Tichys Einblick
Bremische Bürgerschaft

Kein Handschlag mit Bündnis Deutschland

In Bremen exerzieren Rote und Grüne antidemokratische Spiele gegen die Opposition. Die „demokratischen Parteien“ dulden keine Mitbewerber. Ein Schreiben des Vorsitzenden des Bündnis Deutschland an die SPD bleibt bisher unbeantwortet.

Screenprint: via Twitter

Dass es rechts von der CDU/CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, ist ein seit 2013 oft bemühter Spruch von Franz Josef Strauß. Mit der AfD sitzt nun in fast jedem Bundesland eine solche Partei; im Bund ist sie kontinuierlich seit 2017 vertreten. Dass man sich aufseiten des übrigen Parteienspektrums damit nicht arrangieren möchte, findet seinen Niederschlag, wenn Parteivertreter sich selbst als „demokratische Parteien“ bezeichnen, was insinuiert, die AfD sei eben keine „demokratische Partei“. Das Strauß’sche Diktum besteht somit theoretisch fort – auch wenn es den Schönheitsfehler besitzt, dass nun auch die Linkspartei als „demokratische Partei“ gilt und ein FDP-Vorsitzender deren Wahl als Ultima Ratio erwägen kann (oder eben nicht).

Von freier Marktwirtschaft hält man in der politischen Kultur wenig. Das hängt möglicherweise damit zusammen, dass der Geist der Politiker malthusisch geprägt ist. Mehr Tellerbesitzer am Kuchenrand sorgen dafür, dass der Kuchen kleiner wird. Die planwirtschaftliche Verteilung des Kuchens unter den Parteien leuchtet den Messer- und Gabelbesitzern daher ein. Insofern ergibt der Ausspruch von Cem Özdemir über die Messer- und Gabellosen tatsächlich Sinn: Ihnen ist nichts vom Kuchen vergönnt. Zu den Menschen, die ohne Messer und Gabel essen, gehören AfD-Mitglieder wie AfD-Wähler. Und das soll so auch bleiben.

Bündnis Deutschland in Bremen
Wie bei der AfD: Die Parteien diskriminieren die Opposition
Dass einige Parteien gleicher sind als andere, könnte man eigentlich als undemokratisch betrachten. Doch was demokratisch ist, legen die „demokratischen Parteien“ fest. Ein Schachzug, auf den die Demokratie nicht vorbereitet war, denn seitdem wird demokratisch höchstens als verschämtes Adjektiv beigegeben, indes Parteien als Subjekt groß ausgeschrieben werden.

Es geschieht demnach der übliche Lauf, wenn die Großen sich untereinander absprechen. An die Stelle des Marktes tritt das Kartell. Bekanntlich konnte man bereits im Mittelalter ohne Zunftzugehörigkeit kein Handwerk ausüben. Und wer den modernen Zünften nicht angehört, hat auch keinen Zugang zum Zunftmahl, zu dem in Köln die berühmte zweizackige Gabel (Gaffel) gehörte. Damit wären wir neuerlich bei Messer und Gabel, aber diese Geschichte wurde schon an anderer Stelle genügend ausgewalzt.

Um es kurz zu machen: Während die AfD wegen Kuchen- und Zunftmahlausschluss bereits seit einigen Jahren gegen die Türe der Kartell- und Kuchenparteien tritt, meldet sich seit einiger Zeit ein neuer Messer- und Gabelloser. Es handelt sich um das Bündnis Deutschland (BD). Mit 9 Abgeordneten besitzt das BD Fraktionsstärke. Als Romane hat man zwar Vorurteile, wenn sich eine Partei als „das BD“ abkürzt, aber nun denn. Es ist ja nur eine kleine Fraktion in einem kleinen Bundesland. Doch das ist den Kartell- und Kuchenparteien bereits zu viel. Denn auch ein kleiner Kuchen ist ein Kuchen. Man denke an Freundschaften, die über einen banalen Streit um einen Kosakenzipfel in die Brüche gegangen sind.

