Tichys Einblick
Überraschende Gäste

Bei Maischberger: Verkehrte Politikerwelt

Maischberger lädt zum Talk – und die Gäste überraschen. Denn Peer Steinbrück und Gerhart Baum vertreten Einstellungen, die man bei ihnen nicht erwartet hätte. Könnten sie das Parteibuch tauschen?

Screenprint ARD

Bei Maischberger hat die Sommerpause offiziell angefangen. Nicht etwa, weil sie selber in den Urlaub fährt, sondern weil die aktiven Politiker fernbleiben. Sonst kommen sie ja gerne, aber jetzt sind sie im Urlaub.

So soll der ehemalige Innenminister Gerhart Baum (FDP, angeblich) mit dem Selenskyj-Berater Alexander Rodnyansky über die Beschlüsse des Nato-Gipfels in Vilnius beraten. Soll die Ukraine der Nato beitreten? Baum wünscht sich einen Beitritt am liebsten sofort, widerwillig nach dem Ende des Krieges. Und bedient eine Rhetorik, nach der die Nato lieber sofort als gleich in den Krieg mit eintreten solle. Maischbergers Frage nach der russischen Atomwaffe wischt er vom Tisch: „Ach, die setzt er [Putin] doch gar nicht ein.“ Die Chinesen würden das zu verhindern wissen.

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Die Art und Weise, mit der Baum leichtfertig fordert, nicht nur Nato-Waffen zu liefern, sondern auch Soldaten, muss einen zurückzucken lassen – auch dann, wenn man eigentlich dafür ist, der Ukraine mehr von allem zu geben: Waffen, Munition, Panzer und Flugzeuge. Das Wort Kriegseifer wurde in den letzten Monaten überstrapaziert, aber zum ersten Mal scheint es zu passen. Dieses Mal zumindest lies Baum sich nur zum Ukraine-Konflikt aus. Dass seine politischen Ansichten kaum zur liberalen FDP passen, dass er sich anhört wie ein Grüner: Das kann nur mitgedacht werden.

Und noch einen ehemaligen Politiker hat man ins Studio gelockt: Peer Steinbrück. Und er macht deutlich, wie weit die SPD in so kurzer Zeit gefallen ist. Schon der erste Satz ist scharf gegen die Ampel gerichtet. Maischberger moderierte an, dass 70 Prozent der Bürger mit der Ampelregierung unzufrieden seien. Ob er mit der Ampel zufrieden sei? „Nein, ich würde Ihre Urteilsfähigkeit und die Ihrer Zuschauer und Zuschauerinnen beleidigen, wenn ich plötzlich in einen Lobgesang über diese Ampelregierung fallen würde.“

Das war noch nicht genug? SPD-Mann Lars Klingbeil ist mit dem Vorschlag, das Ehegattensplitting abzuschaffen, vorgestoßen. Ohne das mit der Regierung zu klären – Klingbeil ist ja eigentlich nicht Minister, aber prominenter Vertreter der Kanzlerpartei. „Man lässt doch nicht so einen Heißluftballon starten, ohne vorher die offenen Fragen zu klären.“ Scholz solle nicht nur davon reden, er würde die Regierung führen, er solle es auch tun. Und obwohl er die Heizungspläne für grundsätzlich richtig hält, bemängelt er „kommunikative und handwerkliche Fehler“. Die schärfste Kritik braucht keine Polemik.

Natürlich kann Steinbrück sich nicht ganz von der SPD-Folklore lossagen. Wäre er noch aktiver Politiker, erklärt er, würde er die Erbschaftsteuer erhöhen. Und für Bildung fordert er mehr Geld. Gut, die Bildungsausgaben haben sich seit 2000 mehr als verdoppelt. Aber noch mehr Geld wird die Probleme im System sicherlich lösen! Auch will er in der Partei die Linke partout eine demokratische Nachfolgepartei der SED sehen; ganz so, als sei sie nicht in Wirklichkeit eine umbenannte Mauermörderpartei.

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Über Lindners Finanzpolitik äußert er sich positiv. Steinbrück weiß, dass die Mittel des Staates nicht endlos sind, die Kostenstellen für den Staat aber nur wachsen. So hat sich die Bundesregierung (wieder einmal) verpflichtet, das Nato-Ziel, zwei Prozent des BIP in Verteidigung zu investieren, zu erreichen. Doch wegen der Schuldenbremse muss das in Zukunft ohne immer neue „Sondervermögen“, die Schulden sind, geschafft werden. Gleichzeitig müssen die Schulden der Corona-Politik zurückgezahlt werden, er möchte mehr Geld für Klimaschutzausgeben, und der demografische Wandel reduziert die arbeitende Bevölkerung.

Selbst wenn man Steinbrück nicht in allem zustimmt: Als Zuschauer muss man sich fragen, was mit der „alten Tante“ passiert ist. Wenn SPD-Politiker in Talkshows sitzen, dann stets der linke Flügel, der die Ungerechtigkeit des Sieges Westdeutschlands über die DDR noch immer nicht verziehen hat. Es sind Kevin Kühnerts und Saskia Eskens, deren Antwort auf jedes Problem der Welt immer nur Steuergeldverbrennung ist. Was ist mit der SPD passiert, die wusste, dass Aufstieg auch gute Arbeit braucht und gute Arbeitsplätze nicht Marx-gegeben vom Himmel fallen?

So schließt sich dann die Sendung. Zwei ehemalige Lenker der Bundesrepublik. Zwei Politiker, die einen überraschen müssen ob ihrer Ansichten. Der eine Politiker, von dem man froh ist, dass er kein Mandat mehr hat, und derjenige, von dem man es sich wünscht, dass er es noch hätte. Welcher welcher ist, muss jeder für sich entscheiden, so lange er noch lebt.

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