurrte Meinungskorridor. Und selbst der ist den anderen Gästen bereits zu extrem. Allen voran zwei schnappatmigen Damen.

Wiebke Judith etwa, Vertreterin von Pro Asyl, kann wahrscheinlich nichts dafür, dass sie sogar im Ruhezustand ziemlich mitgenommen aussieht. Aber wenn Thorsten Frei spricht, drehen ihre aufgerissenen Augen Pirouetten. Ihr Mund schreit selbst bei geschlossenen Vokalen. Ihre Gegenargumente: ein Wust anekdotischer Einzelbeispiele. Die Dame kann man diskursiv getrost abhaken. Für „Hart aber Fair“ also wie gemacht.

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Dann haben wir noch Cansin Köktürk, Sozialarbeiterin. Hobby: andere unterbrechen. Und zugleich einfordern, dass sie doch bitte aussprechen dürfe. Weil sonst: CIS! Alter weißer Bäh! Inhaltlich? Sehr dürftig. Also für „Hart aber Fair“ ebenfalls eine Idealbesetzung.

Ein Lichtblick für Freunde des Fremdschämens: Lars Castellucci von der SPD. Der Fraktionssprecher für Migration und Integration ist der schlaffsitzende Beweis dafür, dass C(harme) & A(nmut) noch immer kurios geformte Anzüge verkaufen, aber das nur nebenbei. Was er sagt? Wenig. Regierungsnarrative. Eh klar.

„Es kommen Menschen, die jung, stark, kräftig und gesund sind, die tausende Euro für Schlepper bezahlen können“, sagt Thorsten Frei. Ah, da schau her, geht’s jetzt endlich zur Sache? Nein, nicht doch, da sei Louis Klamroth vor. Niemand will wissen, warum offenbar nur junge Männer flüchten. Warum syrische Flüchtlinge, die angeblich vor Verfolgung fliehen, regelmäßig in Syrien Heimaturlaub machen. Warum Flix-Busse in die Ukraine ständig ausgebucht sind, weil die Flüchtlinge nach Empfang des deutschen Bürgergelds wieder zurück in die Heimat fahren. Monat für Monat …

Und die explodierende Zahl von Gewaltdelikten? Tausende Messerangriffe? Gruppenvergewaltigungen? Ein von Migranten zusammengeschlagener AfD-Politiker? Angst in der Bevölkerung? Keine Zeit, wir müssen weiter im Narrativ.

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„Wir können nicht allen Menschen auf der Welt helfen“, wirft Migrationsforscher Ruud Koopmans ein. Und kritisiert, dass es zu viele Wirtschaftsflüchtlinge gäbe, die gar nicht verfolgt würden: „Die Menschen aus Nigeria, das sind keine Flüchtlinge“, sagt er. Selber schuld, Holländer! Ihn trifft nun die ganze Härte der Gutmenschenfront: „Absolut realitätsfremd“, ruft Köktürk, und: „Asyl ist ein Menschenrecht.“ Lars Castellucci (welcher Italiener nennt sein Kind eigentlich Lars? Aber das nur nebenbei) hat auch noch eine griffige Parole im Sakko. Was Koopmans da sagt, sei eine „Abrissbirne für die Menschenrechte“. So schön formuliert, herrje, das gibt sicher ein scholziges Fleißpünktchen. Wenn der Kanzler es nicht vergisst.

Frei versucht es nochmal: „Wenn Menschen durch sechs, sieben sichere Länder gehen, bevor sie zu uns kommen, dann kann man nicht davon sprechen, dass wir Menschenleben retten.“ Eigentlich ein finaler Blattschuss. Aber nicht in dieser Runde. Es folgt eine Streubombe aus Totschlagargumenten: „Das sind Vorschläge rechter Parteien, was sie hier machen“, ätzt Köktürk. Und Lars Castellucci spricht von „Angst und Panikmache. Es ist nicht so, dass wir vor einer neuen Völkerwanderung stehen.“ Hmm, mal überlegen. Jetzt, wo er es sagt …

Apropos sagen: Wenn die C&A-Verkäuferin sagt: „Mensch der Anzug sitzt aber Bombe“, kann es sein, dass sie einfach nur Feierabend haben will. Aber das nur nebenbei.

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