Tichys Einblick
Aktuelle Stunde

Politik der Ampel drängt die Frage auf: Ist „Standort Deutschland in Gefahr“?

Die deutsche Wirtschaft geht den Bach runter. CDU und AfD führen die Ampel in einer Aktuellen Stunde im Bundestag entsprechend vor. Deren Vertreter fallen nur drei Argumente dagegen ein.

IMAGO / Achille Abboud

Friedrich Merz hat es im Bundestag einfach: Der CDU-Vorsitzende muss nur frisch veröffentlichte Kennzahlen vortragen: 132 Milliarden Dollar haben die Unternehmen im vergangenen Jahr an Kapital aus Deutschland abgezogen. Die Zahl der Unternehmen, die in Insolvenz gegangen sind, ist deutlich gestiegen. Die Arbeitslosigkeit war im Juni um fast 200.000 Betroffene höher als im Juni 2022. Deutschland liegt im Vergleich der Wirtschaftsnationen auf einem der letzten Plätze, wenn es um Wachstum geht.

Angesichts dieser Zahlen hat die Union eine Aktuelle Stunde in den Bundestag eingebracht. Die sieht den: „Standort Deutschland in Gefahr“. Angesichts dieser Lage stellt Merz die Frage: „Sind wir uns eigentlich noch einig darüber, dass Deutschland ein Industrieland bleiben muss?“ Angesichts der Politik des Wirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) kämen ihm Zweifel, ob die Bundesregierung diese Frage noch mit Ja beantworten würde. Denn: „Das Wort Wettbewerbsfähigkeit kommt in ihren Reden so gut wie nie vor“, sagte Merz an den anwesenden Habeck adressiert.

Die Ampel hat den schlechten Wirtschaftsdaten etwas entgegenzusetzen: eine Sprachregelung. Die verheerenden Zahlen nennt sie „Herausforderung“. Gerne in der sprachlichen Kombination verniedlicht: „Ja, es gibt Herausforderungen.“ Aber die Ampel tue ja etwas, indem sie erneuerbare Energien ausbaue und die Einwanderung von Fachkräften erleichtere. Dazu kommt der Krieg in der Ukraine als Begründung für die schlechten Zahlen. Mit ihrer Sprachregelung gehen die Vertreter der Ampel am Inhalt der Aktuellen Stunde vorbei. Aber eine Sprachregelung ist ja auch nicht da, um auf andere Positionen einzugehen – sondern um diese abzubügeln.

Merz hält der Bundesregierung indes die Kosten vor, die eine „überbordende Bürokratie“ in Deutschland verursachen würde: 17 Milliarden Euro im Jahr. Im vergangenen Jahr seien weitere 720 Millionen Euro dazugekommen. Und allein im ersten Halbjahr 2023 seien es nochmal weitere 570 Millionen Euro Aufwuchs gewesen. Der CDU-Chef machte an einem Beispiel deutlich, auf welch absurde Weise Deutschland mit Bürokratie seiner Wirtschaft den Hals zudrückt: Wenn ein Pharmaunternehmen eine klinische Studie zu einem neuen Medikament durchführen wolle, müsse es dafür 17 Zustimmungen von Datenschutzbeauftragten einholen – und 54 Stellungnahmen von Ethik-Kommissionen. Dem hat Bernd Westphal (SPD) entgegen zu halten, dass es in der Pandemie und im Krieg ein „starkes Krisenmanagement“ gegeben habe. Die Wirtschaft mag zusammenbrechen – die Sprachregelung der Ampel nicht.

Leif-Erik Holm (AfD) warf der Ampel vor, dass sie „vor lauter Ideologie blind“ sei und mit ihrer Politik Deutschland auf den „Weg in die Steinzeit“ bringe. Entscheidend sei dabei die Energiepolitik. Während aus Deutschland das Kapital fliehe, wie die Studie des „Instituts der deutschen Wirtschaft“ gezeigt hat, wandere das Kapital nach Frankreich. Weil dort dank Atomkraftwerken genug Strom da und bezahlbar sei. Da reiche es dann auch nicht, die Genehmigungsverfahren für Windräder zu verkürzen – sie müssten in allen Bereichen kürzer werden.

„Ja, es gibt Herausforderungen“, hält sich Sandra Detzer (Grüne) an die Sprachregelung. Aber das sei halt wegen Putin und so. Aber mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz werde alles besser. Für diese These nennt Detzer einen Kronzeugen: Das Unternehmen „Ernst and Young“. Das habe Deutschland bescheinigt, international aktuell der beste und modernste Standort zu sein.

Julia Klöckner erinnert die grüne Abgeordnete daran, wer ihr Kronzeuge sei: Ernst and Young sind die Wirtschaftsprüfer, die für Wirecard zuständig waren und den Zusammenbruch nicht haben kommen sehen. Das Versagen war so umfassend, dass die Deutsche Wirtschaftsprüferaufsicht jüngst beschlossen hat, Ernst and Young dürfe für zwei Jahren kein Unternehmen mehr als Kunden annehmen, das von öffentlichem Interesse sei. Viel wert ist es also nicht, wenn ein solches Unternehmen einem die Qualität eines guten Standorts bescheinigt – aber man nimmt, was man kriegt. Und ein anderes Lob erhält grüne Wirtschaftspolitik derzeit nicht.

Klöckner moniert, dass der Ampel zum Thema Standort Deutschland nicht viel einfalle. Stattdessen seien deren Vertreter auf ein anderes Thema ausgewichen und hätten Merz vorgeworfen, dass es ihm nicht gelungen sei, die AfD wie angekündigt zu halbieren. Nur gäbe es halt auch einen Zusammenhang, sagt Klöckner, zwischen den miserablen Wirtschaftsdaten und dem Aufstieg der AfD: „Wenn Sie besser regieren würden, müssten die Leute nicht so einen Hals auf die Politik haben.“
Wie Merz erinnerte Klöckner an die fatalen Wirtschaftsdaten: Abwanderung des Kapitals, Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Unternehmens-Insolvenzen. Ob denn die Arbeitsagentur, das Statistische Bundesamt oder das Institut der deutschen Wirtschaft Fake-News verbreiteten, wenn die Ampel diese Daten relativierten?
Ein Beispiel, wie gut die Ampel mittlerweile im Relativieren ist, zeigte im Anschluss Sebastian Roloff (SPD). Ja, schon, das Bruttoinlandsprodukt sei rückläufig. Herausforderungen, Krieg und so weiter. Aber das Bruttoinlandsprodukt sei ja „nur leicht rückläufig“. Obwohl so viele Menschen wie noch nie nach Deutschland einwandern, ist die Wirtschaftsleistung rückläufig und sinkt entsprechend der Wohlstand der Menschen mehr als „nur leicht“. Aber das liegt außerhalb der Sprachregelung der Ampel – und damit außerhalb des Kosmos von Sebastian Roloff, SPD.

Anzeige
Die mobile Version verlassen