Die vorliegenden Entwürfe zur Neugestaltung der Verträge zwischen der WHO und den Vertragsstaaten, zu denen auch Deutschland zählt, entpuppen sich möglicherweise als Büchse der Pandora.
Was also verbirgt sich hinter den Euphemismen „Stärkung“ und „Reform“ der WHO? Lesen Sie im ersten Teil eine Bestandsaufnahme:
Der Schweizer Rechtsanwalt Philipp Kruse hat die in Verhandlung befindlichen WHO-Vertragswerke analysiert und auf ihre Fallstricke hin abgeklopft.
Antje Maly-Samiralow: Herr Kruse, welche Möglichkeiten der Mitsprache, des Regressanspruchs im Schadensfall oder zum Schutz der grundgesetzlich garantierten Rechte hat Deutschland, wenn die neuverhandelten IGV (Internationalen Gesundheitsvorschriften) in Kraft treten und der Pandemievertrag „CA+“ in deutsches Recht umgesetzt wird?
Philipp Kruse: Nach meinem Kenntnisstand – und ich verfolge die Vertragsänderungen sowie -neuerungen seit Januar 2022 – sind keinerlei Kontrollmechanismen zur Überprüfung von WHO-Entscheidungen oder -Maßnahmen vorgesehen, und die WHO ist gegenüber den Vertragsstaaten auch nicht rechenschaftspflichtig.
Im Antrag, der im Deutschen Bundestag eingebracht wurde, wird an mindestens zwei Stellen auf die Rechenschaftspflicht der WHO verwiesen. Wer irrt?
Das müssten Sie die verfassenden Autoren, die den Antrag federführend aufgesetzt haben, fragen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die neuen Vertragswerke keinen Mechanismus vorsehen, welcher die WHO zwingt, ihre Entscheide und Maßnahmen einer kritischen und zeitnahen Gegenprüfung zu unterziehen. Allerdings ist Deutschland, sowie alle übrigen Vertragsstaaten auch, sehr wohl rechenschaftspflichtig gegenüber der WHO, und das auf vielfältigste Weise.
In Bezug worauf?
Es gibt eine lange List neu geschaffener WHO-Gremien und Organe, die die Einhaltung der Vorschriften und Empfehlungen, die nach den neuverhandelten Vertragswerken ergehen können, überwachen werden.
Welche Gremien werden was überwachen?
Die Umsetzung der verschärften IGV-Regeln sollen von zwei Kommissionen überwacht werden, dem ‚Implementation Committee‘ (neuer Art. 53A IGV) und dem ‚Compliance Committee‘ (neuer Art. 53 bis-quater). Wie schon bisher werden die Staaten über die Fortschritte bei der Umsetzung der neuen Vorschriften auch in Zukunft regelmäßig gegenüber der Weltgesundheitsversammlung Rechenschaft ablegen müssen (Art. 54 Abs. 1 IGV). Am Ende soll die Weltgesundheitsorganisation beurteilen, wie auf Defizite bei der Umsetzung der IGV-Anpassungen zu reagieren ist. Entsprechende Handlungsempfehlungen sollen von einem neu zu schaffenden ‚Special Committee‘ erarbeitet werden (neuer Art. 53 bis Abs. 3 IGV). Damit die ganze Welt den Stand der Umsetzung jederzeit ablesen kann, wird die WHO ein Dashboard einrichten, auf dem die Umsetzungsdefizite fehlbarer Staaten für jedermann sofort erkennbar sind (Art. 54 (neuer) Abs. 4 IGV).
Sind bei der WHO in einem solchen Fall Sanktionsmaßnahmen vorgesehen?
Die Weltgesundheitsversammlung wird die Kompetenz haben, Sanktionen auszusprechen. Eine disziplinierende Wirkung wird meines Erachtens aber auch von den beiden oben genannten WHO-Spezialkommissionen ausgehen, welche jederzeit Informationen zum jeweiligen Umsetzungsstatus proaktiv einfordern dürfen und ihre Beobachtungen der Weltgesundheitsversammlung berichten müssen. Allfällige Sanktionen könnten durchaus auch wirtschaftlicher Natur sein und im Rahmen der G20, der EU oder von der Weltbank initiiert oder umgesetzt werden.
Wann sollen die IGV-Änderungen in Kraft treten?
Es gilt das Prinzip ‚Wer schweigt, stimmt zu.‘ Das heißt: Wenn die Vertragsstaaten nichts unternehmen, sollen die Änderungen 12 Monate nach Annahme durch die Weltgesundheitsversammlung (Mai 2024), also per 1. Juni 2025 in Kraft treten.
Welches sind die aus Ihrer Sicht gravierendsten Änderungen?
Die wichtigste Bestimmung zur Rechtsverbindlichkeit aller WHO-Empfehlungen ist aus meiner Sicht der neue Art. 13A.
In dem die Selbstverpflichtung der Vertragsstaaten festgelegt ist…
… Ja, in Art. 13A verpflichten sich die Vertragsstaaten, im Fall einer von der WHO erklärten Pandemie, die WHO als Leitungs- und Koordinierungsbehörde für internationale Maßnahmen anzuerkennen und – das ist der springende Punkt – sich verpflichten, die Empfehlungen zu befolgen. Im Übrigen gilt das künftig auch für alteingeführte Impfungen wie die Tetanusimpfung, zu der bislang nur geraten wurde.
Heißt das, dass die Tetanus-Impfung künftig verpflichtend werden könnte?
Nicht nur Tetanus. Eine ganze Reihe permanenter Empfehlungen, die bislang nicht verbindlich waren, werden künftig verpflichtenden Charakter annehmen. Hinzu kommt, dass alle künftig von der WHO erlassenen Maßnahmen unverzüglich umgesetzt werden müssen. So ist es in Art. 42 vorgesehen.
Worin bestehen aus juristischer Sicht die größten Gefahren für freiheitlich-demokratische Gesellschaften wie die der Bundesrepublik Deutschland?
Die neuen Vertragswerke sind so konzipiert und ineinander verwoben, dass im Fall einer von der WHO ausgerufenen Pandemie alle, aber auch wirklich alle relevanten Lebensbereiche aus der WHO heraus gesteuert und kontrolliert werden können. Damit wird die Gewaltenteilung ausgehebelt und – wenn Sie so wollen – alle Machtbefugnisse in eine anonyme Behörde ausgelagert, die zudem Immunität genießt und nicht der nationalen, in dem Fall der deutschen Gesetzgebung sowie Gerichtsbarkeit untersteht. Die Zuständigkeiten der WHO umfassen dann auch die Zensur der Medien. Es wird dann keine Informationen mehr geben, welche der offiziellen WHO-Doktrin zuwiderlaufen oder diese infrage stellen könnten.
Sie sprechen konkret die schon während der COVID-19-Pandemie ausufernde Zensur sowie die Diffamierung vom offiziellen Narrativ abweichender Informationen an.
Während der COVID-19-Pandemie haben sich die großen Sozialen Medien wie Twitter, Facebook oder Youtube dem Meinungsdiktat der WHO untergeordnet und bei vermuteten Verletzungen von WHO-Doktrin zensierend eingegriffen. Es wurden ja ganze Kanäle vom Netz genommen oder User auf Twitter gesperrt, wenn Sie sich erinnern. Die WHO entwickelt gerade ein Informationsmonopol auf gesundheitlich relevante Bereiche mit dem Recht auf Zensur. In Art. 18 des Pandemievertrages wird festgelegt, dass die Vertragsstaaten kontrollieren sollen, welche ‚Fehlinformationen‘ sich gerade verbreiten, um diesen entgegenzuwirken. Was als ‚Fehlinformation‘ zu gelten hat, legt die WHO fest.
Welche weiteren neben der Meinungs- und Pressefreiheit verbrieften Grundrechte werden von den WHO-Änderungen tangiert?
