Die Kommunen – und in ihrem Schlepptau die Länder – sehen es immer weniger ein, Migranten unterzubringen, denen von offizieller Seite keine Bleibeperspektive zugestanden wird. Doch es bleibt beim misstönenden Aufschrei, der allenfalls den Scheinvorschlag der Innenministerin begrüßt, Aufnahmelager und Vorverfahren an den EU-Außengrenzen zuzulassen. Wenn sie kommen, werden und können sie nach den nun verlauteten Vorschlägen nur einige Georgier, Moldauer und Nordmazedonier aussieben. Alle anderen – die eigentlichen Problemfälle der Integration – kommen auch weiterhin ohne Probleme, sogar schneller und leichter nach Deutschland.
Im Interview mit der Welt entblödete sich nun NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) nicht, vom „großen Herzen“ zu sprechen, mit dem „die Menschen in Deutschland“ helfen, während die fragenden Journalisten um mehr Dauerkapazitäten für die Aufnahme von illegalen Zuwanderern zu bitten scheinen (NRW hat sich in dieser Hinsicht schon verdoppelt). Die Hauptkritik muss allerdings die Regierenden treffen, denn vielen von ihnen ist leider kein Spruch zu dumm, um ihn nicht noch einmal anzubringen.
Viel richtiger wäre es zu sagen: Die Deutschen helfen mit leeren Taschen, mit Lustlosigkeit, Gehorsam und Fatalismus, alles andere, nur sicher nicht „mit großem Herzen“. Denn das ist wohl auch dem letzten Teddybär-Werfer inzwischen zusammengeschrumpft. Auch bei den vielen „Freiwilligen“, von denen man immer noch liest, die Turnhallen herrichten und alte Hotels auf Vordermann bringen, kommt der Verdacht auf, dass sie entweder als ganz kleines Rädchen rein nach Anweisung handeln, weil selbst die Kommunalpolitiker kein Vetorecht gegen die Unterbringung von Migranten haben, oder von einem mehr oder weniger stark ausgeprägten Eigeninteresse getrieben werden, mithin Partikularinteressen durchsetzen helfen, die dem Gemeinwesen insgesamt nicht dienlich sind.
Wüst will „gut geölte Maschine an Integrationsarbeit“
Auch Wüst will nichts am formidablen Integrationsmodus in Sachen illegaler Zuwanderung ändern. Vielmehr setzt er sich dafür ein, dass die derzeit noch sichtbare „Hilfsbereitschaft“ (im eben bezeichneten Sinn) „weiter umgesetzt“ werden kann „und jeder seiner Aufgabe gerecht werden kann“. Dem CDU-Mann geht es also nicht um grundlegende, am Ende noch rechtskonforme Entscheidungen, sondern um subalterne Effizienz-Steigerungen im aktuell herrschenden Graubereich zwischen internationalen Rechten und deutschem, aber auch EU-Unrecht.
Wüst wünscht sich eine „gut geölte Maschine an Integrationsarbeit“. Seinen grünen Koalitionspartner lobt er dafür, dass er sich in den „jeweiligen Verantwortungsbereichen um die Menschen“ kümmere, kritisiert ihn aber nicht, wo die Grünen in Bund und Ländern gegen sichere Herkunftsstaaten Front machen. Seine Kritik gilt vor allem einem Bund, der die Finanzierung des von ihm angerichteten Migrationschaos in Ländern und Kommunen unterlassen will. So scheint es zumindest für den Tag.
Deutschland, einsamer Integrationsstaat
Wüsts nicht ganz neue Berechnung ist geeignet, die Haushälter in Ländern und Kommunen monumental in Unruhe zu versetzen. Das ist ja auch schon der Fall. Lediglich 600 Millionen Euro bekommt NRW demnach dieses Jahr vom Bund, die Gesamtkosten für den Erhalt des NRW-Asylwesens belaufen sich aber auf 3,7 Milliarden Euro, wovon knapp die Hälfte an die Kommunen weiterzureichen ist. Auf immer mehr Kosten bleiben die subalternen Gebietskörperschaften Deutschlands sitzen. So werden inzwischen nur noch 20 Prozent der Wohnkosten vom Bund gedeckt. Das führt zu einer enormen Belastung der Kommunalhaushalte, die vermutlich jeder Bürger früher oder später zu spüren bekommen wird.
Und dabei sind noch nicht einmal die langfristigen Mehrkosten für Kitas, Schulen und vieles andere eingerechnet, das ja auch von den „Flüchtlingen“ (oder auch nicht) genutzt werden wird. Andere würden von Migranten, wieder andere von reinen Eindringlingen sprechen, die in Deutschland nur bleiben wollen, um von seinem weit ausgreifenden Sozialsystem und den Möglichkeiten der Schwarz- und Grauarbeit zu profitieren. Alle Bundesländer zusammen müssen für die Integrationskosten eines einzigen Jahres geschätzte 16 Milliarden Euro aufbringen.
Für Wüst folgt aus diesem Größtteil der Hierbleibenden, dass man „die Finanzstrukturen für die Integration von der Kita über die Schule bis zum Spracherwerb für Erwachsene dauerhaft stärken“ muss. Nur der Bund lasse „hier jegliches Problembewusstsein vermissen und verschließt die Augen“. Mittelfristig wird damit Wirklichkeit, was der nun gänzlich in Ungnade gefallene Boris Palmer jüngst sagte, dass wir bald „die gesamten Ressourcen der Gesellschaft für die Neuangekommenen“ einzusetzen haben. Deutschland würde damit nicht zum einigen Einwanderungsland, sondern zum einsamen Integrationsstaat, dessen Bemühen zugleich dem des Sisyphos gleichen dürfte. Und natürlich ist das schon an vielen Orten der Fall, wo ganze Schulklassen von neu Zugewanderten dominiert werden. Natürlich werden da die Lerninhalte entsprechend angepasst und Leistungsziele abgesenkt. Ob es auf eine Teilprivatisierung des deutschen Schulwesens hinausläuft, bleibt abzuwarten.
Das diktierte Unsicherheitsgefühl wird größer
Ansonsten strebt Wüst die Transformation seines Bundeslandes zur „klimaneutralen Industrie“ an und kann sich eine Spitzenkandidatur Ursula von der Leyens zu den kommenden Wahlen zum EU-Parlament gut vorstellen, wofür er in seiner Partei angeblich „viel Sympathie“ wahrnimmt. Der politische Instinkt dieses Parteipolitikers, sein anscheinend vollkommen abwesendes Bauchgefühl für gute und populäre Entscheidungen bilden allein schon zwei Akte eines veritablen Trauerspiels.
Doch auch das ist vielleicht zu hoch gegriffen, denn dass die Katharsis am Ende kommen wird, steht keineswegs fest. Eher könnte all das bald in eine gallige und bitterböse Komödie abgleiten, die allerdings alles verschlingt, was bis dahin dachte, die Situation wäre irgendwie noch zu heilen. Die zunehmenden Messermorde und Körperverletzungen in aller Öffentlichkeit sprechen eine klarere Sprache als jeder Politiker. Sie diktieren den Deutschen ein neues Unsicherheitsgefühl, wo sie gehen und stehen – in Bahnen und Fußgängerzonen, Läden und Fitnessclubs, sogar an Schulen und Behörden. Und da hilft leider kein Aussieben derer, die abgelehnt werden. Auch die angenommenen Asylbewerber sind zu keinem konstruktiven Verhalten hierzulande zu verpflichten, solange ihnen die zum Leben gebrauchten Geldmittel auch ohne Anstrengung überlassen werden.