Redaktionskonferenz einer Lokalzeitung in Rheinland-Pfalz. Ein Reporter will über einen Antrag der AfD berichten, die seit einem Jahr im Landtag sitzt. Die Chefs lehnen das Thema ab: Dabei würde die AfD zu gut wegkommen. Das Wort führt dabei eine alternde Führungskraft, die noch jeden Floh ins Blatt gebracht hat, den ihm sein Einflüsterer aus der SPD ins Ohr gesetzt hat.
Es ist eine Szene aus deutschen Redaktionen. Willkürlich ausgesucht. Aber dann halt doch nicht. Denn sie sagt viel aus über die Berichterstattung, mit der die allermeisten deutschen Medien die AfD in den zehn Jahren ihres Bestehens begleitet haben. Diese Berichterstattung hat sie nun in eine Sackgasse geführt. Zehn Jahre lang haben sie sich als Vertreter des „Haltungsjournalismus“ als Gegner der AfD positioniert. Nun steht die stabil bei über 20 Prozent in den Umfragen, stellt einen ersten Landrat und Bürgermeister. Die gleichen Journalisten wollen diesen Erfolg nun analysieren – werden aber halt nicht als kundige Beobachter gesehen, sondern als Gegner. Und deren Analysen kommen dann halt zum Ergebnis, dass die AfD schlecht ist … Nein! Doch. Ohhh …
Oder der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla. Er wird von ARD-Journalisten an die Kernforderung der Partei erinnert, den Euro abschaffen zu wollen. Nun muss er zwischen Wünschen der Basis und vermarktbaren, gemäßigten Positionen hin und her rudern: „Was wir wollen als AfD ist eine stabile Währung, ähnlich wie es die D-Mark auch war: Und wenn es mit dem Euro möglich ist, natürlich auch mit dem Euro.“ Paradox: Immer dann, wenn Haltungsjournalisten ihre Meinung über die AfD aufs Volk herabposaunen, verhallt das ungehört. Lassen sie Chrupalla reden, kommen seine Widersprüche ganz von alleine raus.
Doch das fällt den Haltungsjournalisten so unglaublich schwer. Vor allem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da ist dieser Moderator, der auf Phoenix zwar nahezu alles wegmoderiert, aber fürs Hauptprogramm einfach nicht gut genug aussieht, sodass sich am Ende keiner seinen Namen merken will. Das ganze Jahr versteht er sich auf den Parteitagen von Linken bis zur CSU als serviler Stichwortgeber. Gegenüber der AfD will er nun beweisen, dass er mehr kann als nur Spartensender. Nur scheint er vergessen zu haben, wie kritischer Journalismus geht, also versucht er das darzustellen, was er von kritischem Journalismus erinnert: Er fällt ins Wort, wirft Stichwörter rein, die nicht passen und kommentiert nach, wenn er zuvor den AfD-Gesprächspartner nicht gescheit stellen konnte. Also nahezu immer. Das wirkt ein bisschen wie eine Hausmaus, die an der Cola genascht hat und nun ihre Energie nicht kanalisieren kann.
Sich einer europäischen Sammlungspartei anschließen, ist nur ein Punkt, der in der AfD Skepsis hervorruft. Ein anderer sind Delegierte, die sich wählen lassen wollen, etwa fürs Parteigericht, aber bereits für einen Abgeordneten arbeiten. Oder Mitgliedschaften, die Bewerber vor ihrer AfD-Zeit hatten. Oder Medien, die über den Parteitag berichten. Die solle man ausschließen, um sich mal unter sich unterhalten zu können. Und dann elektronische Wahlgeräte. Die könnten manipuliert werden. Deswegen lehnen sie die Delegierten ab. Eine Diskussion, die es vor gut zehn Jahren genauso bei den Grünen gab. Am Ende wählt der Parteitag 30 Bewerber für das EU-Parlament handschriftlich. Das zieht sich. Deswegen braucht die Partei zwei volle Tage für die Liste – vielleicht muss sie nächste Woche die Wahl noch fortsetzen.
96 deutsche Abgeordnete ziehen ins EU-Parlament ein. Pro Prozentpunkt gibt es also etwa einen Abgeordneten. 30 Kandidaten sind angesichts von Umfragewerten um die 20 Prozent gar nicht mal so unrealistisch. Zumal eine Partei in einer fünf Jahre dauernden Wahlperiode auch Nachrücker braucht. Außerdem könnten bei dieser EU-Wahl einige Parteien außen vor bleiben, weil zum ersten Mal eine Zwei-Prozent-Klausel für dieses Parlament gilt.
Neben der ablehnenden Haltung ist es diese permanent überspitzte Sprache, die es den meisten Medien schwermacht, über die AfD zu berichten. Als rechts haben sie die Partei schon geframt, als Professor Bernd Lucke noch vor den Folgen der grenzenlosen „Euro-Rettung“ gewarnt hat. Wie wollen sich die Haltungsjournalisten jetzt, zehn Jahre danach, noch ausdrücken? Da die Partei Maximilian Krah zum Spitzenkandidaten für die EU-Wahl gemacht hat, gegen den Lucke wie ein woker Grüner wirkt.
Das RBB24-Inforadio behilft sich damit, dass die AfD „Vertreter des äußersten rechten Lagers“ zu Spitzenkandidaten gewählt hätte. Wer den Zustand der Dauerpanik liebt, ist beim RBB noch gut aufgehoben. Wer selber denkt, amüsiert sich über eine Berichterstattung, in der die als rechtsextrem unter Extremismusverdacht stehende Partei äußerst rechte Kandidaten wählt. Das schreckt nicht ab, sondern macht Lust auf mehr sprachliche Spreizereien.
Die Haltungsjournalisten im RBB geben keinen Halbsatz preis, um ihre Verachtung gegenüber der Partei auszudrücken. Da wollen mindestens „150 Leute einen Posten“. Bei den Linken, der SPD, den Grünen, der FDP und der CDU kandidieren Menschen fürs Parlament laut RBB – in der AfD wollen Leute einen Posten. Habt ihr’s verstanden, RBB-Volk: Die AfD ist böse und ihr sollt sie nicht wählen. Wer so schon in den Nachrichten framt, dem wartet keiner mit Verstand den Kommentar ab – er weiß eh, was darin vorkommt.
Dabei ließe sich über Spitzenkandidat Krah schon einiges sagen. Den 46-Jährigen sehen in der eigenen Partei manche als „Zeitbombe“, ob seinen Verstrickungen in Skandale. Etwa um den Vorwurf, die Vergabe eines Auftrags manipuliert zu haben. Zweimal hat ihn die ID-Fraktion wegen solcher Vorwürfe suspendiert. Auch habe der EU-Abgeordnete international nicht die Kandidaten der ID unterstützt, sondern noch radikalere. Der Jurist gilt zudem als jemand, der harte Mittel einsetzt, um Konkurrenten auszubooten. TE bedrohte er ob der kritischen Berichterstattung mit Klage.
Durch die Berichte der letzten drei Tage zieht sich der rote Faden, dass Thüringens Parteichef Björn Höcke dabei sei, die Partei auf seine Machtübernahme vorzubereiten. Er setze seine Leute in entscheidende Positionen. Chrupallas Co-Vorsitzende Alice Weidel dulde er vorerst nur als Tarnung, damit die Partei weniger radikal wirke, als sie sei. Da ist was dran. Darüber werden wir weiterhin berichten. Nüchtern. Denn wer dauernd nur pauschal und panisch seine Ablehnung verkündet, dem hört halt irgendwann niemand zu.