Tichys Einblick
Immer mehr Insolvenzen

Den Bürgern geht die Luft aus

Wie das Statistische Bundesamt meldet, nimmt die Zahl der Insolvenzanträge massiv zu. Obwohl die Verbraucherinsolvenzen sinken, haben immer mehr Unternehmen kein Geld mehr. Auch die Zahl der Zwangsversteigerungen steigt.

Symbolbild

IMAGO / Political-Moments

Die Zahl der Insolvenzanmeldungen steigt. Nach vorläufigen Angaben stieg die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen um 23,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Freitag mit. Im Juni 2023 hatte sie bereits um 13,9 Prozent gegenüber Juni 2022 zugenommen.

Die Insolvenzanmeldungen sind ein zeitlich verzögerter Indikator. Nur solche Fälle fließen in die Statistik ein, für die eine erste Entscheidung des Insolvenzgerichts vorliegt. Das Gericht braucht in der Regel drei Monate für diese Entscheidung. Außerdem beschreibt die Statistik nur solche Fälle, die eine geregelte Insolvenz angemeldet haben und infolgedessen auch aufgegeben werden.

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Eine Umstrukturierung innerhalb des Verfahrens, die die Zahlungsfähigkeit wieder herstellt, wird nicht erfasst. Geschäftsaufgaben wegen akuter Zahlungsunfähigkeit werden nicht erfasst, und Geschäftsaufgaben, weil die Inhaber noch nicht zahlungsunfähig sind, aber denken, dass sich das Weiterführen des Geschäftes nicht mehr lohnt, ebensowenig.

Die Forderungen der Gläubiger aus den im Mai 2023 gemeldeten Unternehmensinsolvenzen bezifferten die Amtsgerichte auf knapp 4,0 Milliarden Euro. Im Mai 2022 hatten die Forderungen bei knapp 2,2 Milliarden Euro gelegen. Je 10.000 Unternehmen gab es insgesamt im Mai 2023 in Deutschland 4,4 Unternehmensinsolvenzen.

Besonders schwer trifft es dabei Unternehmen aus dem Bereich Verkehr und Lagerei mit 8,7 Fällen. Dann folgten die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen mit 7,4 Fällen.

Schlechte Zukunftsaussichten

Firmeninsolvenzen sind ein träger Indikator der Wirtschaftsleistung. Nicht nur ist die Statistik von ihrem Aufbau her rückschauend, auch ist es ein langer Prozess, bis Unternehmen die Insolvenz beantragen – und Unternehmen machen circa 55 Prozent der in der Statistik gemeldeten Insolvenzanmeldungen aus.

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In den vergangenen Jahren war die Zahl der Insolvenzanmeldungen vergleichsweise niedrig – das lag aber auch daran, dass die Bundesregierung die Pflichten zur Anmeldung einer Insolvenz während der Coronazeit ausgesetzt bzw. gelockert hatte. Es konnte sich also ein großer Stau von „untoten“ Unternehmen bilden. Ein Ende des billigen Geldes durch die Notenbanken und steigende Energiekosten geben diesen Unternehmen den Rest – aufgrund der ausgesetzten Anmeldepflichten besteht aber die akute Gefahr, dass sie weitere Firmen in den Abgrund reißen.

Schon im Frühjahr beantragte der Moderiese Peek und Cloppenburg (P&C) Insolvenz. Für den Einzelhandel kommt zur schlechten Wirtschaftslage und den verheerenden Corona-Jahren der Strukturwandel im Handel dazu. Ein Insolvenzverfahren ist aber nicht zwangsweise eine Geschäftsaufgabe: P&C konnte das Verfahren auch nutzen, um sich zu restrukturieren. Man einigte sich mit den Gläubigern und erarbeitete einen Plan zur Neuaufstellung des Unternehmens.

Die Lösung der Bundesregierung sind immer mehr Subventionen und Eingriffe in das Wirtschaftssystem. Das sicherste Geschäftsfeld, mit 0,3 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen, war in diesem Jahr die Energieversorgung. Doch das liegt daran, dass die Bundesregierung seit Anfang des Ukraine-Konflikts die Energieversorger massiv unterstützt hat. Dazu kommen die hohen Subventionen auf erneuerbare Energien.

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Im Mai 2023 gab es 5.679 Verbraucherinsolvenzen, damit ist die Zahl der Verbraucherinsolvenzen im Mai 2023 um 3,7 Prozent gegenüber dem Mai 2022 gesunken, so die Statistiker. Doch während die Unternehmensinsolvenzen der Wirtschaftsentwicklung hinterher hinken, hinken die Verbraucherinsolvenzen den Unternehmen hinterher. Die weiterhin hohe Inflation übt großen Druck auf die Verbraucher aus; der Insolvenzschub, den die hohen Energiekosten bei Verbrauchern ausgelöst hatten, ist vorbei. Doch in den kommenden Monaten und Jahren ist es gut möglich, dass die Insolvenzen wieder steigen. Die Zahl der Zwangsversteigerungen und Notverkäufe von Immobilien steigt rapide; höhere Grundsteuern, höhere Schuldenlasten und eine schlechtere Wirtschaftslage setzen die Eigentümer unter Druck.

All das wird durch eine langfristig schlechte Konsumlage und Unternehmensstimmung verschlimmert: Seit 2019 waren diese beiden Indikatoren durchgehend unter dem Indexwert, der die normale Stimmung im Land spiegelt. Deutschland ist in der Dauerkrise und immer mehr Bürgern geht die Luft aus.

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