Warum, fragte sich kürzlich ein Tagesschau-Redakteur, trauen Menschen der Wissenschaft nicht? Beziehungsweise: Er erklärte seinem Publikum, „warum Menschen der Wissenschaft nicht trauen“.
Es gibt schon einmal gute Gründe, einem Medienmitarbeiter mit Zurückhaltung zu begegnen, der das inzwischen wohlbekannte Phantom die Wissenschaft auf die Bühne führt. Darüber hinaus stellt sich eine Spezialfrage, die er gar nicht erst anschneidet: nämlich die, warum etliche Menschen gerade die Tagesschau für keine vertrauenswürdige Plattform der Wissenschaftsberichterstattung halten. Die Zurückhaltung des Publikums liegt beispielsweise an der mittlerweile legendären Meldung der immerhin noch reichweitenstärksten Nachrichtensendung, ein bisher verkannter afrikanischer Erfinder hätte den Energieerhaltungssatz ausgetrickst.
Warum also, um auf die Frage der Tagesschau zurückzukommen, „glauben viele Menschen nicht der wissenschaftlichen Evidenz?“ Abgesehen davon, dass ‚glauben‘ und ‚wissenschaftliche Evidenz‘ nur für Leute zusammenpassen, die auch die Wissenschaft für eine religionsähnliche Angelegenheit halten, abgesehen also davon findet die Tagesschau-Recherche natürlich nicht hinter der eigenen Haustür statt, sondern auf einem altbekannten Exerzierfeld.
Der Beitrag über die Renitenten, die der Wissenschaft und womöglich auch der ARD nicht trauen, fädelt so ziemlich jeden gebrauchten Textbaustein auf seine Perlenschnur. Es kommt die Tabaklobby vor, also die Leugner von Nikotinschäden, die Fossillobby, die gefährlichen sozialen Medien und die bei diesem Thema fast unvermeidliche Sozialpsychologin Pia Lamberty in der Rolle der Expertin, die den Gedanken beisteuert: „Es geht vor allem um Bereiche, die stark im Fokus gesellschaftlicher Debatten stehen und die direkte Auswirkung auf unseren Alltag haben. Deshalb werden Klimaforschung oder Gender Studies mehr angezweifelt als Ingenieurswissenschaften oder Archäologie.“
Der Tagesschau-Text erwähnt dagegen nicht: ZDF-Mitarbeiter, die ihrem Publikum etwas von Bienen erzählen, die Weizen bestäuben. Redakteure, die den Unterschied zwischen Boden- und Lufttemperatur nicht so richtig begreifen.
Auch nicht die prominente Grünenpolitikerin, die Strom im Netz speichern und die Grundlast mit etwas weniger tiefgefrorenen Hähnchen sichern will. Genauso wenig findet ein grüner Staatssekretär Beachtung, für den schon die Feststellung, es gebe nur zwei biologische Geschlechter, den Tatbestand der Transphobie erfüllt. Und kein Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit seiner schon mehrmals geäußerten Ansicht, dieser oder jener Windpark könnte ein oder auch mehrere Atomkraftwerke ersetzen.
Der Text des Tagesschau-Redakteurs gleicht dutzenden zum Verwechseln ähnlichen Wortmeldungen darin, dass er viel Mühe darauf verwendet, das Bild von Wissenschaftsleugnern zu konstruieren und über ihre Motive zu spekulieren, aber nie die Frage der Kompetenz zu stellen. Warum soll das Publikum in Wissenschaftsdingen und überhaupt eine Nachrichtenredaktion ernst nehmen, in der die Verantwortlichen an die Energieerzeugung aus dem Nichts glauben? Warum sollten sie einer politischen Bewegung besonders viel Rationalität zutrauen, die erstens das irreführende Mottojoin behind the science ausgibt, bei der Energie- und Geschlechteresoterik aber fest zum Programm gehören? Was unterscheidet Leute, die an dutzende verschiedene Geschlechter glauben, eigentlich von Kreationisten? Warum sollte die Öffentlichkeit einen Gesundheitsminister für eine seriöse Instanz halten, der über ein nicht auf reguläre Weise entwickeltes Medikament behauptet, es hätte keine Nebenwirkungen? Das eigentlich Faszinierende besteht darin, dass diejenigen, die als Lenker der Gesellschaft weit über jedes politische Mandat hinaus auftreten, sich ohne den geringsten Selbstzweifel auch die Kompetenz dafür zuschreiben. Sie kommen gar nicht auf den Gedanken, dass sie mittlerweile selbst mit korrekten Botschaften auf Misstrauen stoßen würden, weil ein wachsender Teil der Öffentlichkeit sie für ungeeignete Boten hält.
