Torsten A. Kurschus gehört zu dem Team, das seit vielen Jahren Tomas Spahn unterstützte. Kurschus benennt militärische und Nato-politische Informationen, die in den gängigen Medien nicht zu finden sind im heutigen Beitrag: Die Anbindung der Ukraine an die Nato ist längst real. Ich finde es erfrischend, wenn Informationen über den Ukraine-Krieg wie hier nicht moralisch verziert und Werte-umrankt daherkommen. Denn in Kriegen geht es weder um Moral noch um ideelle Werte.
Bei Wikipedia ist immer Vorsicht geboten, aber bei der dortigen Liste von Kriegen dürften sich die Fehler in Grenzen halten – schau’n Sie mal rein. Darum geht es mir auch nicht, sondern um die simple Frage, wer so gut wie immer gegen wen und wofür Kriege geführt hat, führt und immer weiter führen wird. Eines steht dabei selbst bei oberflächlicher Befassung mit dem Krieg fest. Kriege führten Stammes- und sonstige Häuptlinge, andere Herrscher, Fürsten, Könige, Imperatoren, Staaten und Regierungen gegeneinander. Kriege für die Freiheit der Einzelnen, für die Herrschaft des gleichen Rechts für alle, den freien Wettbewerb in der Wirtschaft, für Freihandel, Niederlassungs- und Bewegungsfreiheit und all die anderen Ziele der Aufklärung und der Idee des klassischen Liberalismus sind mir nicht bekannt. Allerdings Kriege, in denen die Kriegsführenden behaupteten, für solche Ziele Krieg zu führen, und immer wieder – vor allem junge – Leute fanden, die ihnen das glaubten.
Das Wort vom Krieg als Forsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist bekannt – ebenso wie die Tatsache, dass es in Kriegen wie in der Politik von Staaten und anderen Herrschaftsgebilden nie um Freiheit oder Recht geht oder gar um Moral, sondern um Interessen.
Genug Vorbemerkungen: nun zum Ukrainekrieg. Dass er nicht mit dem Einmarsch offizieller russischer Truppen 2022 begann, sondern 2014 auf der Krim regulär und in der Ostukraine irregulär, setze ich als allgemein bekannt voraus.
Wer verteidigt was und wen in welchem Krieg?
Was der westliche Medienkonsument über den Ukraine-Krieg mitbekommt, sind fast ausschließlich Produkte der US-Propaganda. Soweit, so normal. Ihr Wahrheitsgehalt lässt sich ebenso wenig verifizieren wie jener der russischen, chinesischen und so weiter Propagandaprodukte. Erfrischend bei Kurschus: „Wenn es in Berichten heißt, das britische Verteidigungsministerium informiert, sind US-Dienste gemeint.“ Dass mal jemand wie Seymour Hersh aus der Reihe tanzt und gegen den Strich – in diesem Fall der US-Propaganda bürstet, ist selten und selbst auch nicht verifizierbar. Oder wie soll ich prüfen, was dahinter steckt oder auch nicht, wenn ich aktuell lese:
Belgorod (dts Nachrichtenagentur) – In der russischen Stadt Belgorod nahe der ukrainischen Grenze kommt es seit dem Morgen zu Kämpfen zwischen einer militanten Gruppierung und russischen Sicherheitskräften. „Eine ukrainische Sabotagegruppe ist am Montag in den Bezirk Grayvoron der Region Belgorod eingedrungen“, sagte Regionalgouverneur Wjatscheslaw Gladkow der russischen Nachrichtenagentur Tass. Das Militär, die Grenzschutzbeamten sowie die Soldaten der Nationalgarde und des föderalen Sicherheitsdienstes würden „die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um den Feind zu eliminieren“.
Laut übereinstimmenden Medienberichten sei zuvor ein russischer Grenzposten beschossen worden. Der außenpolitische Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Mychajlo Podoljak, hat eine Beteiligung der Ukraine an den Vorkommnissen unterdessen zurückgewiesen. „Die einzige treibende politische Kraft in einem totalitären Land mit angezogenen Schrauben ist immer eine bewaffnete Guerillabewegung“, schrieb Podoljak auf Twitter.
Die Ukraine beobachte die Situation, habe aber nichts damit zu tun. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich bei den Angreifern tatsächlich um russische Rebellen handeln könnte. So berichtet das ukrainische Medienportal Hromadske, dass Kämpfer des „Russischen Freiwilligenkorps“ sowie der „Legion Freiheit Russlands“ sich in Videos, die auf dem Messengerdienst Telegramm geteilt worden waren, zu den Angriffen bekannt hätten.
Ihr Ziel sei demnach die Errichtung einer „entmilitarisierten Zone“ an der Grenze zur Ukraine. Zudem sei die russische Bevölkerung zum Widerstand gegen Machthaber Wladimir Putin aufgerufen worden, heißt es.
