Das Schachspiel der Ermittlungen rund um die Sprengung der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 geht in die nächste Runde. Nach einem Bericht der Washington Post haben US-Geheimdienste bereits im Juni des Vorjahres Deutschland vor einem Angriff auf die Pipeline durch ukrainische Spezialeinheiten gewarnt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dementierte jedoch eine Beteiligung der Ukraine an dem Anschlag, offizielle Stellen in den USA verweigerten jeglichen Kommentar und Deutschland bestätigt zwar, dass eine Warnung vorlag, diese aber nicht so spezifisch war, wie im neuesten Bericht behauptet wird.
Der Washington Post zufolge unterstanden die ukrainischen Spezialeinheiten dabei direkt dem Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, und Präsident Selenskyj war – um glaubwürdiger zu dementieren – nicht informiert. Dieser jedoch widersprach dieser Theorie vehement in einem Interview, als er zu Protokoll gab: „Ich bin Präsident und ich gebe entsprechende Befehle. Nichts dergleichen hat die Ukraine getan. Ich würde nie so handeln.“ Selenskyj forderte im Gegenzug Beweise für diese Anschuldigung.
Diese gibt es bislang nicht, wodurch es vorerst bei einer Theorie bleibt. Eine Theorie unter vielen, jedoch, denn erst im April legte auch der Investigativjournalist Seymour Hersh nach und wiederholte seine Vermutung, die Biden-Administration stecke hinter den Anschlägen, um damit einen Keil zwischen Russland und Europa, insbesondere Deutschland, zu treiben.
Auch Ralf Stegner von der SPD wollte zu den Anschuldigungen nicht eindeutig Stellung beziehen. Angesichts der Anschuldigung, Deutschland hätte nach Zuspielung der Anschlagswarnung unzureichende Schritte zur Verhinderung des selbigen unternommen, antwortete Stegner mit der Feststellung: „Wenn Parlamentarier Hinweise auf bevorstehende Anschläge erhalten, werden sie sofort tätig“. Er verwies stattdessen auf die Fortsetzung der schleppenden Ermittlungen. „Nun müssen die Ermittlungen weitergehen – auch wenn uns das Ergebnis nicht passen sollte“, so Stegner. „Es darf nicht sein, dass wir am Ende ohne Erkenntnisse und nur mit einem Sammelsurium gegensätzlicher Theorien dastehen.“
Wer sprengte Nord Stream 2? Anfangs wiesen viele Finger nach Moskau, der Investigativjournalist Seymour Hersh machte hingegen die US-Regierung verantwortlich. Ein neuer Bericht der Washington Post scheint nun die Theorie zu bestätigen, ukrainische Spezialeinheiten steckten dahinter. Deutschland will hingegen vor allem nichts überstürzen.