Tichys Einblick
Einen Monatslohn weniger

Deutschland verarmt – aber die Abgaben steigen

Seit drei Jahren sinken die Reallöhne in Deutschland, während die Abgaben an den Staat nur immer weiter steigen. Die Bürger sind heute ärmer, als sie es vor der Corona-Krise waren.

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Deutschland ist seit 2019 in der Dauerkrise. Der Staat schränkt die wirtschaftliche Freiheit beständig weiter ein: Unternehmen durften erst nicht produzieren – wegen „Corona“. Dann konnten sie nicht produzieren – wegen „Gasmangel“. Und nun sollen sie nicht produzieren – wegen „Klima“. Das kann an einem Land, das von seiner Industrie abhängig ist, nicht spurlos vorbeigehen. Zum zweiten Quartal in Folge sinkt das Bruttoinlandsprodukt: Deutschland ist in der Rezession. Und es wirkt sich ganz konkret auf den Wohlstand aus.

Wer in Deutschland in Vollzeit angestellt ist, verdiente im letzten Jahr durchschnittlich ca. 50.400 Euro, bzw. 4.200 Euro pro Monat. Das ist deutlich mehr als noch 2019, als der Jahresverdienst bei 47.900 Euro lag. Doch die Kosten steigen. Die Kosten für das Leben im Allgemeinen, ebenso wie die Kosten, die der Staat denjenigen aufbürdet, die noch etwas verdienen.

Sozialabgaben machen arm

Der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung beträgt seit Jahren unverändert 14,6 Prozent. Diesen teilen sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmer. Das ist aber ein Etikettenschwindel, denn seit 2015 können die Krankenkassen selbstständig einen Zusatzbeitrag erheben. Dieser ist seit 2019 von durchschnittlich 0,9 Prozent auf 1,6 Prozent gestiegen. Es ist eine Beitragserhöhung, die als Freiwilligkeit kaschiert wird. Und in Zukunft werden sie nur immer weiter steigen müssen, um das defizitäre System zu stützen.

Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung betrug 2019 noch 3,05 Prozent. Dieser Beitragssatz steigt nach Lauterbachs Pflegereform ab Juli 2023 auf 3,35 Prozent – aber wer weniger als zwei Kinder hat, muss mehr zahlen. Arbeitnehmer ohne Kinder zahlen zukünftig sogar 4 Prozent. Auch hier wird der Beitrag „paritätisch“ aufgeteilt, um die Höhe der Abgaben zu kaschieren. Eine Erhöhung der Arbeitgeberbeiträge ist aber Geld, dass der Arbeitnehmer nicht als Lohnerhöhung mit nach Hause nehmen kann. Hier wird daher mit der ganzen Steigerung gerechnet.

Die Arbeitslosenversicherung beträgt 2,6 Prozent. 2019 und 2020 bis 2022 war der Beitragssatz aber temporär auf 2,5 Prozent bzw. 2,4 Prozent reduziert. Das Ziel war, die Konjunktur zu stützen. Seit Anfang diesen Jahres beträgt der Beitragssatz aber wieder 2,6 Prozent.

Derweil sind die Beiträge zur Rentenversicherung schon seit 2018 nicht mehr gestiegen. Stattdessen werden die Rentenkassen direkt aus Steuermitteln subventioniert.

Insgesamt müssen die Bürger bald 1,75 Prozentpunkte mehr ihres Lohns an die Sozialversicherungen abführen, als sie es noch 2019 mussten. Für einen Arbeitnehmer mit 4.200 Euro Brutto Monatsgehalt (Durchschnitt 2022) sind das 73,5 Euro im Monat – oder 882 Euro im Jahr.

Kalte Progression nicht aufgehalten

Obwohl der Abbau der kalten Progression das Lieblingsversprechen der FDP ist, ist auch in dieser Hinsicht kaum etwas passiert. Der Steuerfreibetrag und die Sätze wurden Anfang 2023 um 5 Prozent erhöht. Damit wurde aber keine kalte Progression abgebaut, sondern nur aufgehalten, denn im Vergleich zu 2019 sind die Löhne bis 2022 um 5 Prozent gestiegen. Das ist unbeachtet der Tatsache, dass dieses Abschmelzen der kalten Progression in diesem Jahr durch die hohe Inflation zunichtegemacht wird: Die Löhne stiegen im ersten Quartal um 5,6 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal 2022. Die kalte Progression wird also nur für dieses Jahr verlangsamt – aber nicht aufgehalten und schon gar nicht abgeschmolzen.

Soli: Eine kleine Erleichterung

Für Einkommen unter 6.300 Euro wurde der Solidaritätsbeitrag 2021 abgeschafft. Damit sparte ein Durchschnittsverdiener im Westen bis zu 680 Euro im Jahr. Für die immer höher belasteten Gutverdiener und jene Arbeitnehmer, die schon vorher keinen Soli bezahlen mussten, ein schwacher Trost.

Kaufkraft sinkt

An verheerendsten wirkt sich aber die zunehmend hohe Inflation auf die Kaufkraft der Löhne aus. Seit 2019 ist die Entwicklung der Reallöhne negativ. Das heißt: Die Lebenshaltungskosten steigen schneller als die Einkommen. Und die Inflation hatte es in sich. Im Vergleich zu 2019 sind die Preise um 10,1 Prozent gestiegen, die Löhne aber nur um 5 Prozent. Das Durchschnittseinkommen von 2022 wäre 2019 als nur noch 45.300 Euro wert gewesen – mehr als einen Monatslohn weniger. In diesem Jahr verschlimmert sich die Situation nur noch. Im ersten Quartal 2023 verloren die Einkommen weitere 4 Prozent an Kaufkraft im Vergleich zum ersten Quartal 2022. Das sind 1.800 Euro (Gegenwert 2019 1.630 Euro).

Statistisches Bundesamt (Destatis), 2023

Die gestiegenen Sozialabgaben hatten 2019 einen Gegenwert von 730 Euro.
Und um der Verarmung auch noch Beleidigung hinzuzufügen: Für den Rundfunkbeitrag müssen die Bürger auch noch 10,32 pro Jahr mehr bezahlen als noch 2019. Im Vergleich vielleicht Kleingeld, aber es ist doch mehr als eine Nettoarbeitsstunde bei Mindestlohn.

Diese Berechnungen sind nur eine Schätzung, anhand der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Daten. Wie mehrere Revisionen in den vergangenen Monaten gezeigt haben, sind auch diese Zahlen nicht mehr so verlässlich, wie der Ruf des Bundesamts vermitteln möchte. Auch können sie bei der schieren Zahl von Abgaben und Steuern, die in Deutschland erhoben werden, verbunden mit einer Vielzahl von Transferleistungen, nicht vollständig sein. Doch für Arbeitnehmer in Vollzeit bietet sich ein vernichtendes Bild: Ein heutiges Durchschnittseinkommen wäre 2019 nur 42.900 Euro wert gewesen – 5.000 Euro weniger als vor den Krisen. Wenn Sie sich also ärmer fühlen als noch vor der Corona-Krise, dann ist das auch so. Sie verdienen im Jahr für fünf Wochen weniger, arbeiten aber genauso viel.

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