An diesem Wochenende (21. bis 24. Juli) wird es eng auf den Autobahnen. In Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, aber auch im Norden der Niederlande schließen die Schulen, beginnen die Ferien. Und aus Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein rollt gleichzeitig die zweite Reisewelle gen Süden. Größtenteils mit dem eigenen Auto – und immer öfter mit einem Elektroauto. Für viele ist es die erste Fernfahrt mit dem Stromer. Da will vor dem Start einiges bedacht sein – nicht nur die Mitnahme des Ladekabels und von passenden Adaptern, um beispielsweise am Ferienort Ladestrom notfalls auch an einer Haushaltssteckdose zapfen zu können.
Reichweitenangst muss zumindest nördlich der Alpen kein E-Reisender mehr haben. In den meisten europäischen Staaten ist die Ladesituation an den großen Verbindungsstraßen mittlerweile so gut, dass man sich keine Sorgen machen muss, unterwegs mit leerem Akku auszurollen. Gerade in Nord- und Mitteleuropa gibt es entlang der Autobahnen ein breit gefächertes Netz von Ladesäulen an Raststätten, auf Autohöfen, bei Einkaufszentren und Fast-Food-Restaurants.
In Südeuropa sieht das bisweilen etwas anders aus. Gerade wer im Süden Italiens, in Kroatien, Spanien oder Portugal mit dem Elektroauto unterwegs ist, sollte sich auf einer Smartphone-App wie der von „A Better Route Planner“ oder im Navigationssystem des Fahrzeugs vor der Fahrt über die Grenze etwas genauer anschauen, wo sich die Ladesäulen befinden. Aber auch, mit welchen Ladegeschwindigkeiten dort zu rechnen ist. Denn wenn die Schnelllader Gleichstrom nur mit maximal 50 Kilowatt abgeben, kann die Fahrt nach Neapel oder nach Barcelona schon mal die eine oder andere Stunde länger dauern als geplant.
Am Wochenende drohen Warteschlangen
Zwar läuft der Ausbau des Ladenetzes entlang der großen Verbindungsstraßen europaweit auf Hochtouren – jedoch mit durchaus unterschiedlicher Schlagzahl. Daher sollte man sich nicht nur die Standorte der Ladesäulen genau anschauen, sondern bei der Planung der Route auch einkalkulieren, dass die eine oder andere Säule, die das Navi ansteuert, defekt sein kann. Und berücksichtigen, dass die versprochene Ladegeschwindigkeit deutlich geringer ist, wenn im Ladepark mehrere Elektroautos gleichzeitig am Stecker hängen. Dann werden aus den versprochenen 300 schnell 150 Kilowatt. Und statt mit bis zu 100 Kilowatt fließt der Ladestrom mit gerde einmal 50 kW.
Gerade während der Hauptverkehrszeiten am Wochenende kann es auf den großen Transitstrecken und an den dortigen Ladestationen schon einmal zum sogenannten „Queing“ kommen – zu Warteschlangen vor den Ladepunkten. Auch dies sollte in die Reisezeit einkalkuliert werden. Denn die Zahl der Neuzulassungen von Elektroautos ist in den vergangenen Jahren deutlich schneller gestiegen als die Zahl der Ladestationen. Hier gilt das gleiche wie bei Stauvermeidungsstrategien für die Autobahn: Nachts, in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden ist die Aussicht auf einen freien Ladeplatz größer als zur Mittagzeit oder am frühen Abend.
Mit Ionity durch ganz Europa
Und bevor es mit dem Elektroauto in den Sommerurlaub geht, empfiehlt sich auch ein Blick auf die Preise, die an den Ladesäulen aufgerufen werden. Denn diese unterscheiden sich ganz beträchtlich. Einen guten Überblick liefert hier die Moovility-App von Cirrantic. Sie zeigt nicht nur an, wo Ladesäulen stehen, welche davon gerade betriebsbereit sind und mit welchen Ladeleistungen dort zu rechnen ist. Die App verrät auch, welche Konditionen dort aufgerufen werden – und mit welcher Ladekarte oder -App der Strom dort am günstigsten bezogen werden kann.