Die unterdrückte Kompetenzfrage führt weit über die Medien hinaus. Das, was die Wohlmeinenden unter den Stichworten Klima, Geschlecht und Kapitalismusabschaffung unter hochfrequenter Benutzung der Begriffe die Wissenschaft, Studie und Experte Schritt für Schritt zu einer Orthodoxie formen, deckt sich weitgehend mit Gesellschaftsumbauplänen sehr ähnlich ausgerichteter Politiker. Es gibt erhebliche Widerstände bei den Bürgern, die sich gegen die Wegtransformation ihrer Rechte und ihres Eigentums sträuben, weil sie der Versicherung von Robert Habeck und seinen Verbündeten misstrauen, für dieses Opfer bekämen sie später einen neuen „klimaneutralen Wohlstand“. Vor allem denjenigen, die über Erfahrung mit der letzten deutschen Diktatur oder zumindest Geschichtswissen verfügen, kommt das Tauschangebot bekannt vor, heute Freiheit abzugeben, um sich damit die bessere Zukunft zu verdienen.
Und auch hier vermuten die Transformatiker als Gründe für Misstrauen und Renitenz mangelnde Aufklärung der Bürger und das Wirken der allgegenwärtigen Populisten. Aber sie stellen sich selbst niemals die Frage, ob sie – einmal angenommen, es gäbe morgen zu ihren Plänen begeisterte neunundneunzigprozentige Zustimmung – überhaupt die Fähigkeiten dafür besitzen, ein Industrieland mit 84 Millionen Einwohnern und idealerweise ganz Westeuropa so umzubauen, dass am Ende nicht alles in Scherben liegt.
Auf ihre Talente und überlegenen Einsichten vertrauen ein Robert Habeck, eine Ricarda Lang, eine Maja Göpel, eine Luisa Neubauer so fest, wie es nicht einmal sehr, sehr erfolgreiche Firmengründer tun. Denn die wissen in aller Regel, was schon in kleinen überschaubaren Systemen schiefgehen kann. Es gibt grundsätzlich zwei Arten der Selbstsicherheit. Einmal den allmählichen Erwerb, der Fähigkeiten verlangt, dazu sehr viel Arbeit, Versuch und Irrtum, außerdem die Fähigkeit, sich selbst mit einer gewissen Distanz zu sehen. Stellen sich Erfolge ein, gelten sie diesem Phänotyp immer als vorläufig. Daneben existiert ein Menschenschlag, der schon mit einem Selbstgefühl aus Titan aufzuwachsen scheint. Durch Fähigkeiten und Glück können diese Leute zu ähnlichen oder gleichen Ergebnissen kommen wie die anderen. Fällt eine Zutat zu knapp aus, möglicherweise auch beide, dann öffnet sich ein Abgrund. Menschen, die Unternehmen in die Pleite jagen, Organisationen ruinieren, Staaten in den Abgrund führen und dabei eisern bis zum Schluss durchhalten, rekrutieren sich zu großen Teilen aus dieser Gruppe. Und Hochstapler zu einhundert Prozent.
Wer die Führungsebene beispielsweise des Bundeswirtschaftsministeriums näher ansieht, dem fällt die Gleichförmigkeit der Biografien auf. Robert Habeck arbeitete nach seinem Germanistik- und Philosophiestudium immerhin neben der Berufspolitik auch als Schriftsteller. Aber irgendwelche Berührungspunkte mit volkswirtschaftlichen Fragen finden sich in seinem Lebenslauf nirgends. Übrigens auch nicht in seinen politischen Schriften. Seine Staatssekretärin Anja Hajduk (Zentralabteilung) studierte Psychologie und machte seit 1997 Karriere in der Berufspolitik; der Parlamentarische Staatssekretär Michael Kellner (Wirtschafts- , Industrie und Mittelstandspolitik) absolvierte ein Politikwissenschaftsstudium, danach eine Partei- und Parlamentskarriere. Die Parlamentarische Staatssekretärin Franziska Brantner (Außenwirtschaft): Politikwissenschaftsstudium, Arbeit für die UNO, die Bertelsmann-Stiftung, danach Berufspolitik. Habecks bis vor kurzem wichtigster Mann, Patrick Graichen: Studium Politikwissenschaften und Volkswirtschaftslehre, Ministerialbeamter, Direktor des von Stiftungen finanzierten Lobbyvereins Agora Energiewende.
