Tichys Einblick
Forderungen der oberen „Wirtschaftsweisen“

Abschaffung der Witwenrente, aber Zuwanderung von jährlich 1,5 Millionen

Die Forderungen der „Wirtschaftsweisen“ Monika Schnitzer sind wieder einmal zwei Schnapsideen, die die Aversion des Durchschnittsbürgers respektive der Durchschnittsbürgerin gegen „die da oben“, gegen die „abgehobene Elite“ weiter antreibt. Wie abgehoben ist Deutschlands Expertokratie-„Elite“ eigentlich?

Prof. Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Berlin, 22. März 2023

IMAGO / IPON

Ist es ökonomische Hyperkompetenz oder einfach nur Profilierungsgehabe, was die Vorsitzende der „Fünf Wirtschaftsweisen“, Monika Schnitzer, antreibt, wenn sie binnen weniger Tage erstens die Abschaffung der Witwenrente und zweitens die jährliche Zuwanderung von 1,5 Millionen Menschen nach Deutschland fordert? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass das wieder einmal zwei Schnapsideen sind, die die Aversion des Durchschnittsbürgers respektive der Durchschnittsbürgerin gegen „die da oben“, gegen die „abgehobene Elite“ weiter antreibt.

Nun also will die Vorsitzende des „Sachverständigenrates zur Beobachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Fünf Wirtschaftsweise“) Monika Schnitzer die Witwenrente, respektive die Witwerrente, abschaffen und durch ein Rentensplitting ersetzen. Hier die Begründung der mit zahlreichen Orden und Gremienmitgliedschaften ausgestatteten Professorin für „Komparative Wirtschaftsforschung“ an der Ludwig-Maximilians-Universität München:
„Die jetzige Regelung reduziert die Anreize, eine eigene Beschäftigung aufzunehmen.“

„Rentensplitting“ heißt nach Schnitzers Auffassung: Die während einer Ehe oder Lebensgemeinschaft erworbenen Rentenansprüche werden aufgeteilt. Stirbt ein Partner, erhält der oder die Hinterbliebene 50 Prozent der gemeinsamen Ansprüche, plus die eigenen aus der Zeit vor der Ehe. Hat ein Partner keine Beitragszahlungen geleistet, gibt es auch keine zusätzlichen Rentenzahlungen. Auf diese Weise müssten auch alleinstehende Beitragszahlende nicht zur Finanzierung von Rentenansprüchen für nicht erwerbstätige Partner beitragen, die selbst nicht in das System einzahlen, erklärte sie. Mit dieser Regelung sollen auch stärkere Arbeitsanreize geschaffen werden – vor allem für nicht erwerbstätige Partner.

Verräterisch

Frau Schnitzer, die mit einem Professor verheiratet ist und selbst drei Töchter hat, denkt nur in engen ökonomischen Dimensionen. Gesellschaftspolitisch oder gar familienpolitisch scheint sie blank zu sein. Für Frau Schnitzer ist die Frau, zumal als Mutter, eine rein ökonomisch zu funktionierende Größe. Wörtlich Schnitzer: „Die jetzige Regelung reduziert die Anreize, eine eigene Beschäftigung aufzunehmen“, sagte sie dem „Spiegel“. Und: „Noch immer subventionieren wir Nichtarbeit (sic!!!), bestrafen gelebte Gleichstellung – und schaden damit sogar unserem Wohlstand.“

Und: Die Witwenrente ist nicht mehr zeitgemäß: Warum sollte die Allgemeinheit Ehepartner absichern, die nicht arbeiten wollen? Das sei ungerecht und verschärft den Personalmangel. Zudem würden auf diese Weise „alleinstehende Beitragszahlende zur Finanzierung von Rentenansprüchen für nicht erwerbstätige Partner beitragen, die selbst nicht in das System einzahlen.“

Die Ökonomin vergisst dabei zu erwähnen, dass viele Frauen eben der Kinder wegen mehr oder weniger lange oder ganz zu Hause bleiben. Das wäre Zukunft! Oder weil sich viele Frauen um andere Verwandte gekümmert haben. Das ist Familie! Ganz abgesehen davon, dass das Etikett „nicht mehr zeitgemäß“ – wenn einem nichts anderes mehr einfällt – ein 08/15-Allerweltstotschlagargument ist.

