Ich frage mich ja schon lange, was genau feministische Außenpolitik sein soll. Irgendwas mit Frauen? Irgendwas gegen toxische weiße Männer? Alles, was mit Fragen zu tun hat wie: Sollen Toiletten in Afrika im Dorf oder am Dorfrand stehen? Oder irgendwas mit Streumunition für die Ukraine? Man weiß so wenig.
Und man erfährt so wenig Aufklärung. Bei „Aus Politik und Zeitgeschichte“, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, liest man: „Durch feministische Außenpolitik werden Leerstellen in internationalen Sicherheitsfragen sichtbar gemacht, denen umfassend mit der Implementierung und Weiterentwicklung schon bestehender Instrumente und Mechanismen wie der UN-Agenda ‚Frauen, Frieden und Sicherheit‘ begegnet werden kann.“
Sichtbare Leerstellen! Ja, das erklärt vieles. Bislang hat die feministische Außenpolitik von Annalena Baerbock Leerstellen am laufenden Meter produziert. Immerhin: Was den Iran betrifft, „schauen wir hin“, erklärte sie Ende Mai. Im Mai präsentierten Justiz und Regierung des Iran nämlich einen Gesetzentwurf zur „Stärkung der Hidschab-Kultur und der Keuschheit“. Das Gesetz sieht neue und harte Strafen bei Verstößen gegen die Kopftuchpflicht vor – zunächst mehrfache Verwarnungen, etwa per SMS. Dann drohen Geldbußen, Berufsverbote und in Extremfällen sogar Gefängnis. Mittlerweile werden Polizistinnen in bodenlangem schwarzem Umhang mit Kopftuch gesehen, die Frauen ermahnen und festnehmen, die den Hidschab nicht oder nicht ordnungsgemäß tragen.
Wäre das nicht eine gute Gelegenheit für die Außenministernde, auf jene berüchtigte „klare Kante“ zu steigen, statt einfach nur hinzuschauen und ein weiteres „Sanktionspaket“ „auf den Weg zu bringen“ – während doch auch im Außenministerium bekannt sein dürfte, dass Sanktionen entweder nicht viel nützen oder eher der Zivilbevölkerung als der Regierung schaden? Warum nicht auch dem Iran mal kräftig die Beine wegschlagen und dafür sorgen, dass er sich davon nicht wieder erholt, statt das immer nur in Richtung Russland zu rufen? Im Übrigen kumpelt der Iran mit Russland, was also hindert unsere Amazone im Ministerium?
Womöglich das, was bereits Claudia Roth dazu veranlasst hatte, zum Besuch bei den Mullahs brav ein Kopftuch anzulegen. Es gibt eine seltsame und unselige Zurückhaltung besonders von sich zum Feminismus bekennenden Frauen, das zu benennen, was Frauen im Iran unterdrückt und Migranten in Deutschland gewalttätig gegen westliche „Schlampen“ werden lässt: der Islam.
Doch nein, verkündete Annalena Baerbock im September 2022, auf dem Höhepunkt der Proteste gegen das Mullahregime, „bei allem Respekt vor kulturellen und religiösen Unterschieden. Wenn die Polizei, wie es scheint, eine Frau zu Tode prügelt, weil sie aus Sicht der Sittenwärter ihr Kopftuch nicht richtig trägt, dann hat das nichts, aber auch gar nichts mit Religion oder Kultur zu tun.“
Angesichts von so viel weltfremder Verbohrtheit wackelt der Elefant im Raum mit dem Rüssel.
Woher diese Verblendung? Fürchtet frau sich vor dem Vorwurf der „Islamophobie“ oder gar des „antimuslimischen Rassismus“, etwas, das mindestens so schlimm, ach was; schlimmer als Antisemitismus sein soll? Eine Religion ist eine Rasse? Wenn das Feminismus sein soll, dann wünscht man sich dringend toxische weiße Männer an der Spitze des Außenministeriums.
Was ist los mit den Feministinnen? Plausibel wäre ja noch, Angst zu haben vor militanten Islamanhängern, die schon mal jemandem die Kehle durchschneiden, den sie unislamischer Umtriebe verdächtigen, ich denke an den französischen Lehrer Samuel Paty, der im Oktober 2020 auf offener Straße enthauptet wurde. Vielleicht liegt es auch daran, dass Muslime Respekt einfordern, Mohammed-Karikaturen zu einer Fatwa führen können, während sich viele christliche Würdenträger offenbar selbst nicht mehr ernstnehmen und nichts dabei finden, wenn ihr Glaube lächerlich gemacht wird.
Und nicht zuletzt erinnere ich mich an Debatten, in denen deutsche Feministinnen der Ganzkörperverschleierung positiv anrechneten, dass sie die Konkurrenz unter Frauen abschaffe. Andere wiederum verniedlichen muslimische Kleiderordnungen als Mode, die Frauen sich freiwillig antun, und meinen, dass Kopftuchtragen ein Ausdruck von Freiheit sei.
Vielleicht hat Michel Houellebecq recht. Vielleicht wünscht sich manch emanzipierte westliche Frau „Unterwerfung“: endlich nicht mehr kämpfen müssen, um Anerkennung oder den vor allem bei Sozialdemokratinnen so begehrten Aufsichtsratsposten. Endlich morgens keine aufwendige Arbeit mehr am Gesicht, kein Hadern mit der aus dem Leim gegangenen Figur, einfach nur in der Küche stehen und für den Herrn und seine anderen Frauen kochen – das wär’s. Endlich Ruhe.
Den Frauen im Iran allerdings droht Grabesruhe.