Dabei bleibt den Nachrichten- und Geheim-Diensten etlicher Staaten im Satelliten-Zeitalter der allgegenwärtigen Kameras in allen Dimensionen so gut wie nichts am tatsächlichen militärischen Geschehen verborgen. Aber davon lassen alle Hauptbeteiligten nur Propaganda-Passendes durch. Ab und zu sickert dann etwas oder wird durchgesickert, hinter dem doch ein paar harte Fakten stehen. Aktuelles Beispiel: ein Bericht auf exxpress.at, wonach die nun vollendete Einnahme der Ruinenstadt Bakhmut durch Putins Prigoschin-Söldner 50.000 Tote gekostet haben soll – 30.000 auf russischer und 20.000 auf ukrainischer Seite.
Aber Neues und Neuigkeiten im Ukraine-Krieg sind nicht mein Thema hier, sondern die Frage: Wer verteidigt was und wen in welchem Krieg?
Wenn Sie das Geschehen in den Ländern der Welt beobachten wie ich, überkommt Sie nicht auch mehr und mehr der Eindruck, dass es nirgendwo um Freiheit und Recht der Bürger geht, sondern nur noch um die Frage, mit welchen autoritären bis totalitären Herrschaftsmethoden die Einzelnen ihrer letzten Freiheiten beraubt werden sollen?
Selbst im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen die britische Krone ging es um wirtschaftliche Interessen und nicht um die Freiheit der einzelnen Siedler oder die Etablierung der Herrschaft des gleichen Rechts für alle. Dass Freiheit und Recht im Sinne der Aufklärung und der Idee des klassischen Liberalismus sich in der Folge nirgendwo mehr entfalteten als in den USA – mit beträchtlichen Unterschieden in den einzelnen Bundesstaaten, führe ich darauf zurück, dass kein altes System geändert werden musste, sondern eine neue Ordnung entstehen konnte. Die durch den Krieg zwischen den Staaten korrekt beschriebene Erzwingung des Föderation genannten Bundesstaates USA statt eines Staatenbundes war die Abkehr vom begonnenen Weg. Mit dem Traum von einer wirklich neuen Ordnung für freie Bürger war es ganz aus, als die USA zum Landraub im Krieg gegen Mexico schritten.
Die Freiheit der Einzelnen und die Herrschaft des gleichen Rechts für alle wird in keinem Krieg verteidigt oder errungen
Nein, ich hole zu keinem Geschichtsunterricht aus. Hinweisen will ich nur noch auf die Schweiz und den irreführend Kaiserreich genannten deutschen Bundesstaat von 1871. Die ursprünglich radikal dezentrale Schweiz entschied sich unter Anführung der dort als Liberale geltenden 1848 für den Bundesstaat statt Staatenbund. Von der Freiheit der Bürger und Bauern in der örtlichen direkten Demokratie ist immer mehr verschwunden. Der deutsche Bundesstaat von 1871 war eine Demokratie mit einer recht unabhängigen Rechtsordnung – im Vergleich zum heutigen Zuistand ohnedies.
Worauf will ich hinaus? Die Freiheit der Einzelnen und die Herrschaft des gleichen Rechts für alle ist noch in keinem Krieg verteidigt oder errungen worden. In Kriegen geht es nur um Interessen, in erster Linie um die der finanzstärksten Lobbys.
Eine Reihe bestimmter Leser, die jetzt sofort wissen, dass ich sie meine, wird nun sagen, deshalb sollte sich Deutschland aus dem Ukraine-Krieg raushalten und die Ukraine nicht unterstützen. Raushalten können sich größere Volkswirtschaften nie, wenn Weltmächte Stellvertreter-Kriege führen lassen. Im gegenwärtigen in der Ukraine ist es für das, was von Demokratie und Marktwirtschaft in Europa und Nordamerika übrig geblieben ist, besser, wenn Russland und China nicht die Oberhand in der Ukraine gewinnen. Denn dann bleiben die Chancen im Westen, so klein sie auch sind, dass aus ihnen mehr wird.
Die Freiheit der Einzelnen und die Herrschaft des gleichen Rechts für alle hat die besten Chancen, wo dezentralisiert wird, weshalb es solche Chancen in Russland und Asien genau so wie in Europa und Amerika erst geben kann, wenn die „Reiche“ zerfallen. Radikale (also gründliche) Föderalisierung ist die Grundvoraussetzung. Tomas Spahn und ich diskutierten darüber mehrfach, beim Ziel waren wir einig, beim Weg nicht. Spahns Mitstreiter werden uns weiter über das informieren, was ihre Quellen im Westen ihnen zugänglich machen. Und ich werde weiter die Freiheit der Einzelnen und die Herrschaft des gleichen Rechts dort suchen, wo sie sich in noch so kleinen Pflänzchen an die Oberfläche wagt.