Nicht nur der Maschinenbau, auch die Chemische Industrie, Baugewerbe, Papier- und Holzverarbeitungsindustrie, Möbelindustrie, Fahrzeugindustrie, Elektronikindustrie wandern ab oder beabsichtigen, Anteile, Produktion oder Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern.
Auf Basis von Umfrageergebnissen des European Roundtable for Industry wird erläutert, dass gut jeder dritte Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzende aktuell beabsichtigt, Investitionen in bestehende Unternehmen vorübergehend auszusetzen oder zu verringern, schrieb unlängst die Bild. Dazu passt, dass der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, am Mittwoch zu verkünden hatte, dass sich die Stimmung der deutschen Firmen im Ausland aufgehellt hat.
Im Inland hielten sich laut der Umfrage Optimisten und Pessimisten unter den Firmen etwa die Waage: Denn während die Geschäftserwartungen im Ausland inzwischen wieder deutlich positiver beurteilt werden, nachdem die akute Energiekrise im Winter überstanden ist, fällt auf, dass die Unternehmen in Deutschland diesen Optimismus nun keineswegs im selben Umfang teilen.
Energiekosten und Steuerbelastung sorgen dafür, dass viele Unternehmen einer Umfrage zufolge lieber im Ausland investieren, kolportierte vor kurzem das Handelsblatt. 32 Prozent der Investitionen außerhalb von Deutschland hätten inzwischen den Zweck der Kostenersparnis. Das Verhalten der Unternehmen verstärke die Sorge vor weiteren Abwanderungen aus Deutschland.
Während die Geschäftserwartungen bei den Firmen im Ausland einen Saldowert von plus 36 erreichen – übertrifft mithin der Anteil der Optimisten den der Pessimisten also um 36 Prozentpunkte. Bei Firmen in Deutschland liegt dieser Wert bei null.
„Laut Treier liegt das vor allem an den Kostenstrukturen in Deutschland. Zwar seien die Belastungen durch die hohen Energiepreise in den vergangenen Monaten wieder etwas gesunken, doch gerade im Vergleich mit den USA müssten Unternehmen in Deutschland eben immer noch ein Vielfaches des Strom- und Gaspreises zahlen. Es finde eine ‚schleichende Abwanderung‘ statt, betont der DIHK-Mann. ‚Wir sehen unglaublich viele Unternehmen aus der Autozulieferindustrie, die im Süden der USA Werke aufmachen und in Deutschland ihre Produktion auslaufen lassen‘, sagt Treier.“
Doch auch für andere Branchen seien die Standortbedingungen in Nordamerika oft attraktiver als in Deutschland. So sei der Verkauf des Heizungs- und Wärmepumpen-Herstellers Viessmann an einen US-Konzern womöglich sinnbildlich für eine Entwicklung, die größere Teile der deutschen Wirtschaft betrifft, der Verkauf des Familienunternehmens sei „vielleicht nicht nur die Ausnahme von der Regel“.
Auch Deutschlands Maschinenbauer spüren den Unterschied zwischen Inlandskonjunktur und Auslandsgeschäft. Die Sorgen um den Industriestandort Deutschland werden auch im Maschinenbau größer. „Wir stehen mitten in einer neuen, intensiven Standortdebatte, die wir mit großer Offenheit führen sollten“, sagt VDMA-Präsident Karl Haeusgen.
Laut der Bild haben deutsche Unternehmen ihre Produktion bereits heruntergefahren oder zunehmend ihre Standorte ins Ausland verlagert, unter anderen die Stahlwerke Bremen und Hamburg, BASF, BMW, ThyssenKrupp oder Volkswagen. Der Spezial-Chemiekonzern Lanxess will seine Produktionsstandorte in Nordrhein-Westfalen beibehalten, „aber unsere Investitionen, um weiter zu wachsen, werden an wettbewerbsfähigere Standorte wie die USA gehen“. Günstigere Energiepreise hierzulande würden zur Lösung der angesprochenen Probleme beitragen.
Doch danach sieht es derzeit nicht aus – eher nach weiterem Zoff. Finanzminister Lindner sieht den „Industriestrompreis“ kritisch. Ein subventionierter Strompreis für die Industrie widerspreche den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft. Für derartige Pläne gebe es im Haushalt keinen Spielraum. Dagegen fürchtet Wirtschaftsminister Habeck nun plötzlich die Deindustrialisierung, die er mit seinen Mitstreitern herbeigeführt hat. „Wenn wir die Preise deckeln, verlieren wir Geld. Wenn wir sie nicht deckeln, verlieren wir womöglich die Industrien der Zukunft.“ Wie dieser „Industriestrompreis“ genau aussehen soll, ist weitgehend unklar, berichtet ntv.
Deutschland hat im weltweiten Vergleich hohe Strompreise. Strom für die Industrie kostet hierzulande im Schnitt 20 Cent je Kilowattstunde. Für energieintensive Unternehmen ist das ein Wettbewerbsnachteil, weil die ausländische Konkurrenz billiger produzieren kann.
Energieintensive Unternehmen müssen für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs höchstens 13 Cent bezahlen, heißt es. Dennoch will Habeck ein Konzept vorlegen, wie der Strompreis für die Industrie gedeckelt werden kann. Als Zeitraum der Subventionen nennt er vier oder fünf Jahre. In der SPD wird eine Spanne von fünf bis zehn Cent pro Kilowattstunde genannt. Dem Verband der Chemischen Industrie schwebt laut ntv ein Preis von vier bis sechs Cent vor.