Eines der größten Schnellladenetze in Europa betreibt das Ionity-Konsortium. In 24 europäischen Ländern existieren derzeit über 2.500 Hypercharger in 512 Ladeparks. Gerade Italien, Deutschland oder Frankreich sind flächendeckend mit Ionity-Stationen versorgt. Frankreich liegt mit einer Gesamtanzahl von derzeit 128 Ionity-Ladeparks und 672 Ladepunkten ganz vorn. Entlang der Sonnenautobahn von Nord nach Süd oder der beliebten Mittelmeerküste von Nizza bis Marseille betreibt Ionity bereits zahlreiche Ladeparks mit bis zu 18 Ladepunkten, viele davon mit Solardächern. Neu und besonders gut an Urlaubsrouten gelegen sind die neuen Ionity-Stationen wie Affi am Gardasee, bei Rom oder weiter Richtung Neapel und weiter bis nach Sizilien.
So weit, so gut. Doch gerade wer hier ohne einen Rahmenvertrag seines Fahrzeugherstellers wie der von Elli, per BMW Charging oder Mercedes me Charge das Elektroauto nachlädt, muss mitunter tief in die Tasche greifen. In Frankreich kostet eine Kilowattstunde ohne monatliche Grundgebühr 0,69 Euro; in Belgien sind es (wie in Deutschland) 0,79 Euro oder in der Schweiz 0,79 Franken. Mit dem sogenannten „Passport“-Tarif verbilligt sich die Kilowattstunde um zumeist 20 Cent – allerdings nur gegen Zahlung einer monatliche Mindestgebühr von 11,99 Euro.
Viele Tesla-Charger offen auch für Fremdfabrikate
Günstigeren Strom gibt es nach den jüngsten Preissenkungen an den Superchargern von Tesla: Zwischen 50 und 57 Cent werden hier für eine Kilowattstunde aufgerufen. Immer mehr von den Tesla-Stationen sind inzwischen auch für Elektroautos anderer Fabrikate geöffnet. Die Preise variieren hier allerdings nach Uhrzeit. Besonders günstig ist es hier mit dem Supercharger-Tarif, der monatlich 12,99 Euro kostet. Dann kann mitunter schon für 37 Cent pro kWh nachgetankt werden. Vorteil: Die Tesla Supercharger liegen zumeist in größeren Ladeparks mit einer Vielzahl von Lademöglichkeiten. Somit kann es lohnen, sich auch als Besitzer eines VW ID.4 oder Polestar 2 die Tesla-App herunterzuladen.
Mit insgesamt über 190.000 Ladepunkten in neun europäischen Ländern ist auch das Hypernetz von EnBW ein guter Ladepartner für Elektromobilisten auf der Fahrt in die Ferien. Die Schwaben betreiben mittlerweile Stationen in den Niederlanden, in Belgien, Luxemburg und Liechtenstein, Österreich, der Schweiz, in Italien und Frankreich, wo Elektroautos mit der EnBW-App oder -Ladekarte zu einheitlichen Konditionen geladen werden können. Im Standardtarif kostet die Kilowattstunde je nach Ladetempo zwischen 45 und 79 Cent. Mit der E-Charge-Karte des ADAC wird es (außer bei Ionity) ein paar Cent billiger.
Fastned und Enel für alle Fälle
Für Fahrten mit dem Elektroauto ins Ausland empfiehlt sich ansonsten auch die App des niederländischen Ladenetzbetreibers Fastned, der inzwischen außer im Heimatland sowie in Belgien auch in Deutschland, der Schweiz, in Frankreich und Großbritannien eine Reihe von Schnellladestationen betreibt. Die Preise für die Kilowattstunde Gleichstrom an einem Hypercharger betragen zwischen 0,59 und 0,69 Euro. 30 Prozent Rabatt auf den Ladepreis gibt es im sogenannten Gold-Member-Tarif, der 11,99 Euro pro Monat kostet.
Hilfreich könnte bei Fahrten nicht nur nach Italien auch die App von Enel X Way sein: Der italienische Energieversorger ermöglicht dank Kooperationsverträgen unter anderem mit Hubjet den Zugriff auf über 260.000 öffentliche Ladepunkte weltweit. Günstig ist der Bezug des Ladestroms darüber nicht unbedingt: An manchen Schnellladestationen an den Autostradas in Italien werden bis zu 99 Cent pro Kilowattstunde aufgerufen. Hinzu kommen Strafgebühren von 20 Cent pro Minute, wenn die Ladesäule mit dem Elektroauto blockiert wird, obwohl kein Strom mehr fließt.
Dieser Beitrag ist zuerst bei Edison erschienen