Auch ich hatte als Mädchen mehrere blonde, überschlanke Barbies im Kinderzimmer, die ich bürstete und in Glitzerkleidchen steckte, bis mir langweilig wurde und ich mich anderen Spielzeugen zuwandte. Eine kurze Phase, weder lehrreich noch schädlich.
Je nach Zeitgeist wurde das starre Püppchen von den Menschen entweder bewundert, dann wieder gehasst oder geliebt. Das alles mit Vorliebe von Feministen, die in der Puppe die Ursache für unterwürfige Frauen mit Essstörung und Hang zum Heimchen am Herd ausmachen wollten; in Barbie doch eher die Ärztin, Karrierefrau, Astronautin, dann aber doch „female empowerment“ sahen.
Zum Glück folgen Kinderfantasien so gar nicht den Vorgaben und Ideologien der Erwachsenen, sondern nehmen ihre eigenen Wege.
Die Handlung des Films lässt sich in wenigen Sätzen abhandeln und spielt tatsächlich eine eher untergeordnete Rolle. Barbie gerät in eine tiefe Sinn- und Identitätskrise, schließlich ist „Identität“ dieser Tage Verkaufsschlager. Dies löst einen Riss in Barbieland aus, der nur dadurch geheilt werden kann, indem Barbie einem traurigen Mädchen, selbst Mutter einer Tochter, hilft. Zwischendurch müssen die Heldinnen nur noch das Patriarchat besiegen. Dieses knappe Gerüst dient als Vehikel für eine endlose Aneinanderreihung von Geschlechterkampfklischees.
Der Zuschauer taucht ein in „Barbieland“, eine pinke Landschaft des Grauens. Hier leben alle Barbies in friedlicher, dauerlächelnder Seligkeit der Diversität unter einer schwarzen Präsidentin, inmitten von vollschlanken und dünnen Barbies, Barbies mit Kopftuch und Barbies im Rollstuhl – und alle feiern nächtlich „Girl’s night“, bewundern einander für Schönheit und Intelligenz. Warum alles so friedlich und harmonisch ist? Ganz klar: Die Kens sind unterwürfige, permanent der Lächerlichkeit preisgegebene Figuren; nur dazu geschaffen, um Barbie zu verehren.
Als Barbie plötzlich schwermütige Gedanken einerseits und Cellulite andererseits entwickelt, und ihre Füße nach dem Ausziehen der Schuhe nicht in High-Heel-Pose verbleiben, sondern den Boden berühren, droht der gruselig heiter-pinken Welt der Kollaps. Barbie gerät wörtlich auf den Boden der Realität. Spätestens dieser wenig subtile pinke, pseudo-philosophische Vorschlaghammer macht dem Zuschauer klar, worum es geht und die restlichen 100 Minuten noch gehen wird.
Deshalb darf Barbie in Matrix-Manier Schuhe auswählen. High Heels dafür, wenn Barbie in Barbieland bleiben und Probleme ignorieren will, Birkenstock für Erkenntnis und Realität. Da wären wir auch bereits bei der so ziemlich amüsantesten Szene des Films.
Hatte ich bisher noch gehofft, der Film würde versöhnliche, vielleicht sogar leicht satirische Töne finden, die ins Matriarchat gekehrte Persiflage eines Patriarchats aufzulösen, war mit dem Ausflug in die angeblich „reale Welt“ klar, dass sich hier nur ein weiterer Film dem Zeitgeist anbiedert, ohne Pointe oder Versöhnlichkeit.
Die „reale Welt“, die Mattel und Greta Gerwig hier ausgemacht haben wollen und in die Barbie mit Ken reist, beginnt mit Bildern von klischeehaften Machos. Man sieht Muskeln, Polizisten, Pferde, wirklich jedes Klischee von Männlichkeit. „Männer, Männer, Männer“, staunt Ken, der von dieser Welt sofort fasziniert ist und aufblüht, darf er in der feministischen Barbieland-Utopie doch nichts weiter sein als Witzfigur, die nur „Beach“ kann. Synonym für „nichts“. „Nicht mal beim Denken kann ich helfen“, bemerkt er dann auch wenig später und geht die Welt erkunden, in der „das Patriarchat herrscht“.
