Während Bahnkunden die notorische Unpünktlichkeit der Züge erleben und gerade von der Gewerkschaft EVG erfahren, dass ab Sonntagabend der gesamte Zugverkehr für 50 Stunden bestreikt werde, kommt nun heraus, dass die Deutsche Bahn einen Großteil ihrer Mitarbeiter mit großzügigen Bonuszahlungen bedacht hat.
Trotz der schlechten Leistung bei Pünktlichkeit und Kundenzufriedenheit hat der Staatskonzern internen Dokumenten zufolge das Jahr 2022 zum Erfolgsjahr erklärt – und rund 30.000 DB-Beschäftigten einen entsprechenden Bonus ausgezahlt, wie NDR und Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf ein internes Dokument der DB zur „Erfolgsbeteiligung“ für Bahn-Führungskräfte berichten. Es gehe insgesamt um einen dreistelligen Millionenbetrag, von dem vor allem rund 3800 Führungskräfte, aber auch weitere Teile der Belegschaft profitierten. Ein Bahn-Sprecher bestätigte auf Anfrage, dass diese sogenannten erfolgsabhängigen Vergütungsanteile bereits Ende April an die Mitarbeiter ausbezahlt wurden. Der Staatskonzern ist mit 28,8 Milliarden Euro hoch verschuldet.
Leitende Angestellte, die zusätzlich noch ihre persönlichen Ziele erreichten, erhielten darum bis zu 95 Prozent der maximalen Höhe der sogenannten „variablen Gehaltsbestandteile“, außertariflich Beschäftigte sogar bis zu 112 Prozent. Bei den Führungskräften entspricht die vertraglich vereinbarte maximale Prämienzahlung einem mindestens fünfstelligen Betrag pro Person. Die Boni-Auszahlung ist also keine einmalige Entscheidung, sondern strukturell durch die Personalverträge festgelegt.
Offenbar ist diese Praxis selbst manchem davon Profitierenden peinlich. „Als Dienstleister hast du komplett versagt – aber als Führungskraft bekommst du fast 100 Prozent Bonus“, zitiert der NDR eine Führungskraft, die nicht namentlich genannt werden möchte. Die Bahn mache sich dadurch zum „Mitnahmeladen“.
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GdL), Claus Weselsky, bezeichnet die Boni als „Unverschämtheit“, da sie als eine „Belohnung für Nichterfolg“ dienen würden. „Diese Selbstbedienungsmentalität muss ein für alle Mal beendet werden.“
Tatsächlich hat der Konzern sein Bonussystem aber für das Jahr 2023 so verändert, dass das Erreichen der Zielwerte noch leichter wird: Bei der Kundenzufriedenheit zum Beispiel liegt dieser neue Zielwert nun mit 70 Prozent noch unter dem 2022 erreichten Wert von 71,1 Prozent. Eine „Erfolgsbeteiligung“ ist also im nächsten Jahr auch dann fällig, wenn die Werte schlechter sind als die des Vorjahres.
Ausgenommen von den Sonderzahlungen ist der achtköpfige Konzernvorstand um Richard Lutz. Die Boni für den Bahn-Vorstand – nach einem „Spiegel“-Bericht geht es dabei um circa neun Millionen Euro – hat der Aufsichtsrat ausgesetzt. Sie werden derzeit vom Bundestag geprüft, weil fraglich ist, ob ein Unternehmen zeitgleich die Strompreisbremse als staatlichen Zuschuss in Anspruch nehmen kann, während es seinen Top-Managern Boni auszahlt.