Sechs Jahre sind vergangen. Nun klopft sie wieder an die Tür – die Sozialwahl 2023. Die Sozialwahlen sind in Bezug auf die Zahl der Wahlberechtigten die drittgrößte Wahl in Deutschland nach der Europawahl und den Wahlen zum Deutschen Bundestag. Und wird so schmählich von den Medien nahezu ausgeklammert.
Laut der mir übermittelten Brief-Unterlagen zur Abstimmung sind die Kontrollorgane der Selbstverwaltungsgremien der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Unfallversicherung zu wählen. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ist dieses Kontrollorgan der „Vorstand“, bei der KV Techniker-Krankenkasse (TK) heißt es „Verwaltungsrat“.
Blumig erklärt mir die TK: „Die Sozialversicherungswahl bietet Ihnen die Möglichkeit, selbst Einfluss auf die Gesundheitsversorgung zu nehmen und die Zukunft der TK aktiv mitzugestalten. Mit Ihrer Stimme wählen Sie die Interessenvertreter in den Verwaltungsrat der TK.“
Mir sind die dort aufgeführten Institutionen der Interessenvertreter nur dem Namen nach oberflächlich bekannt, Personen werden dazu gleich gar nicht benannt. Das alles baut selbstredend ein ungeheures Vertrauen auf.
Am Beispiel der TK kann ich in den Verwaltungsrat wählen:
- TK-Gemeinschaft Unabhängige Versicherungsgemeinschaft der TK e.V.
- BfA-DRV-Gemeinschaft – Die Unabhängigen – Interessengemeinschaft der Versicherten und Rentner in der Deutschen Sozialversicherung e.V.
- Ver.di – Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft in der TK*
- IG Metall in der TK*
Die mit Stern (*) markierten Listen sind eine Listenverbindung eingegangen. Was eine Listenverbindung ist, ist den Unterlagen nicht zu entnehmen.
Was wähle ich da eigentlich? Wähle ich zum Beispiel IG Metall – bestimmt diese dann die Politik der TK in den nächsten 6 Jahren oder wie? Und was ist mit den anderen möglichen Verwaltungsrat-Teilnehmern, die offenbar zu dieser Liste gehören? Bekommen diese auch Stimmanteile vom ganzen Kuchen? Wer gehört alles noch zu der Listenvereinigung?
Schlimmer kommt es noch für die meiner Familie zugehörigen Rentner mit dem Wahlzettel der Deutschen Rentenversicherung Bund. Dort sind 13 mögliche Verwaltungsrat-Kandidaten, die in vier Listen (als Listenvereinigung) zu wählen sind. Auf diese Wahl freut sich mein Opa (Alters-Barriere-Freiheit) ganz besonders.
Bekommt man doch hoch und heilig (TK) versichert: „Die Listenträger stehen mit dem Versicherungsträger in keiner organisatorischen Verbindung. Dies gilt auch wenn sie den Namen oder die Kurzbezeichnung der TK oder der DRV in ihren Namen führen.“ Also, alles klar, total unabhängig, keinerlei Interessenkonflikte. Fast wie bei der GRÜNEN Achse Habeck-Graichen-Kellner mit ihrer BMWK-Rundum-NGO-AGORA-und viele andere-Versorgungs-Familienpolitik.
Passend dazu heizt der Münchner Merkur („Schon wieder: Kassenpatienten droht die nächste Beitragsanhebung“) dieses tröge Vor-Sozialwahl-Procedure mit seiner Top-Meldung wenigstens angemessen auf:
„Für gesetzlich versicherte Krankenkassenkunden könnte es schon bald wieder teurer werden. Die letzte Beitragserhöhung gab es erst kürzlich, zum 1. Januar 2023. Doch Kassenpatienten müssen nach einem Medienbericht auch im kommenden Jahr mit höheren Beiträgen rechnen. Wie das Handelsblatt aus Krankenkassenkreisen berichtete, erwarten die Versicherungen einen Anstieg um 0,2 oder sogar 0,3 Prozentpunkte beim kassenabhängigen Zusatzbeitrag. Auch das Bundesgesundheitsministerium stelle sich bereits auf eine erneute Beitragserhöhung ein.“
Bei allen Wahlunterlagen liegt der Fokus lang und breit ausgewalzt ausschließlich auf: Verwaltungskandidaten ankreuzen und ab in den Briefkasten. Eigentlich vergleichbar mit der bekannten Signum-Abgabe „Unterschreiben Sie bitte unten rechts!“
Weil ich ein politisch interessierter autochthoner DE-Bürger bin, habe ich bei permanent ansteigenden Kranken-Kassenbeitrags-Erhöhungen oder einem Renteneintrittsalter möglichst mit 75 Jahren oder noch später immer so meine Ressentiments. Auch die Sozialwahl ist eine Wahl mit den Optionen „JA-Stimme – Enthaltung – Nichtteilnahme an der Wahl – Ungültig – Gegenstimme (NEIN)“. Und diese suchte ich dann in den Wahlunterlagen. Vergeblich.
Aber die Sozialwahl 2023 ist informationstechnisch glänzend aufgestellt. Mit dem Web-Auftritt.
Ergo versuchte ich, mit der unten angefügten eMail zu erfragen, diese Wahloptionen – außer der JA-Stimme – mir zu erklären und gegebenenfalls mit einem Link zu hinterlegen.
Leider strotzen die Verantwortlichen der Web-Seite, wie eigentlich erwartbar, vor der üblichen Inkompetenz.
Dann begann das Ringelspiel – das Eisen ist uns zu heiß – wir reichen Sie weiter.
Die Antwort auf meine Sozialwahl-Optionenfrage können Sie auch unten der Anlage 1 entnehmen.
Ich habe mich umfassend belesen, in Wikipedia, in angeführten Sozial-Gesetzblättern und dergleichen Quellen mehr. Es ist wie der glitschige-Polit-Gordische-mit-viel-Schmierseife-versetzte-Knoten. Eine schlüssige Übersicht zu allem bleibt mir verwehrt.
Vielleicht gelingt es Tichys Einblick hier einmal, was sicher nicht nur mir so ergeht, Licht in das bürokratisch-überbordende Dunkle einzubringen. Die investigative Tichy-Recherche zur Neuwahl des Berliner Abgeordnetenhauses gibt mir den Mut zu meiner Anfrage.
Und hier die Antwort aus dem „Infobüro Sozialwahl“:
Hallo Herr xxx,
danke für Ihre Anfrage und Ihr Interesse, bei der Sozialwahl abzustimmen.
Können Sie mir bitte sagen, von welchem Versicherer Sie die Wahlunterlagen erhalten haben? Dann leite ich Ihre Anfrage gern dorthin weiter.
Liebe Grüße