Barbie findet die Tochter des Mädchens, dem sie helfen soll. Auch hier nichts Neues. Der omnipräsente Typ zornige junge Frau konfrontiert Barbie mit dem eigenen verwerflichen Verhalten. Sie sei nichts als sexualisierter Kapitalismus, unrealistisches Körperideal, zunichte gemachter Feminismus. „Du Faschistin!“ tönt es und ich sitze ob des neuen Klischees von Weiblichkeit seufzend im Kinosessel.
Ken kehrt noch vor Barbie ins Barbieland zurück, wo er das Patriarchat einführt, das zur endgültigen Übernahme Barbielands nur noch einer Verfassungsabstimmung bedarf. Dies gelingt ihm durch Gehirnwäsche der intelligenteren Frauen, die ihre Berufe und Präsidentschaften aufgeben, um den Kens der Barbiewelt Mango-Bier zu reichen. Die drei Heldinnen kehren zurück und besiegen das drohende Patriarchat, indem sie Männer eifersüchtig machen und zu dem treiben, was Männer aus Filmemachersicht sowieso am besten können: einen Krieg gegeneinander führen. Über diesen Krieg vergessen die Kens die Abstimmung. Das matriarchale Utopia Barbieland ist gerettet.
Kleine Versuche der Versöhnung, die in der tatsächlich realen Welt dringend nötig wären, um den Geschlechtergraben nicht noch weiter zu vertiefen, scheitern am einseitigen Weltbild der Filmemacher. Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Unrechtsgesellschaft unterdrückter Kens und der eigenen Doppelmoral findet nicht statt. Wo Frauen herrschen, herrscht das Gute. Der Film zeigt Frauen per se als empathische, existenzialistische Überlegungen anstellende, das strahlend Gute und Güte repräsentierende Wesen. Darunter, nicht daneben, steht der Mann, ganz Neandertaler und machtversessen, wahlweise weinerlich und inkompetent. Keine Satire, kein Humor, keine Zwischentöne, die das feministische Getöse wettmachen würden. Man möge sich derartige Bilder mit umgekehrter Rollenverteilung vorstellen – schneller wäre wohl kein Film gecancelt.
Für Hartgesottene einige ausgewählte Dialoge:
- Ken erfragt, ob er als Mann auch ohne Abschluss einen hochdotierten Job erhalten könne. Man(n) verneint. „Reicht es nicht, ein Mann zu sein?“ – „Nein.“ – „Dann macht ihr das mit dem Patriarchat nicht gut“ – „Wir machen es gut, wir verstecken es nur besser“.
- Auch schön: „Ich bin ein Mann ohne Macht, macht mich das zu einer Frau?“
- Eine Frau der realen Welt zu Barbie: „Einen Ken hatte ich nie.“ – „Das kommt daher, dass Ken total überflüssig ist“.
Ich war nicht überrascht. Barbie musste schon immer für mehr als nur für Kinderfantasien herhalten. Aus dem bonbonbunten Marketingknüller wurde vorrangig eine Belehrung des Publikums über angeblich politisch korrekte Rollenbilder mit verschärft radikalen Tendenzen. Die Chance, Gesellschaftskritik zu sein, wurde verspielt, weil eigene Geschlechterklischees an keiner Stelle in Frage gestellt werden. Viel mehr als das darf man dieser Tage von Filmen, die „Identität und Geschlecht“ zum Mittelpunkt machen, offensichtlich nicht mehr erwarten. Anders wurde mir nur beim Anblick der 6- bis 12-jährigen Mädchen, die zur Musik des Abspanns vor der Kinoleinwand tanzten. Ich hoffe, dass diese einseitige und stellenweise abwertende Weltsicht auf Männer und Frauen nicht alles ist, womit sie aufwachsen müssen.