Tichys Einblick
Auftrag an das Öko-Institut

Das Heizungsgesetz hatte dreifache Graichen-Power

Wie aus einer Anfrage der Linken hervorgeht, wurde das federführend von Patrick Graichen ausgearbeitete Heizungsgesetz anschließend vom Öko-Institut beraten. Dort sitzen bekanntlich Schwester und Bruder des ehemaligen Staatssekretärs.

IMAGO / photothek

Das maßgeblich vom ehemaligen Staatssekretär Patrick Graichen ausgearbeitete Gebäudeenergiegesetz (GEG) hält die Republik bald ein halbes Jahr in Atem. Zwar hat sich der Ursprungsentwurf mittlerweile mehrfach geändert. Doch der Themenbereich „Heizungsgesetz“ hat sich aufgrund von Debatten, Affären und Skandalen, sowie einem immer größeren Unmut in Bevölkerung, Verbänden und Medien zu einem eigenen Themenbereich gemausert, dass die Ursprünge fast vergessen sind.

Der Keim des Gesetzes ist bei der Agora Energiewende zu suchen, die bereits vorher eine Umstellung von Heizungen gefordert hatte. Die im November 2020 herausgegebene Studie „Klimaneutrales Deutschland“ fällt in die letzten Tage von Graichens Direktorat. Bereits in dieser Studie nimmt die Wärmepumpe eine zentrale Stellung bei der Umstellung zu einem „Klimaneutralen Deutschland“ ein. Den Einbau von 400.000 Wärmepumpen pro Jahr annonciert Graichen bereits in einem Kurzinterview im selben Jahr. Kurze Zeit später bestellt ihn der neue Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zum Staatssekretär.

Die Genese der Studie „Klimaneutrales Deutschland“ ist deswegen interessant, weil darin die Wurzeln der vorerst verschobenen „Wärmewende“ zu suchen sind. Neben Graichens Agora ist auch die Stiftung Klimaneutralität von Rainer Baake eingebunden, der die Agora aus der Taufe gehoben hatte. Die Verantwortung für die Ergebnisse, so lässt sich dem Papier entnehmen, hatten jedoch Prognos, das Wuppertal Institut und das Öko-Institut. Letzteres findet sich immer wieder im Agora-Netzwerk bei Vertragsvergabe. Es ist aber auch deswegen so hervorhebenswert, weil dort gleich zwei weitere Mitglieder des Graichen-Clans tätig sind.

Verena Graichen ist Senior Researcher am Öko-Institut. Sie ist die Ehefrau von Michael Kellner, dem grünen Wahlkampfchef. Er ist Parlamentarischer Staatssekretär bei Habeck im Wirtschaftsministerium. Habecks Vorgänger Peter Altmaier berief sie in den Nationalen Wasserstoffrat. Jakob Graichen ist wie seine Schwester Senior Researcher am Institut – seit 15 Jahren. Im Zuge der medialen Berichterstattung über den Graichen-Clan, das BMWK und das Öko-Institut sah sich letzteres genötigt, in einer Stellungnahme die eigenen Positionen zu erklären. Dabei machte das Institut klar:

„Jakob und Verena Graichen koordinieren entsprechend einer internen Compliance-Regelung zur Vermeidung von möglichen Interessenkonflikten seit dem Regierungswechsel keine Akquisen für BMWK-Aufträge und haben keine Projektleitungen für vom BMWK vergebene Aufträge inne.“

Dass man im BMWK dennoch geneigt sein könnte, einem auf mehreren Ebenen freundschaftlich verbundenem Institut Aufträge zu vergeben, schließt das freilich nicht aus. Sie gehen dann eben nur nicht direkt an die Geschwister. Und wie so oft: der Anschein der Befangenheit, der Anschein der Vorteilsnahme, der Anschein von Vetternwirtschaft lässt vertrauen erodieren, wenn es auch tatsächlich anders sein mag. Um einen solchen Anschein insbesondere von Ministeriumsseite – weniger vonseiten des Öko-Instituts – auszuschließen, müsste man aus Rücksicht auf die eigene Integrität alles Mögliche tun. Eigentlich.

Eine Anfrage der Linkspartei hat nämlich aufgedeckt, dass das Öko-Institut nicht nur an der Studie beteiligt war, die das Heizungsgesetz vorbereitet hat; es war auch später beratend tätig, als es um den Gesetzesentwurf selbst ging. Zu den externen Beratern, die das Ministerium beauftragte, gehörte vor allem das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu), aber auch die Deutsche Energieagentur, die Stiftung Umweltenergierecht und Econsult. Der Auftrag für das Gutachten umfasste drei „Arbeitspakete“ mit 19 „Unterarbeitspaketen“. „Der Festpreis für alle Arbeitspakete des Gutachtens inklusive der separat zu beauftragenden optionalen Arbeitspakete beträgt insgesamt 1.809.695 Euro netto zuzüglich Mehrwertsteuer“, teilte Philipp Nimmermann, Graichens Nachfolger als Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, mit. Die Welt berichtete darüber als erstes.

Der Fraktionschefs der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, kritisierte das Vorgehen. „Es ist kurios, wie viele externe Dritte auf Steuerzahlerkosten die Bundesregierung bei der Erarbeitung des Heizungsgesetzes beraten haben, und dass dann dieser Murks dabei herauskommen konnte“, kommentierte er. Es sei „bemerkenswert, dass von all den Experten niemand den Hinweis gab, zuerst eine kommunale Wärmeplanung durchzuführen, wie die Linke es bereits Mitte April vorgeschlagen hat“. Das Heizgesetz sei undurchdacht und unseriös. „Dass die Ampel das GEG unverändert Anfang September beschließen will, ist ein Affront gegenüber Bundesverfassungsgericht und Bundestag“, so der Linken-Politiker.

Ifeu-Geschäftsführer Martin Pehnt wies Bartschs Vorwurf zurück: Bereits der erste GEG-Entwurf sei auf eine „Verzahnung“ mit der kommunalen Wärmeplanung ausgerichtet gewesen, erklärte Pehnt auf Nachfrage. Das Grundkonzept der zweiten GEG-Novelle habe „eine mögliche kommunale Wärmeplanung immer mitgedacht und ist damit über den Koalitionsvertrag hinausgegangen, der eine `stumpfe Einhaltung` von 65 Prozent Erneuerbare Energie für jede neu eingebaute Heizungen vorsah“.

Man könnte es auch so formulieren: das Ifeu korrigiert die Agora-Formel, aber so ganz wollte man sich im BMWK dann doch nicht von den üblichen Bekannten trennen. Im GEG steckte also nicht nur die Feder von Patrick Graichen selbst, sondern auch noch die des Instituts, wo die Geschwister arbeiteten. Dreifache Graichen-Power. Da konnte nichts schiefgehen – oder eben alles.

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