Tichys Einblick
Der nächste Josef K.

Londoner Gericht spricht Kevin Spacey in Sachen sexueller Übergriffe frei

Ein Londoner Gericht hat den amerikanischen Schauspieler Kevin Spacey freigesprochen. An den Vorwürfen der sexuellen Belästigung war demnach nichts dran: Es zeichnet sich ein Muster ab: nachweislich unschuldig, aber vom woken Mob hingerichtet.

IMAGO / i Images

Jörg Kachelmann, Andreas Türck, Johnny Depp, Till Lindemann von Rammstein und jetzt Kevin Spacey. Es zeichnet sich ein Muster ab: Wieder ist ein Mann vom MeToo-Mob wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs über Monate und Jahre öffentlich hingerichtet worden – attestiert von Woken in Kunst, Medien und Politik. Ein Gericht stellt seine Unschuld fest – kann aber den beträchtlichen Schaden an seiner materiellen und professionellen Existenz nicht wiedergutmachen. Die öffentlichen Ankläger, Richter und Henker werden für ihre Schuld nicht belangt. Und manch einer erlebt den Ausgang eines solchen Prozesses nicht mehr.

Vorwurf der sexuellen Belästigung
Auch freigesprochen bleibt der Schauspieler Kevin Spacey erledigt
Kevin Spacey wurde nun von einem Londoner Gericht freigesprochen. Ihm war vorgeworfen worden, im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts seine Machtstellung als Theaterchef und Filmemacher genutzt zu haben, um vier andere Männer zum Sex zu nötigen. In allen Anklagepunkten hat ihn die Jury nun entlastet. Zwar habe er durchaus Sex gehabt, sagte Spacey vor Gericht – aber der sei einvernehmlich gewesen. Er habe niemand eine Karriere dafür versprochen.

Spacey unschuldig. Sache geklärt. Alles wieder gut? Letzteres nicht. Eine eindrucksvolle Karriere liegt nach der Kampagne gegen Spacey in Trümmern: 1996 erhielt Spacey den Oscar als Nebendarsteller in „Die üblichen Verdächtigen“, 2000 als Hauptdarsteller in „American Beauty“. Außerdem wirkte er in Erfolgen mit wie „Die Waffen der Frauen“, „Austin Powers in Goldständer“ oder „Männer, die auf Ziegen starren“. Auch als Produzent ist Spacey erfolgreich.

Dann der Bruch 2017. Spacey sieht sich den Vorwürfen ausgesetzt. Es geht ihm wie Josef K. in Franz Kafkas Roman „Der Prozess“. Es bricht eine Welle über ihm zusammen, die er nicht versteht, die er nicht greifen kann, die aber sein ganzes Leben zerstört: Im Namen der (Selbst)-Gerechtigkeit vernichten ihn die MeToo-Aktivisten öffentlich. Die Unschuldsvermutung sehen sie als etwas, das sie in ihren Rollen als Ankläger, Richter und Henker gleichzeitig nur bremst.

Der opportunistische Kulturbetrieb springt auf und beteiligt sich daran Kevin „Josef K.“ Spacey zu vernichten: Netflix beendet die Zusammenarbeit in der Erfolgsserie „House of Cards“ und verklagt ihn auf Schadensersatz. Das Theater Old Vic in London distanziert sich von ihm. Neue Rollen kann er vergessen. Szenen mit ihm werden aus dem Film „All the money in the world“ entfernt – es ist als ob das Ministerium der Wahrheit aus Orwells 1984 agieren würde.

Und jetzt der Freispruch. Wird kurz gemeldet, danach Achselzucken und Weitermachen. Ob er je wieder auf die Beine kommt, darum soll sich Spacey selber kümmern. Von den Hetzjägern wird keiner zur Verantwortung gezogen. Die suchen sich schon den nächsten Josef K. aus. Und wer dann wieder mit der Unschuldsvermutung kommt, zeigt doch nur, dass er sexuelle Gewalt nicht ernst nimmt – und sollte sich hüten: Er kann schnell der nächste Josef K. sein.

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