Nostalgie ist niemals so gut, wie sie früher war. Beim RBB sieht man das offenbar anders. Die Nostalgie muss übergroß sein, wenn man sich dort nach den Merkel-Jahren zurücksehnt. Mit Ulrike Demmer wird eine ehemalige Regierungssprecherin von Angela Merkel Intendantin des Krisensenders. Wenigstens hier lebt die ewige Kanzlerin weiter.
Schon zuvor hatte sich das Teilnehmerfeld der Bewerber erheblich gelichtet. Juliane Leopold, ARD-Chefredakteurin für Digitales, hatte schon am Mittwoch angekündigt, nicht mehr kandidieren zu wollen. Auf LinkedIn gab sie zu verstehen, dass der Sender kein Interesse an einer Modernisierung bzw. Digitalisierung hatte. Die Frage, „Wie bleibt alles so, wie es ist?“ besitze beim RBB eine große Priorität. Wieder einmal: die Sehnsucht nach vergangenen Zeiten.
Wenn man will, dass sich nichts ändert, dann fragt man am besten jemanden aus der Familie. Das gilt nicht nur für Hitzeschutzaktionspläne, bei denen man auf die bekannte Klima-Connection vertraut, sondern auch für den Chefsessel des Rundfunks Berlin-Brandenburg. Demmer arbeitete nicht nur von 2016 bis 2021 als stellvertretende Regierungssprecherin der Bundeskanzlerin, sondern zuvor beim Spiegel. Auch das: Nostalgie nach etwas, das nicht mehr existiert. Das Sturmgeschütz der Demokratie feuert heute vermehrt in die entgegengesetzte Richtung.
Neben Juliana Leopold war auch Jan Weyrauch von Radio Bremen als Bewerber angetreten. Er gab am Donnerstagabend bekannt, dass er nicht mehr zur Verfügung stehe. Bei Weyrauch kam es zu Diskussionen über Gehaltsvorstellungen. Eigentlich gute Tradition beim RBB, auch mal etwas mehr springen zu lassen, aber diese Nostalgie sollte nicht bedient werden, weil der Fall Patricia Schlesinger dann wieder mit einem Fuß in der Türe gestanden hätte. Also doch lieber Merkel.
Die Causa Weyrauch führte dazu, dass auch der Freitag alles andere als üblich ablief. Zwar war die Personalie nun aus dem Rennen. Aber das Vertrauen zwischen den restlichen Vertretern des Rundfunkrats. Die sollten zwischen Demmer und Heide Baumann (Vodafone Deutschland) wählen. Kritik regte sich an den Gremienvorsitzenden, namentlich an Benjamin Ehlers. Ehlers ist derzeit Vorsitzender des Verwaltungsrats. Sogar ein Abbruch der Wahl und eine Neuausschreibung standen zur Debatte. Grund? Ehlers „nahtlos an die unrühmliche Tradition“ seines Vorgängers Wolf-Dieter Wolf („agierte selbstherrlich und nach eigenem Gutdünken“) an.
Doch auch hier blieb sich der RBB treu. Alles beim Alten, Sehnsucht nach der Vergangenheit, irgendwie war doch alles gut in der Rundfunkanstalt, die letztendlich alle Vorurteile bestätigte, die man so gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hegt. Insofern: doch, Ulrike Demmer ist vermutlich die passendste Wahl in einem Sender, wo sich nichts ändern darf. Auf Korruption folgt Chaos, folgt Resignation, folgt neuerliches Chaos.
Was hiernach folgt, steht wiederum völlig offen: denn Demmer hat trotz aller Glückwünsche und Blumen nur 16 Ja-Stimmen von 30 Mitgliedern des Rundfunkrates erhalten. Obwohl es zur Wahl einer Intendantin eine Zweidrittel-Mehrheit benötigt. Möglich war das, weil nur 25 Mitglieder zur Wahl erschienen. Nostalgie ist offenbar das einzige Positive, was man beim RBB noch aufbringen kann.