Warnhinweis: Bei dem nachfolgenden Text handelt es sich um eine sogenannte Glosse. Laut Duden ist das ein „knapper [polemischer] Kommentar (in Presse, Rundfunk oder Fernsehen) zu aktuellen Ereignissen oder Problemen“. Einzelne Formulierungen oder geschilderte Sachverhalte könnten auf manche Leser verstörend wirken.
„So geschickt macht Baerbock Politik mit Mode“.
„Baerbock verrät ihr Frische-Geheimnis“.
„Baerbock verrät ihr Nutella-Geheimnis“.
Wer dieser Tage BILD liest, dem sind tiefe Einblicke in den verantwortungsbeladenen Alltag und in das schwierige Seelenleben der Annalena Charlotte Alma Baerbock vergönnt.
Am 30. Juni, um 15.25 Uhr, analysiert das Boulevardblatt eine der vielen schwierigen Entscheidungen, vor denen Deutschlands Außenministerin steht: Was soll ich bloß anziehen? Immerhin geht es beim Besuch in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator um feministische Außenpolitik. Wer kennt das nicht?
„So geschickt macht Baerbock Politik mit Mode“. „Schon auf dem Flug in das Land zwischen China und Russland“, weiß BILD, „zeigte sich Baerbock perfekt gestylt.“ Die Grüne trug da nämlich einen weichen Mantel aus braunem Leder – „ganz im Zeichen der Reiter, die zu Zeiten von Dschingis Khan (13. Jh.) den Steppenstaat bevölkerten“. Deren feministische Grundeinstellung ist, nebenbei bemerkt, historisch noch umstritten.
Unumstrittenes trägt dann Mode-Expertin Annette Weber zu Baerbocks Kleid bei: „Der Inbegriff des Weiblichen. Zudem schmeichelnd. Die Ministerin betont ihre schmale Taille, die schlanke Kurven-Figur. Jeder sieht: Sie ist eine FRAU.“ Das ist beruhigend, heutzutage kann man sich da ja so leicht irren.
Immer noch am 30. Juni, nur etwas später, um 19.42 Uhr, sorgt sich Europas meistgelesene Tageszeitung um die Leistungsfähigkeit der Außenministerin. Denn Baerbock habe binnen fünf Tagen 48 Stunden im Flugzeug verbracht – knapp zehn Stunden am Tag also. Für den handelsüblichen All-inclusive-Touristen klingt das tatsächlich nach viel.
„Baerbock verrät ihr Frische-Geheimnis“. Aber die Frau im weiblichen Kleid reist nicht in engen Dreierreihen mit lauten Sitznachbarn. Baerbock hat ein eigenes Bett und eine eigene Dusche im Bundeswehr-Jet. Das, so erfahren wir vom Zentralorgan des investigativen Journalismus, hält „die Außenministerin fit“. Und gewohnt kritisch heißt es dann weiter: „Sichtbare Anzeichen von Müdigkeit kaschiert im Ernstfall die mitgereiste Stylistin.“ So ein Glück.
Am 17. Juli schließlich, um 14.24 Uhr, entlockt BILD der Außenministerin eine Stellungnahme zu einem der großen geopolitischen Konflikte unserer Epoche: Nuss-Nougat-Creme mit oder ohne Butter?
„Baerbock verrät ihr Nutella-Geheimnis“. Ganz ohne diplomatische Floskeln, erfahren wir von Springers Vorzeigezeitung, legt sich die Außenministerin in diesem Streit fest. „Also eigentlich ist Schokocreme ja ganz ungesund. Aber wenn, dann natürlich mit Butter – richtig ungesund.“ Man hört förmlich Millionen von Lesern und natürlich Leserinnen jauchzen vor Freude ob dieser bodenständigen, sympathischen und weiblichen Fett-und-Zucker-Liebhaberin.
Auf die „Wir-lieben-Annalena“-Festspiele bei BILD soll dem Vernehmen nach bald eine Sympathie-Kampagne für Robert Habeck folgen. Vorgesehen sind bisher ebenfalls drei Teile:
„So geschickt macht Habeck mit Gedichten Politik“.
„Habeck verrät sein Rasier-Geheimnis“.
„Habeck verrät sein Heumilch-Geheimnis“.
BILD kämpft zuletzt ja weniger für Sie – als eher mit größeren Auflageproblemen. Woran das bloß liegen kann?
Ergänzung der Redaktion:
Nach Veröffentlichung dieses Artikels titelt die BILD am 18. Juli, um 15.01 Uhr: „Außenministerin verrät ihren High-Heel-Trick“.
Sie habe auf Instagram ein Bild geteilt mit dem Hinweis: „Und nachdem das letzte Mal meine Schuhabsätze den Laufstrecken bei den Vereinten Nationen in New York zum Opfer gefallen sind, gilt diesmal: doppelt geklebt hält besser.“ BILD weiter: „Zu sehen: dasselbe Paar Schuhe – aber geflickt! Nachhaltige Außenpolitik, könnte man sagen.“
Die Bierbock-Kampagne geht also weiter – BILD, die weiblichen Seiten des Journalismus.