Das Selbstbestimmungsrecht, insbesondere in medizinischen Angelegenheiten, wird geradewegs abgeschafft und damit das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Die Bewegungsfreiheit, die Reisefreiheit, die freie Ausübung des Berufes, die Informationsfreiheit und damit das Zensurverbot – so ziemlich alle Grundrechte könnten durch die neuen Vertragswerke außer Kraft gesetzt werden, und zwar beliebig lange. Es ist keinerlei Rechtskontrolle vorgesehen, um die Gründe, die zur Ausrufung einer WHO-Pandemie geführt haben, oder den tatsächlichen Nutzen bestimmter Maßnahmen jemals überprüfen zu können. Die geplanten Vertragswerke öffnen der Willkür Tür und Tor.
Welchem Ziel dient der in den Vertragswerken verankerte ‚One Health Approach‘?
Durch diese Konstruktion wird die Schwelle für die Ausrufung einer Pandemie noch einmal deutlich abgesenkt. Diesem Ansatz zufolge müssen die Vertragsstaaten künftig auch ‚Krankheiten an der Schnittstelle von Mensch-Tier-Umwelt‘ ins Kalkül ziehen inklusive des Klimawandels. Das kann alles und nichts sein, also die Basis für reine Willkür.
Dem im Bundestag eingebrachten Antrag kann man entnehmen, dass die WHO den Klimawandel als die größte Bedrohung für die Menschheit betrachtet und dass die Bundesregierung ferner die Rolle der WHO beim Klimaschutz unterstreicht sowie das Mandat der WHO im Bereich Umwelt und Gesundheit unterstützt.
Die betont vage angelegten Textelemente in den IGV sowie dem neuen Pandemievertrag werden es künftig zulassen, aufgrund vermeintlicher Bedrohungen präventiv einzugreifen. Die in Deutschland in diesem nicht besonders warmen Sommer laut gewordenen Hitzewarnungen und bereits angedachten Hitzeschutzpläne vermitteln eine Idee davon, wie massiv das Leben der Menschen künftig eingeschränkt werden könnte, wenn die geplanten Vertragswerke umgesetzt werden. Auch die immer wieder aufkommende Diskussion um die Belastung der Böden mit Nitrat und den damit einhergehenden Überlegungen der Stilllegung landwirtschaftlicher Nutzflächen könnten dann zu präventiven Maßnahmen, etwa Stilllegungen oder Enteignungen führen; darüber kann man zwar nur spekulieren, aber die Tendenzen sind öffentlich wahrnehmbar.
Herr Kruse, Sie erwähnten zwar aufwendige aber durchaus im Raum stehende Möglichkeiten, dieser sich abzeichnenden Übergriffigkeiten von Seiten der WHO Einhalt zu gebieten. Welche Möglichkeiten wären das?
Aus meiner Sicht ist die einzige Möglichkeit, das drohende Unheil zu verhindern, die öffentliche und die politische Debatte anzustoßen. Die Menschen müssen unbedingt verstehen, dass wir mit den neuen WHO-Vorschriften nur verlieren können, und zwar nicht nur ‚der kleine Mann‘, sondern auch erfolgreiche Unternehmer und der gesamte Mittelstand. Ist das Selbstbestimmungsrecht erst mal weg, wird es uns nicht mehr zurückgegeben. Es drohen Lockdown, Notstand, Enteignung und gesundheitliche Schädigungen ohne wirksamen Rechtsschutz. Möglich wäre natürlich auch die Beschreitung des Rechtsweges, indem man die Verletzung zwingender Normen des Völkerrechts und des jeweiligen nationalen Verfassungsrechtes geltend macht. Allerdings sind das sehr komplizierte und vor allem langwierige Prozesse. Bis die Ergebnisse zeitigen, sind die Freiheitsrechte vermutlich bereits längerfristig eingeschränkt mit unabsehbaren Folgeschäden für die betroffenen Menschen. Ein anderer Weg wäre die Anfechtbarkeit der Immunität der WHO. Aber auch das ginge nicht von heute auf morgen. Bei den sich abzeichnenden Entwicklungen muss man ganz klar sagen: Wehret den Anfängen!
Bleibt zu hoffen, dass bis zum Mai 2024 ausreichend Bewusstsein in der Öffentlichkeit und ausdrücklich auch bei den Parlamentariern hergestellt wird, um den geplanten Veränderungen Einhalt zu gebieten.
Herr Kruse, vielen Dank für das Gespräch!
Antje Maly-Samiralow ist Medizinjournalistin.