Tichys Einblick
Einwanderung von Unqualifizierten

Utopisches Gesetz: Die Ampel fährt mit Vollgas in die Kurve

Die Ampel hat ein Gesetz zur „Fachkräfteeinwanderung“ im Bundestag durchgesetzt. Es locke vor allem Unqualifizierte und Einwanderer in die Sozialsysteme, kritisiert die Opposition. Tatsächlich reicht künftig wenig, um als Fachkraft zu gelten.

IMAGO/photothek

Knapp zwei Millionen offene Stellen gab es nach Angaben der Bundesregierung zum Jahreswechsel. Betroffen seien vor allem Pflege, Bau, Gesundheitsbranche, die Kinderbetreuung und die IT-Branche. Das macht den deutschen Arbeitsmarkt zum Mirakel: Die Wirtschaft ist gleich zweimal in Folge geschrumpft – trotzdem gibt es so viele Beschäftigte wie noch nie und fehlen so viele Arbeitskräfte wie noch nie. Zumindest nach den offiziellen Angaben. Eins von den Dreien kann nicht stimmen.

Daher lohnt ein näherer Blick. Etwa auf das Jobwunder: Wo kommt es her? Zum Beispiel aus der Verwaltung: 5,2 Millionen arbeiten laut Statistischem Bundesamt mittlerweile im öffentlichen Dienst. Allein im vergangenen Jahr hat der Staat 106.000 zusätzliche Fachkräfte vom Arbeitsmarkt abgezogen. Hinzu kommen starke Stellenzuwächse in der Pflege.

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Dieses deutsche „Jobwunder“ beruht also nicht auf einer starken Wirtschaft, sondern auf einer ausufernden Verwaltung und einer hilfsbedürftiger werdenden Gesellschaft. Eben dieser Verwaltung verschafft die Ampel jetzt mehr Arbeit. So lautet zumindest die Kritik von Andrea Lindholz (CSU). Sie sieht im Gesetz zur „Fachkräfteeinwanderung“ ein „Bürokratiemonster“. Die Verwaltung werde mehr zu tun bekommen. Die Ursache dafür sei die „Chancenkarte“. Mit der will die Ampel das Problem unqualifizierte Arbeitnehmer abschaffen – indem sie „unqualifizierte“ Arbeitnehmer einfach „qualifizierte“ Arbeitnehmer nennt.

Mit der „Chancenkarte“ einwandern soll laut Gesetz, wer in seinem Heimatland studiert oder eine Berufsqualifikation erlangt hat, die dort anerkannt ist. Aber auch, wer ausreichend gut Deutsch spricht. Wobei die Ampel das Niveau auf B2 festgelegt hat. Im Entwurf. Kurz vor der Abstimmung hat sie es dann auf A1 gesenkt. Dafür genügt ein Wortschatz von 300 Wörtern. Über den verfügen Grundschüler, nachdem sie wenige Monate Fremdsprachenunterricht hatten. Wer aber gar kein Deutsch spricht, sondern ein wenig Englisch, der kann ebenfalls mit der „Chancenkarte“ nach Deutschland einwandern.

Um eine „Chancenkarte“ zu erhalten, muss der Einwanderer „Punkte“ sammeln. Die gibt es für jemanden, wenn er eine Ausbildung hat, Deutschkenntnisse oder einen Studienabschluss. Aber Punkte erhält er auch für Englischkenntnisse oder Berufserfahrung. Wenn er jünger als 40 Jahre alt ist. Oder wenn er gar nichts davon erfüllt – aber der Lebenspartner bereits ausreichend Punkte gesammelt hat.

Das Gesetz bringe somit „vor allem die Zuwanderung für Unqualifizierte aus aller Welt und ein Bleiberecht für Ausreisepflichtige“, kritisiert Lindholz. Das sei „nicht die Lösung für unser Fachkräfteproblem in Deutschland“, sagt die Christdemokratin. Der Ampel gehe es vielmehr darum, die Begrenzung der Einwanderung zu beenden – „weil sie in Wahrheit die Begrenzung aufgegeben haben“.

