Tichys Einblick
Kein Geld für Kultur

Kunst raus – Wärmepumpe rein

Die Bildergalerie von Sanssouci muss schließen – auch wegen gestiegener Heizkosten. Gemälde von Weltrang, darunter ein Caravaggio, bleiben dann hinter verschlossenen Türen. Ein Beispiel, das zeigt, was im Kulturbetrieb falsch läuft.

IMAGO / UIG

Caravaggio ist der größte Maler aller Zeiten. Punkt. Damit wäre der Artikel eigentlich bereits am Ende – müsste nicht selbst der lombardische Meister unter der deutschen Dysfunktionalität leiden. Heimlich still und leise hatte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten den Meister des Chiaroscuro einmotten wollen.

Denn ab 2024 soll nicht nur das Schloss Glienicke, sondern auch die Bildergalerie im Potsdamer Sanssouci Park schließen. Als Gründe nennt die Welt „Tariferhöhungen wie Kostensteigerungen für Heiz- und Baukosten“. Inflation und Preissteigerung fressen die Kultur auf. Von Einsparungen bis zu 300.000 Euro ist die Rede.

Während im Bundestag darüber debattiert wird, wie man flächendeckend bis in die letzte Ecke der Republik eine Wärmepumpe installiert und Abermilliarden zur Klimarettung ausgibt, fällt der Kulturschatz der Nation wegen eines vergleichbar kleinen Betrags der Stiftungsplanung zum Opfer. Wir schalten Außenbeleuchtungen ab, den Ofen der Bäcker aus, sehen uns zu „freiwilligem Verzicht“ gezwungen, wollen nicht mehr grillen – da fällt ein Caravaggio kaum ins Gewicht.

Zum Vergleich: Manche Öko-Organisation erhält für einen Jahresauftrag ähnliche Summen. Aber auch Weltkulturerbe ist nur eine relative Größe, angesichts der Jahrtausendaufgabe Klimawandel. Wie die Klimapropheten zu Alten Meistern stehen, durfte der Beobachter schon bei manchem Museumsbesuch erfahren. Savonarola war wenigstens noch so ehrlich, die Kunstwelt von Florenz direkt zu konfrontieren, statt sie nur über Umwege zu zerstören.

Es gibt ihn: den Caravaggio-Fanatiker. Er reist in fremde Städte, nur um die Gemälde dieses einen Künstlers zu sehen. In Berlin wissen viele nicht einmal, dass es neben „Amor vincit omnia“ noch ein zweites Caravaggio-Gemälde gibt. Es handelt sich um jenen „Der ungläubige Thomas“ der in der Bildergalerie von Sanssouci hängt. Könnte man ihn in ein anderes Museum, eine andere Galerie transportieren? Nach offiziellen Angaben sei das Meisterwerk zu fragil dafür.

Der Caravaggio ist natürlich eine Chiffre. Er steht für eine ganze Kollektion von Meistern, darunter auch Rubens, Van Dyck, Rembrandt, Correggio. Aber es ist der „Thomas“, der weltberühmt ist. Es ist Caravaggio, der die Faszination auf sich zieht. Während Deutschland jede abgründige Kulturbewegung subversivster Künstler feiert und mit ihnen die Zukunft begeht – auch monetär –, so bleibt der geheimnisvollste und subversivste Künstler aller Zeiten in die Ecke gedrängt.

Chiaroscuro, der Effekt rund um Licht und Schatten, das gilt auch für das Leben Caravaggios. Eigentlich die perfekte Vita, die man im linken Spektrum anhimmeln würde. Aber die sich als ökologisch, antirassistisch, inklusiv und weltmännisch gerierende grüne Seele ist zuletzt doch nur eine piefige Krämerseele, die nicht weiß, was schön, was gut, was wahr ist.

Man ist bereit, sich für seine kleine Ideologie an die Füße von Giganten zu kleben, um sich größer zu machen. Und man verfrachtet Giganten in den Keller, weil kein Geld zur Verfügung steht, vergibt zugleich aber Milliardenförderungen an Stiftungen und brummt dem Bürger Millionen andere Pläne auf. Zu diesen (politischen) Plänen gehört auch, dass es für die Gärten Sanssoucis keine Eintrittspreise geben durfte. Es ist Geld, das nun der Bildergalerie fehlt, insbesondere, wenn ab 2024 die Stadt Potsdam die Schlösser nicht mehr bezuschusst.

Ungläubig wie Thomas könnte man auf den Vorgang sehen. In der Kulturwelt dominieren Auseinandersetzungen über koloniales Erbe, die Rückgabe vermeintlicher Beutestücke und die Umbenennung von Stiftungen, weil sie das Wort „Preußen“ enthalten. Eine Außenministerin entfernt ein historisches Kreuz aus dem Münsteraner Ratssaal, um auf Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen, die es nicht gibt. Die Kulturstaatsministerin gerät wegen Hollywoodreisen oder antisemitischen Ausstellungen in die Schlagzeilen, doch es ist zweifelhaft, ob sie die Tragweite dessen begreift, was derzeit in Potsdam geschieht.

Nun ist die funktional-effiziente Ader der Deutschen kein Geheimnis. Friedrich II. war als Begründer der Galerie unter den Preußen eher Ausnahme denn Regel. Vor- wie Nachfahren hätten für den Firlefanz kaum etwas übriggehabt, sieht man vielleicht von Friedrich Wilhelm IV. ab. Militär, Technik, Infrastruktur, das sind „gute“ Investitionen, im Gegensatz zur dekadenten Verschwendungssucht der Welschen.

Dieser puritanische Geist lebt heute bei den Grünen fort. Im Zweifel leben wir mit pflanzlichem Fleischersatz und Wärmepumpe in der wärmegedämmten Mietwohnung; außen ohne Fassadendekor, innen schmucklos, doch Hauptsache effizient und gut fürs Klima. Ohne Genuss, ohne Savoir-vivre, ohne Zelebration der kleinen Dinge. Es ist das Leben in einem mechanischen Uhrwerk ohne einen einzigen Schnörkel auf dem Zifferblatt.

Der italienische Barock mit seiner Üppigkeit, seinem überbordenden Prunk, seiner Glorifizierung katholischen Lebensgefühls ist das größte Kontrastprogramm zu dieser Ideologie. Es ist Caravaggios Welt, die so oft im Dreck liegt, und wo doch alles heilig ist. Folgerichtig, dass er hinter verschlossenen Türen landet. Er gehört schlicht nicht in dieses neue Deutschland. Wer interessiert sich schon für die Seele, wenn er dabei das Weltklima verliert?

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