Deutsche Außenpolitiker halten eine erneute Präsidentschaft Donald Trumps trotz dessen Anklage wegen der Kapitol-Erstürmung für möglich. „Die Mitglieder von EU und Nato dürfen sich im Falle einer erneuten Präsidentschaft Trumps nicht spalten lassen“, sagte der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung Michael Link (FDP) dem Tagesspiegel. „In der letzten Amtszeit hatte Trump genau dies bereits versucht, in einer zweiten Amtszeit könnten sich solche Manöver Trumps noch verstärken“, so der FDP-Politiker.
„Donald Trump hat mehrfach gesagt, diesmal habe er sehr genaue Pläne, wenn er wieder Präsident wird. Man muss nicht alles wörtlich nehmen, was er sagt. Aber wir sollten seine Aussagen, auch seine Drohungen, sehr ernst nehmen“, so Link.
Alternativen zu Trump gesucht
Aber die Ablehnung Trumps geht weiter. Daher müsse man jetzt mehr denn je daran arbeiten, belastbare Beziehungen zu all jenen Republikanern aufzubauen, denen an Zusammenarbeit und Freundschaft mit Europa gelegen sei, sagte der Transatlantik-Koordinator. Bei seiner jüngsten Reise durch vier Südstaaten der USA habe er den Eindruck gewonnen, „dass etliche Republikaner von Trump zunehmend genervt sind, auch wenn sie es sich aus Angst vor Trumps starker Wählerbasis nicht offen zu sagen trauen“.
Das mag man als eine besonders naive Variante der Außenpolitik verstehen: Der US-Präsident gründet seine starke Stellung auf die Wahl – nicht wie in Deutschland auf Parteien und Hinterzimmer-Politiker. Eine weitere „Sorge“ kommt dazu: Trump könnte doch gar Frieden zwischen der Ukraine und Russland erzwingen. Worauf die Welt hofft – genau davor bangen linke und vor allem grüne Politiker in Deutschland.
Der Grünen-Außenpolitiker und frühere Bundesminister Jürgen Trittin rechnet im Falle eines Wahlsiegs Trumps Ende 2024 mit einem Ende der US-Waffenhilfe für Kiew.
Trittin: Angst vor Friedensverhandlungen mit Russland
„Eine erneute Präsidentschaft Donald Trumps wäre das Ende des transatlantischen Honeymoons“, sagte Trittin dem Tagesspiegel. „Trump würde, sofern das nicht vorher geschieht, die militärische Unterstützung der Ukraine umgehend aufgeben. Die Hilfe für die Ukraine wäre schlagartig allein Aufgabe der Europäer. Wir wären geforderter denn je.“ Trittin sagte weiter: „Durch Trumps Geringschätzung der Nato wären die Europäer selber für ihre Sicherheit verantwortlich. Die europäische Säule der Nato würde viel wichtiger als bisher. Trump würde letztlich die europäische Souveränität stärken“, sagte Trittin, der die Parlamentariergruppe des Bundestages mit den USA führt. Der SPD-Außenpolitiker Metin Hakverdi sagte der Zeitung: „Ein Präsident Donald Trump dürfte, wie in seiner ersten Amtszeit, die Verbündeten gegeneinander ausspielen wollen.“ Trump wolle den Westen spalten, um für sein Land bessere ‚deals‘ zu machen.
Worin der „Deal“ bestünde, lässt sich aus Trumps Äußerungen nur schwerlich ablesen; aber vermutlich wäre es ein Waffenstillstand, der den Russen die besetzte Krim sowie weitere Gebiete im Osten der Ukraine, möglicherweise aber auch im Süden zusprechen würde. Der Außenpolitiker Trump neigt aber nicht zu Maximalforderungen wie etwa der Rückeroberung der gesamten Ukraine.
Entscheidend aus der Sicht Europas aber wäre nicht die Wiederherstellung der Ukraine, sondern die Bedingungen und vor allem die dauerhafte Absicherung einer Waffenstillstandslinie als Voraussetzung für eine dauerhafte Friedensregelung statt einer fortgesetzten „heißen“ Grenze mit fortwährenden Artillerieduellen und militärischen Konflikten. Genau das aber scheinen europäische Politiker zu fürchten, die auf einen militärischen Sieg der Ukraine mit Hilfe der EU und USA setzen.
Damit wird klar, was rote und grüne Politiker fürchten: eine irgendwie geartete diplomatische Lösung an Stelle der Fortsetzung des Krieges. Ob Russland tatsächlich von der Ukraine besiegt werden könnte und zu welchem Preis – diese Frage wird nicht mehr gestellt. Dass Friedensverhandlungen üblicherweise beiden Seiten Zugeständnisse abverlangen und Maximalforderungen aufgegeben werden müssen, scheint diesen Außenpolitikern unbekannt zu sein.
Und ob eine stabile friedliche Lösung für Europa als Ganzem nicht vorteilhafter wäre und wie sie aussehen könnte – auch diese Frage wird insbesondere von den grünen „Falken“ nicht mehr gestellt. Vielmehr wird die Angst vor Donald Trump geschürt. Möglicherweise belastet diese Art von Politik allerdings die Beziehungen zu den USA sehr viel mehr als ein offener Umgang mit einem demokratisch gewählten Donald Trump.
In Washington muss Donald Trump heute vor dem Berufungsgericht erscheinen – hören Sie im Podcast-Wecker ein Gespräch von Holger Douglas mit TE-Korrespondentin Suse Heger darüber, was ihm vorgeworfen wird und wie Trump reagiert: