Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause wird bei Anne Will über den Heizungshammer gestritten. Geladen sind mit den Fraktionsvorsitzenden von Grünen und FDP, Katharina Dröge und Christian Dürr, zwei Spitzenpolitiker der Ampel. Die Opposition repräsentieren darf der forsche CDU-Youngster Philipp Amthor. Für die Grüne ist am Habeckschen „Heizhammer” wenig auszusetzen. „Wir haben über den Weg nachgedacht, den Klimaschutz sozial und pragmatisch zu machen“, erklärt Dröge das Gesetz. Laut Dröge habe die Bildzeitung mit der Veröffentlichung des geleakten ersten Entwurfes die Schuld am negativen Image des Gesetzes. Die Kommunikation insgesamt sei suboptimal gelaufen, meint sie. Obwohl man in den Umfragen verliert, bleibt die Selbstreflexion aus. Schuld hat der böse Springer Verlag mit seinen Kampagnen. Die Grünen machen es sich mal wieder einfach. Die FDP ist bislang als Bremse des „Heizungshammers” aufgetreten. Diese Haltung will die Partei auch vorerst beibehalten. „Nein, wir übertreiben nicht mit unserem Widerstand“, antwortet Dürr trotzig auf eine Will-Frage. Die FDP würde einen Emissionshandel präferieren und stünde weiterhin für Technologieoffenheit, erläutert Dürr die Lösungsansätze seiner Fraktion.
Die Moderatorin bohrt nach. Es geht um die ominösen 101 Fragen der FDP-Fraktion an Robert Habeck. „Es sind 113“, stellt Dürr klar. Von Heizungszwang hält er wenig. „Es geht darum, dass die Heizung zum Haus passt“, meint Dürr. Die Antwort scheint der Moderatorin nicht zu gefallen. Als sie die FDP in die fossile Lobby-Ecke rücken will, interveniert Dürr aufs Heftigste. „Mit Verlaub, das ist Quatsch“, grätscht er Will in den Text. Die Grüne möchte an diesem Abend offensichtlich keinen weiteren innerkoalitionären Knatsch auf offener Bühne. Viel mehr wird zum Frontalangriff auf die Union geblasen. „Die CDU macht Kampagnen gegen unser Gesetz“, ätzt Dröge in Richtung Amthor. In Sachen „Klimaschutz” habe die CDU alles verschlafen. „Sie haben sich nicht mal getraut, den Menschen die Wahrheit zu sagen“, kritisiert Dröge. Die Kritik will CDU-Mann Amthor nicht auf sich sitzen lassen. „Es gibt einen beispiellosen Run auf Gasheizungen“, entgegnet er. Sachliche Kritik seiner Partei an der Ampel will er auch nicht als negative Kampagne verstanden wissen. „Wir haben artikuliert, was diese Regierung verbockt hat“, sagt Amthor selbstbewusst. Die Ampel hat der Opposition eine Steilvorlage geliefert, diese verwandle die CDU jetzt. Diese Steilvorlage dürfte der Union noch eine Weile erhalten bleiben. Denn, ob die FDP sich zu einer schnellen Zustimmung durchringen kann, darf bezweifelt werden.
Wer hat Schuld am AfD-Aufschwung?
Die AfD hat es diese Tage komfortabel. Jeden Tag darf sie ein neues Umfragehoch bestaunen. Aber woher kommt dieser Aufschwung? Die Zeit-Journalistin Jana Hensel hat da einen Verdacht. „Herr Merz spaltet die Gesellschaft“, sagt sie vorwurfsvoll in Richtung Amthor. Aus ihrer Sicht habe die CDU eine Kampagne gegen das Gesetz gestartet. Die AfD sei nur hinterhergelaufen. Dabei gebe es doch auch andere CDU-Politiker. Die Ministerpräsidenten Daniel Günther und Hendrik Wüst seien zwei leuchtende Beispiele für konstruktive Regierungspolitik. Hensel ist es ganz wichtig zu betonen, dass beide in einer Koalition mit den Grünen regieren.
„Ich teile diese Analyse überhaupt nicht“, wehrt Amthor die Attacken ab. Er hat eine ganz andere Analyse für das Erstarken der AfD. „Diese Ampelregierung ist alleine verantwortlich für den Erfolg der AfD“, teilt er gegen die Ampel aus. Da muss der FDP-Mann aus dem Sattel gehen. „Es wird jetzt lächerlich, Herr Amthor“, echauffiert sich Dürr sichtlich erregt. Der FDP-Mann will blitzschnell von seiner Chaos-Regierung ablenken und spielt den schwarzen Peter zurück zu Amthor. „Was macht die Union in der Sache“, meint Dürr. Plötzlich landet er in Brüssel und konfrontiert Amthor mit Ursula von der Leyens „Klimaschutzplänen”. „Das, was in Brüssel geplant wird, sucht seines Gleichen“, meckert Dürr. Der Soziologe Steffen Mau möchte den Streit aufbrechen. „Man braucht mehr als eine monokausale Erklärung für den AfD Erfolg. Da dürfte er wahrscheinlich richtig liegen. Schließlich geben alle Parteien ein so desaströses Bild ab, dass die AfD vor Kraft kaum laufen kann. Die anderen Parteien dürfen sich fast schon glücklich schätzen, dass die AfD nur 18 Prozent in den Umfragen hat.
Der Bürger bricht mit der Ampel
Die Bevölkerung hat immer weniger Lust auf die Ampel. Die Politik in Berlin wird mit wachsendem Unmut in der Bevölkerung verfolgt. Wie kann Politik wieder für die Bürger gemacht werden? Für den Soziologen Mau ist die Sache klar. „Die Leute müssen irgendwo abgeholt werden“, erklärt er seinen Lösungsansatz. Das Problem seines Ansatzes: Die Ampel und die Medien versuchen tagtäglich, die Bevölkerung „abzuholen”, nur offensichtlich wünscht die Bevölkerung kein Ampel-Taxi. Wenn Mau von Veränderungsangst spricht, oder: „von einem sich wehren gegen Veränderung“, dann skizziert er ein negatives Bild der Ablehnung. Vielleicht aber hat der Bürger keine Angst, sondern schlicht und einfach rational entschieden, dass sein Leben ganz gut ohne „Wohltaten“ der Ampel auskommt.
Genau mit diesen Leuten scheint auch Amthor in seinem Wahlkreis konfrontiert zu sein. „Die Leute sind enttäuscht von dieser Politik der Ampel“, gibt er die Quintessenz seiner Bürgergespräche wieder. Die Journalistin Hensel jedoch kommt wieder mit: „Die Menschen wollen mitgenommen werden.“ Außerdem sei alles ein Kommunikationsproblem. Als Außenstehender erlangt man zunehmend den Eindruck, dass der Bürger für manche eher ein naives Kind zu sein scheint. Wenn man nur richtig kommuniziert, folgt es und kann überall hin „mithingenommen” werden. Diese von vielen Journalisten und Grünen erdachte Vorstellung des Bürgers als infantiles Geschöpf ist sehr fragwürdig. Für die Zukunft kann man sich wünschen, dass der Diskurs wieder auf ein adultes Niveau gehoben wird, ansonsten wird sich der mündige Bürger noch weiter von der Politik entfernen.
Fabian Kramer lernt Koch in einem Hotel im Schwarzwald. Für Tichys Einblick ist er als freier Autor tätig.