Wenn Robert Habeck darauf spekuliert hat, dass die Demission seines Agora-Staatssekretärs Patrick Graichen vor dem verlängerten Wochenende dafür sorgen würde, dass dieses Thema einschläft – dann hat sich der Bundeswirtschaftsminister gehörig verrechnet. Stattdessen fällt das Thema in ein kleines Frühlingsloch. Und auch einige bedeutende Medien wie die FAZ, Focus, NZZ und Welt haben am Tag nach der Entlassung angekündigt: Nicht mehr die Verwandtschaften, sondern das Agora-Netzwerk steht im Vordergrund.
Das ist ein wichtiger Schritt. Wenn die großen Medienhäuser das Problem nicht auf die Graichen-Geschwister kaprizieren, sondern den Akzent auf die Unterminierung der parlamentarischen Demokratie durch grüne NGOs legen, dann könnte aus der Affäre mehr werden als eine geschasste Personalie. Habeck hatte die Chance, durch die Benennung einer unabhängigen Gestalt die Lage zu beruhigen. Mit der Personalie Klaus Müller hat er das Gegenteil erreicht.
Mag der Spiegel nun arroganterweise für sich beanspruchen, die Graichen-Affäre ins Rollen gebracht zu haben: Der Spiegel belässt es bei einer „Trauzeugen-Affäre“, obwohl Graichen zuletzt über Fördergelder an den BUND stolperte, wo seine Schwester stellvertretende Vorsitzende ist. Die Agora spielt dort weiterhin eine untergeordnete Rolle. Es ist eine Verharmlosung der wahren Umstände.
TE hat von Anfang an den Schwerpunkt auf diese Netzwerke gelegt, und immer mehr sticht auch in den großen Medien durch, dass es eigentlich diese Connection als Kind der historischen Trittin-Connection ist, die Deutschland nach den eigenen Wünschen gestalten will: über demokratische Kontroll- und Entscheidungsmechanismen hinweg und dabei auch noch mit reich gefüllten Taschen.
Jochen Flasbarth (SPD), heute Staatssekretär im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, ist eines der wichtigsten Agora-Gesichter in der Exekutive. Er war langjähriger Präsident des Naturschutzbund Deutschland (NABU) und gründete den autofeindlichen Verkehrsclub Deutschland (VCD) mit. Flasbarth war bereits als Präsident des Umweltbundesamtes Mitglied der Agora Energiewende und ist es bis heute. Zugleich ist er ein wichtiges Mitglied der Agora Verkehrswende. Außerdem war er Aufsichtsratsmitglied des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.
Es ist nicht der einzige Auftrag. Im letzten Jahr von Flasbarths Amtszeit (Geschäftsjahr 01/2021 bis 12/2021) bewilligt das Bundesumweltministerium neuerlich einen Auftrag an die von Rainer Baake ins Leben gerufene Firma: „Wissenschaftliche Forschung und analytische Arbeiten im Bereich Klima- und Energiepolitik im außereuropäischen Ausland“. Umfang: 1.250.001 bis 1.260.000 Euro. Geschäftsführer der SEFEP war bis zu seiner Berufung zum Staatssekretär Patrick Graichen.
Im selben Schlussjahr der Ära Merkel bewilligt auch das Bundeswirtschaftsministerium 870.001 bis 880.000 Euro an das Agora-Unternehmen unter demselben Titel. Diese Zahlen sind im Lobbyregister nachprüfbar. Damals sitzt mit Andreas Feicht (CDU) ein Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, der dem Rat der Agora angehörte. Es sind nur zwei Beispiele, die sich fortsetzen ließen, und ein Licht auf mögliche Befangenheiten werfen, die bis dato ein Kavaliersdelikt waren.
Diese Beziehungen, mögliche Befangenheiten, mögliche Vorteilsnahmen und auch vergangene Verstöße müssen aufgearbeitet werden. Am deutlichsten wird das aktuell bei der Personalie Udo Philipp, der als Staatssekretär für Start-ups zuständig ist, aber selbst an gleich vier Start-ups beteiligt ist: Africa Green Tec, LMP, CSP und MST Group. Es sei „sichergestellt“, dass „Staatssekretär Philipp keine Entscheidungen vorgelegt werden würden, die diese Unternehmen betreffen“.
Mit ähnlichen Worten hatte das Bundeswirtschaftsministerium bereits in der Causa Graichen beruhigen wollen. Was daraus geworden ist, wissen wir mittlerweile. Und hatte Habeck nicht selbst verlautet, dass doch bereits der Anschein einer Vorteilsnahme problematisch sei? Sollte nach Graichen auch Philipp folgen, könnte der Domino-Effekt folgen. Dafür bedarf es aber gründlichen Nachbohrens und eines übermedialen wie überparteilichen Willens zur Aufklärung und Aufarbeitung. Material existiert dazu genug. Vom Wirtschafts- und Umweltministerium bis zum Entwicklungs- und Verkehrsministerium, wo Agora-Staatssekretäre schalten und walten.