Über Erfahrung in Unternehmen verfügen immerhin der für Wärme, Wasserstoff und Effizienz zuständige Staatssekretär Philipp Nimmermann (und zwar bei Banken), neben ihm der für Grundsatzfragen verantwortliche Udo Philipp (Banken, Bertelsmann), ganz am Rand auch Staatssekretär Sven Giegold (zuständig für EU-Politik, betrieb vor längerer Zeit einmal eine ökologische Wohnungsgenossenschaft). In seiner offiziellen Biografie auf der Ministeriumsseite fällt die riesige Lücke zwischen 1998 und 2007 auf. In der Zeit wirkte Giegold an führender Stelle bei Attac, einer stramm antikapitalistischen Bewegung. Unternehmerische Erfahrung besitzt nur ein Einziger: der Parlamentarische Staatssekretär Stefan Wenzel. Er betrieb vor 25 Jahren einmal zusammen mit anderen einen Weingroßhandel bevor er in die Profipolitik wechselte. Im Ministerium kümmert er sich um Strom und Netze.
Auf der Führungsebene einschließlich Minister kennen also gerade zwei Staatssekretäre Konzerne von innen, nur einer baute offenbar etwas Neues auf. Einen Fachmann oder eine Fachfrau für Energie, Netze und Speicher holte sich Habeck nicht in seine Leitungsetage. Für ein Ministerium, das sich erstens fast nur mit Energiefragen befasst und zweitens gerade darangeht, wild am größten Wirtschaftsorganismus Europas zu schrauben und hier und da auch große Teile herauszureißen, mutet das ein wenig dünn an.
Schon die konventionelle Politik der kleinen Schritte, wie sie Habeck, Maja Göpel und andere verachten, kostet enorme Mühe. Vor der Idee, ein ganzes Land innerhalb kurzer Zeit umzubauen, würden viele zurückschrecken. Genaugenommen braucht es das Naturell Habecks, um sich in diese Arbeit zu stürzen.
Oder das von Svenja Schulze – Lebensstationen: Politikwissenschafts- und Germanistikstudium, Jusos, SPD-Berufspolitikerin), die kürzlich als Entwicklungshilfeministerin erklärte: „Die #Gentechnik hat in ihrer Geschichte noch keinen wesentlichen Beitrag zur #Ernährungssicherung geleistet. Ihr gesellschaftlicher Nutzen wird in der Theorie oft behauptet, aber in der Praxis zielt die Gentechnik auf Patente und Profite.“
Als PolWi-Diplominhaberin mit zwei Twittersätzen die gesamte grüne und rote Gentechnologie auszuradieren – die wenigsten brächten das fertig. In Robert Habecks Buch mit dem schillernden Titel „Wer wir sein könnten“ findet sich der Schlüsselsatz, der dieses ganz besondere Verhältnis zur restlichen Welt erklärt: „In der Politik ist Sprache das eigentliche Handeln.“ In seinem Werk „Von hier aus anders“ heißt es: „Es gibt keine Zwangsläufigkeit in der Politik. Energisches Handeln kann zu einem ehrgeizig gesteckten Ziel führen“.
Im englischsprachigen Raum gibt es den im Deutschen nahezu unbekannten Begriff Walter Mitty Personality, abgeleitet aus der Kurzgeschichte von James Thurber „Das geheime Leben des Walter Mitty“, erstmals veröffentlicht 1939. Sie erzählt von dem sehr durchschnittlichen Walter Mitty, der von einem Tagtraum in den anderen gleitet, in dem er sich als Flugbootkapitän erfindet, der Maschine und Mannschaft mitten durch einen Hurrikan navigiert, als Spitzenchirurg, Gangster, Kampfflieger. Probleme löst er mit einem brillanten Handgriff oder Furchtlosigkeit. Jedenfalls so lange, bis ihn seine nörgelnde Ehefrau aus seinem Tagtraum reißt. Bei Thurbers Figur selbst handelt es sich um einen Mitty-Charakter der allermildesten und vernünftigsten Sorte: Er weiß, dass er sich nur den kleinen Eskapismus für Zwischendurch leistet. Der Begriff Walter-Mitty-Charakter oder -Syndrom beschreibt eigentlich Personen, denen der Unterschied zwischen Vorstellung und Wirklichkeit verschwimmt, bis sie glauben, tatsächlich aus ihrem Kopf heraus die Welt verändern zu können. Notfalls auch gegen die Gesetze von Physik und Ökonomie.