Auftritt Konstantin von Notz. Er ist Grüner. Was sind für ihn Bürger, die rot-grüne Einwanderungspolitik kritisieren? „Ideologisch verbohrte Leute“. Immerhin: Er hat nicht Nazi gesagt. Für Leute mit Anstand und Debattenkultur mag das wenig sein. Für Konstantin von Notz ist das ein Quantensprung. Nach ihm kommt Arbeitsminister Hubertus Heil. Er spricht in dem Zusammenhang von „Rechtsextremen“. Er ist Sozialdemokrat und Berufsfunktionär. Die Latte kann für Heil nicht niedrig genug liegen.

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Norbert Kleinwächter (AfD) macht auf den Qualitätsverlust aufmerksam, den der deutsche Arbeitsmarkt erlebe: 250.000 gut Qualifizierte kehrten Deutschland jedes Jahr den Rücken, diese wolle die Ampel nun durch gering Qualifizierte ersetzen: „Sie machen Deutschland zum Ramschland.“ Das Gesetz diene nur dazu, Glücksritter anzulocken. Kleinwächter stellt die Frage, was aus den Besitzern einer „Chancenkarte“ wird, die keine Arbeit finden? Schließt die Bundesregierung für sie Rücknahme-Abkommen ab oder stoßen sie zu den 350.000 ausreisepflichtigen Migranten, die es jetzt schon in Deutschland gebe?

Konstantin von Notz verteidigt das Gesetz damit, dass es die wichtigste Bremse der Wirtschaft löse. Wie die Ampel auch betont er die „Blaue Karte“. Sie soll an Hochqualifizierte vergeben werden, die nach Deutschland wollen. Die „Blaue Karte“ sei das „zentrale Element“ des Gesetzes, wie es im Entwurf heißt. Gelinge es, diese Topleute in der Menge anzulocken, wie sich die Ampel das vorstellt, dann würden die Stellen qualifiziert besetzt und der Staat mehr Steuern und Abgaben an die Sozialversicherung einnehmen – allein 75 Millionen Euro in der Rentenversicherung.

Nur: Wollen diese echten Fachkräfte denn nach Deutschland? Auch andere Länder werben um echte Fachkräfte aus dem Ausland. Die USA tun das, Japan, die Schweiz oder Norwegen. In diesen Ländern sind die Steuern und Abgaben deutlich niedriger. Von dem Wohlstand, den sie erwirtschaften, können die Topleister entsprechend deutlich mehr behalten. In Deutschland müssen sie den Personalaufwuchs in der Verwaltung mitfinanzieren – und die Zunahme von Bürgergeld-Beziehern.

Wollen also die echten Fachkräfte nach Deutschland? Nein. Das sagen nicht „ideologisch verbohrte Leute“ – auch nicht die „Rechtsextremen“. Es ist Lamya Kaddor (Grüne), die an der Attraktivität Deutschlands für Topleute zweifelt: „Fachkräfte, die kommen und bleiben, sind eher die Ausnahme.“ Warum unterstützt sie dann das neue Einwanderungsgesetz?

Für Kaddor wie für die gesamte Ampel liegt es an der fehlenden „Willkommenskultur“, warum Topleute nicht nach Deutschland wollen. Auch an der Bürokratie, die sei bisher zu kompliziert gewesen. Deswegen hat die Ampel nun eine „schlanke“ Regelung beschlossen – auf 114 Din-A-4-Seiten. Mit dem neuen Gesetz werden die Topleute nach Deutschland strömen – trotz hoher Steuern und Abgaben. Ungebildete werden mit der „Chancenkarte“ ratzfatz selbst zu Topleuten, die bereit sind, knüppelhart zu arbeiten für kaum mehr Geld als beim Bürgergeld. So die Vision der Ampel. Und was, wenn es doch anders kommt? Dann hat die Ampel die Bremse gelöst – und fährt mit Vollgas in die Kurve.

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