Freundschaft ist ein gutes Stichwort. Man muss sich die Herzlichkeit der Umarmungen vor Augen führen, mit denen auch fraktionsfremde Kollegen nach gewonnener Wahl in der Bremischen Bürgerschaft begrüßt werden. Verschiedene Fraktionen, aber eine demokratische Familie. Beobachten wir Sahhanim Görgü-Philipp (Grüne), so können sich selbst Ursula von der Leyen und Giorgia Meloni einiges abschauen. Görgü-Philipp ist die neue Landtagsvizepräsidentin, in einem Video unten links zu beobachten. Nur wenn ein BDler vorbeikommt, wird es frostig. Dann reicht es nicht einmal mehr zum Handschlag.

Wir leben in einer funktionierenden Demokratie. Anderen Parteien verweigert man den Handschlag, wenn sie eine unpassende politische Meinung haben, und frisch gewählte Ministerpräsidenten bekommen einen Blumenstrauß vor die Füße gepfeffert, wenn er Stimmen von einer Partei erhält, die nicht zu den „demokratischen Parteien“ zählt. Es handelt sich um eine Demokratie der „demokratischen Parteien“. Der Gegensatz zu einer „Demokratie der demokratischen Parteien“ ist nicht etwa eine Monarchie oder Diktatur, sondern eine Republik.

Das mag überraschen, aber auch eine Republik kann eine Monarchie sein, etwa die Polnische Adelsrepublik mit ihrem Wahlkönigtum. Republik bedeutet für die meisten nur die Abwesenheit der Alleinherrschaft. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Republik bedeutet „öffentliche Sache“ und nicht etwa „kein König“. Es bedeutet, dass es Gegenkontrollen, Ämterrotation, und Machtbegrenzung gibt. Und dass diese Mechanismen funktionieren. Der republikanische Gedanke findet sich in dem Motto „Check & Balances“ wieder und nicht in den Worten von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Die Schlechteste aller Regierungsformen
Angekommen in der Kakistokratie
Das real-existierende System der Kuchen- und Kartellparteien ist deswegen im Grunde nicht an einer Demokratie oder Republik interessiert. Das widerspräche dem eigenen Wesen. Der Bundesvorsitzende Steffen Grosse versucht es dennoch mit dem, was man eine „demokratische Tugend“ bezeichnen würde. Er wendet sich in einem Brief an den Bürgermeister Bovenschulte. Er lädt ihn herzlich zu einer Tasse Tee ein. Zitat:

„Mit dem ‚Fernhalten von Bündnis Deutschland von Verantwortung‘ vergiftet die Bremer Koalition das Klima in der Bremer Bürgerschaft von Anfang an. Ich versichere Ihnen, dass die Wähler das sehr genau bemerken und ihre Schlussfolgerungen ziehen. Wenn Sie sich fragen, warum die Bürger immer wütender werden und immer weniger die etablierten Parteien wählen, dann liegt das auch an der arroganten Art des Umgangs, wie Herr Mustafa Güngör sie nun zeigte. Meine dringende Bitte ist, zu einer normalen Zusammenarbeit mit demokratisch gewählten Kräften zu kommen. […] Zeigen Sie Flagge für einen neuen Politikstil – auch in Bremen. Lassen Sie uns ins Gespräch kommen.“

Grosse geht von einem republikanischen Staatswesen aus, wo Konsens und Diskussionskultur eine Rolle spielen. Doch aus Sicht der SPD ist er höchstens ein Bettler, der an die Zunfttüre klopft, indes man den Nachtisch unter den Genossen verteilt. Dass hungrige Bettler irgendwann in die heile Welt der Kuchen- und Kartellparteien mit Mistgabeln und Revolutionsrufen eindringen könnten, steht nicht auf der Tagesordnung.

Aktualisierung um 14:00 Uhr:
In einer früheren Version des Artikels hieß es, das BD habe 7 Abgeordnete. Richtig muss es lauten: es sind 9 Abgeordnete.

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