Sein offizieller Video-Podcast zeigt Robert Habeck außerordentlich häufig bei Besichtigungsterminen in Deutschland, etwa bei steifer Brise mit gelbem Schutzhelm auf einer Offshore-Windkraftplattform oder vor frisch errichteten Windkraftanlagen im Wald. Dem Publikum erscheint ein Minister, der daran glaubt, dass der Umbau des Landes durch sein persönliches Handauflegen schneller vorankommt.
Die Energieversorgung eines Industrielandes – auch diese Überzeugung sitzt bei ihm offenbar bombenfest – lässt sich am besten sichern, wenn schnell so viele wetterabhängige Erzeugungsanlagen wie möglich entstehen, während fast alle grundlastfähigen Kraftwerke demnächst vom Netz sollen.
Vor kurzem erschien im Palladium Magazine ein Artikel von Harold Robertson über die Kompetenzkrise in westlichen Ländern, wobei sich der Autor vor allem auf die USA konzentriert. Was er beschreibt, gilt im Großen und Ganzen auch für Deutschland. Moderne Gesellschaften, so lässt sich sein Text zusammenfassen, zeichnen sich durch miteinander verwobene hoch komplexe technische Systeme aus, die sich ohne das Spezialwissen der dort Beschäftigten nicht aufrechterhalten lassen. Üblicherweise reagieren diese Systeme auf Belastungen resilient. Sie können also einzelne Fehler gut abpuffern. Durch ihre wechselseitige Abhängigkeit stützen sie einander auch in einem gewissen Maß. Nimmt die Kompetenz derjenigen ab, die Verantwortung für den Betrieb dieser Systeme tragen, etwa, weil Stellen im wachsenden Maß nicht mehr nach Fähigkeit, sondern nach politischen und Identitätskriterien besetzt werden, oder weil die Politik unerfüllbare Vorgaben macht, dann nimmt die Stabilität des Ganzen erst allmählich und dann immer schneller ab. An einem bestimmten Punkt schlägt die wechselseitige Abhängigkeit technischer Großsysteme ins Negative um: Dann kann eins beim Kollaps das nächste mit sich reißen.
Vor diesem Punkt befindet sich Deutschland mit seinem politischen Personal. Ganz allmählich dringt beispielsweise die Erkenntnis in Ministerien und unterstützende Think Tanks, welche Probleme sich in einem dichtbesiedelten Land ergeben, wenn gleichzeitig riesige neue Windparks und Photovoltaikflächen entstehen, mit CO2-Reduzierungsbegründung trockengelegte Moore wieder vernässt und zusätzlich ein Teil der landwirtschaftlichen Fläche stillgelegt werden sollen. Rotorentürme, das versteht auch ein Politikwissenschaftler, lassen sich selbst beim besten Willen nicht in Neusumpfland errichten. Energiespeicher auf Wasserstoffbasis existieren bisher nur im Kleinformat. Für die etwa 30 Gaskraftwerke, die nach Habecks Vorstellungen ab 2030 einspringen, wenn Sonnen- und Windkraft nicht ausreichend liefern, gibt es bisher nicht nur keine Planung. Wer sich in der Branche umhört, trifft auf rätselratende Fachleute, die nicht einmal wissen, wer sie überhaupt errichten und betreiben soll. Denn Anlagen zum Preis von gut einer Milliarde Euro pro Stück, die nur als Lückenfüller um 2000 Betriebsstunden pro Jahr ans Netz dürfen, können mit Stromerzeugung unmöglich ihr Geld verdienen.
In der NZZ wies der in Deutschland offenbar nicht talkshowfähige Energieökonom Manuel Frondel vom Leibniz-Institut Essen auf die Grenzkuppelstellen hin, über die der länderüberschreitende Stromaustausch läuft. Sie verfügen nur eine bestimmte Durchlasskapazität. Deshalb lassen sich nur begrenzte Elektrizitätsmengen aus dem Ausland importieren. Und auch nicht beliebig viele Megawattstunden zu den Nachbarn drücken, wenn sie hier niemand braucht. Für die Migration von Elektronen existiert eine Obergrenze, sie sich weder durch Zureden noch durch Ehrgeiz aufheben lässt. Spätestens jetzt müssten die Technokraten der Transformation eigentlich ahnen, wohin der Versuch führt, das Unbedingte in einer bedingten Welt durchzusetzen.
