Tichys Einblick
Achtung, Glosse!

Angebliches Fleischverbot im Ministerium: Ein Mitarbeiter von Özdemir redet Klartext

Hetzer wie die CSU behaupten, Cem Özdemir wolle Fleischkonsum verbieten. Stimmt nicht, das will er nur für seine eigenen Mitarbeiter bei eigenen Veranstaltungen. Solch dreiste Hetze zersetzt die Demokratie und stärkt die AfD. Einer seiner Mitarbeiter zeigt Haltung und sagt TE-Lesern, wie es wirklich ist.

"Ja, Chips gehen... noch."

IMAGO / BildFunkMV

„Wissen Sie, es ist nicht leicht, ein Landwirtschaftsminister zu sein. Wenn man sich nicht gerade auf der Straße mit Passanten rumschlagen muss, die einem durchs Bild rennen, dann wird man, obwohl man sowohl auf der Straße als auch in Talkshows, ein Freund klarer Worte ist, hoffnungslos missverstanden. Die Leute hören einfach nicht genau genug hin und missverstehen die Dinge absichtlich. Oder sie sind einfach zu doof. Wahrscheinlich sind es TE-Leser ohne Besteck, was soll man da auch erwarten?

Und schon wieder beschwert sich der Pöbel – man kommt ja kaum zum Regieren so! Angeblich wolle Özdemir den Leuten das Essen von Fleisch verbieten. Was für ein Blödsinn! Er hatte doch noch Ende 2022 eindeutig gesagt: „Ich möchte den Leuten nicht vorschreiben, was sie essen sollen.“ Eindeutiger geht es nicht.

Dennoch empören sich nun die Menschen, dass das Catering per Hausanweisung bei Veranstaltungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) prinzipiell nur noch vegetarisch ist und zu 100 Prozent aus Bio-Produkten besteht. Ein typisches Beispiel für Schwurbler mit Lesestörung. Zunächst muss festgehalten werden, dass Özdemir ja nur gesagt hatte, er „möchte“ es nicht, aber als verantwortungsvoller Politiker weiß er nunmal auch, dass manchmal getan werden muss, was getan werden muss. Es fiel ihm nicht leicht, reicht das?

Außerdem sprach er ja von „den Leuten“, was aber eine andere, allgemeinere Gruppe ist als „meine Leute“. Wer sinnerfassend lesen gelernt hat, ist also klar im Vorteil. Trifft leider, neben der Fingerfoodfraktion von Tichys Einblick, auch auf die CSU zu, die nach der Anfrage der Union im Bundestag einfach mal auf Instagram behauptete, Özdemir verhänge ein „Fleischverbot in seinem Ministerium“. Pure Lüge! Gott sei Dank gibt es die nützlichen Idi…äh…gründlichen Faktenchecker des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND), die da sofort nachhakten. Die Behauptung stimmt natürlich nicht, denn das Verbot gilt nur für Veranstaltungen des Ministeriums selbst. Am Tag der offenen Tür gibt’s eine Ausnahme, ebenso während den „Empfängen im Rahmen der Grünen Woche“. Quasi Los Wochos beim BMEL. Und wer aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen doch noch mal Fleisch möchte, kann versuchen, dafür eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, allerdings muss er dafür zuerst den Passierschein A38 erhalten. Die Überreste des bislang einzigen Antragstellers wurden erst vor einigen Wochen in einem der Treppenhäuser des BMEL gefunden, in seiner Hand hielt er ein Bündel diverser Wartenummern aus verschiedenen Abteilungen noch fest umklammert.

Oh nein! Nun denn, die Genoss…äh…Journalisten beim RND hatten dankenswerterweise nicht nur darauf hingewiesen, dass von den Behauptungen der CSU „fast nichts stimmt“ – also wenn man richtig interpretiert –, aber auch den zahlreichen Hasskommentaren wie „kranke Typen“ und „grüne Diktatoren“ die moderate Kritik „etlicher Nutzerinnen und Nutzer“ entgegengesetzt. So zum Beispiel die äußerst neutrale, gemäßigte und wohlerwogene Stellungnahme einer Grünen-Stadträtin aus Bergisch Gladbach: „Ihre Hetzerei ist ein Schlag ins Gesicht für die Demokratie!“ You go, girl, das drängt die AfD garantiert wieder unter 10 Prozent!

Nebenbei: Es ist ja nicht so, dass vegetarisches Essen schlecht wäre, im Gegenteil. Das BMEL berichtet stolz, dass man „bislang auf eine vegetarische Bewirtung nur positive Rückmeldungen erhalten“ habe. Gut, das mag auch daran liegen, dass die Mitarbeiter des BMEL mittlerweile überhaupt froh sind, wenn sie etwas zu Essen bekommen, denn laut einem Bericht von agrarheute gibt es am Berliner BMEL aufgrund der strengen Vorschriften keinen Cafeteria-Betreiber mehr. Niemand konnte sich bislang erfolgreich auf die eng gefassten Vorgaben bewerben.

So erklärt sich dann auch, dass ausgerechnet beim Tag der offenen Tür, wenn man sich der Außenwelt von seiner besten Seite zeigen möchte, auf dieses kompromisslose Menü rein vegetarischer Freuden verzichtet wird. Denn die eingefleischten Fans des BMEL – Sie verzeihen das Wortspiel – bringen unserer Sache zwar viel Verständnis entgegen, sind aber noch nicht so weit wie unsere eigenen Mitarbeiter und leben daher noch immer nach dem bedauernswerten Motto: besser Fleisch als gar kein Essen. Aber geben Sie dem Minister noch ein paar Monate, dann kriegen wir das auch noch hin. Er möchte das zwar nicht, aber was sein muss, muss sein.“

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