Die Fakten

Derzeit beziehen mehr als vier von insgesamt 21 Millionen Rentnerinnen und Rentnern eine solche Hinterbliebenenrente, für die nicht sie selbst, sondern ihr gestorbener Ehepartner eingezahlt hat. Bei der großen Witwenrente erhält man 55 Prozent der Rente des Partners, die dieser normalerweise erhalten hätte. Die kleine Witwenrente beträgt 25 Prozent. Diese Ansprüche gelten für die während des gesamten Lebens des Partners eingezahlten Beiträge – auch wenn selbst keine Zahlungen geleistet wurden.

Darüber hinaus gibt es Einschränkungen, die deren Missbrauch verhindern helfen: So bestimmte eine Versorgungsordnung, dass der Ehepartner, der den Arbeitnehmer erst nach dessen Ruhestand geheiratet hat, von der Hinterbliebenenrente ausgeschlossen wird. Eine andere Regel machte den Anspruch der Witwe davon abhängig, dass die Ehe vor dem 55. Lebensjahr geschlossen wird und die Witwe zum Zeitpunkt des Todes zumindest 50 Jahre alt ist.

Eine weitere Regel legte fest, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht besteht, wenn der Ehepartner mehr als 15 Jahre jünger als der ehemalige Arbeitnehmer ist. In allen diesen Fällen klagten die überlebenden Eheleute. Und in allen Fällen gingen sie leer aus. Der Sinn hinter den Spätehen-Klauseln ist klar. Ehen, die nur zum Zwecke der späteren Versorgung geschlossen werden, sollen nicht gefördert werden.

Schnitzer: „1,5 Millionen Zuwanderer im Jahr erforderlich“

Als Maßnahme gegen den zunehmenden Fachkräftemangel hatte Monika Schnitzer wenige Tage zuvor erheblich mehr Zuwanderung vorgeschlagen. „Deutschland braucht 1,5 Millionen Zuwanderer im Jahr, wenn wir abzüglich der beträchtlichen Abwanderung jedes Jahr 400.000 neue Bürger haben und so die Zahl der Arbeitskräfte halten wollen“, sagte sie. Denn: Deutschland brauche dringend eine Willkommenskultur. Was diese Zuwanderer können, scheint der Wirtschaftsweisen egal zu sein. Wörtlich: „Wir sollten nicht für jeden Job fordern, dass die ausländischen Fachkräfte Deutsch können. Sondern dafür sorgen, dass die Mitarbeiter der Ausländerbehörde Englisch können.“

Um den Fachkräftemangel anzugehen, müsse Deutschland auch mehr in die Kinder investieren, forderte Schnitzer. „Es ist doch ein Armutszeugnis, dass jeder vierte Viertklässler nicht richtig lesen kann“, kritisierte sie. Zudem müssten die Firmen die älteren Beschäftigten bei Laune halten, damit die nicht vorzeitig in Rente gingen, führte die Ökonomin weiter aus.

Ja, so einfach ist das in der Blase der professoralen „Experten“-Gremien:

Immerhin hat die Bundesregierung Schnitzers Idee von der Abschaffung der Witwenrente – vermutlich populistisch motiviert – widersprochen. Die Bundesregierung sollte sich ansonsten aber einmal ernsthaft Gedanken machen, wie man das Unwesen der 25 „Räte“, dazu mehr als 30 „Beauftragte“, die es gibt, eindämmen kann und wen man dorthin wirklich berufen soll: „Räte“ für Bioökonomie, Corona, Datenethik, IT-Planung, Ethik, Forschung/Innovation/Wissenschaft (3 Gremien), Klima (2 Gremien) Normkontrolle, Umwelt (2 Gremien), und so weiter und so fort.

Zum unerfreulichen Schluss: Eines jedenfalls geht auf Dauer nicht gut, was ein Facebook-Schreiber ins Netz gestellt hat: „Die halbe Welt alimentieren und die Witwenrente in Frage stellen – genau mein Humor!“


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