Die wirklich hochkompetenten Techniker in den Leitwarten der Stromnetze vollbringen schon heute Kunststücke, um die Stromversorgung stabil zu halten. Für sie ist Reden nicht das eigentliche Handeln. Sie wissen, wie viele Zwangsläufigkeiten es in ihrem Fachgebiet gibt. Wenn sie gefragt würden, könnten sie erklären, welches Wissen nötig ist, um etwas extrem Komplexes überhaupt am Laufen zu halten und welche Fähigkeiten es bräuchte, um das Ganze katastrophenfrei umzubauen. Umgekehrt gilt: Wer gar nicht erst weiß, was Grenzkuppelstellen sind, hält den Stromimport in beliebiger Höhe für unproblematisch. Und überhaupt alles Vorstellbare auch für durchführbar.
Der politische Walter-Mitty-Komplex besteht aus zwei sehr einfachen Elementen: Einerseits grenzenlosem Glauben an die Machbarkeit, zum anderen aus der Überzeugung, gerade sie als völlig Praxisfremde könnten den Durchbruch erzwingen. Wer den Sprechakt für den Schlüssel zur Welt hält und vor seinem geneigten Publikum mit gerunzelter Stirn Möglichkeitsräume eröffnet, muss das vermutlich so sehen. Es gibt nur ziemlich wenige Leute, die alle Feinheiten der Energieversorgung verstehen. Aber von denen greift zum Glück so gut wie niemand mit groben Fingern und Überlegenheitsillusion mitten ins offene Herz einer Volkswirtschaft.
Hier schließt sich die Klammer, die den medialen und den berufspolitischen Betriebsteil zusammenhält. Zur Wissenschaft verhalten sich Journalisten, die einen stromerzeugenden Fernseher für möglich halten, und Boden- von Lufttemperatur nicht unterscheiden können oder wollen, ziemlich genau so wie die Habecks, Svenja Schulzes und Patrick Graichens zur Wirtschaft. Sie reden unentwegt davon; ihre Einsichten in Wissenschaft beziehungsweise Wirtschaft halten sie für besonders profund. Eine Ablehnung ihrer Botschaften erklären sie sich mit Verstocktheit der anderen und finsteren Machenschaften im Hintergrund.
Von Redakteuren, die schon an der korrekten Darstellung einfacher Sachverhalte scheitern, möchte sich eine wachsende Zahl von Bürgern nicht das Globalklima erläutern lassen. Sie misstrauen diesen Medienleuten irgendwann auch schon bei gesellschaftlich harmlosen Themen (wobei: die verschwinden nach und nach). Einer Kaste von Politikwissenschaftsdiplominhabern mit lebenslanger Parteikarriere würden viele Endverbraucher von Politik schon den Normalbetrieb des Landes nicht gern überantworten, vom großen Umbau gar nicht erst zu reden. Dieses Medien- und Politikmilieu stützt einander aus gemeinsamer Überzeugung, aber auch wegen einer faszinierenden psychologischen Ähnlichkeit auf beiden Seiten. Hier wie da stellen die Weltveränderer niemals die Frage nach dem Verhältnis von eigenem Wichtigkeitsgefühl und ihren Fähigkeiten. Zweifel empfinden sie als Anschlag auf ihre Persönlichkeit.
Ein psychologischer Ratgeber empfiehlt, Walter Mitty-Personen ruhig zuzuhören, sie aber nicht in ihren Vorstellungen zu bestätigen. In fast allen einschlägigen Fachtexten heißt es völlig zu Recht, Menschen mit diesem Syndrom verhielten sich generell völlig harmlos.
Das ändert sich erst – und dann aber dramatisch – wenn es jemand mit diesem Persönlichkeitszuschnitt auf eine wirklich einflussreiche Position schafft. Und dann wesensverwandte mediale Begleiter findet, die ihre Größenphantasie als Überpolitiker unentwegt bestätigen.
Ordinären Bürgern geht es dann so wie einem Patienten auf einer Operationsliege, über den sich ein Walter Mitty beugt, der sich gerade in die Rolle des Medizingenies träumt. Und dummerweise ein echtes Skalpell in der Hand hält.