„It’s a privilege to serve you” lautet das Motto der Vollbank First Republic. Doch von nun an muss die Bank aus San Francisco, die 1985 von Jim Herbert gegründet wurde, JP Morgan dienen. Zum 1. Mai übernahm die größte Bank der USA ihren Kontrahenten, der kurz vor der Insolvenz stand. Wie prekär die Lage war, zeigt die Geschwindigkeit der Ereignisse. Anfang der Woche vermeldete die First Republic noch einen Abfluss von Einlagen von mehr als 100 Milliarden Dollar – alleine im ersten Quartal.
Aufgrund dieser Information verkauften Anleger massenhaft Aktien der Bank, was sich auf den Kurs des Unternehmens auswirkte. Betrug der Wert am vergangenen Freitag um 14:30 Uhr noch 6,10 Euro pro Aktie, konnte man zum Handelsschluss für gerade einmal 2,74 Euro einen Anteilsschein der Vollbank erwerben. Am 9. März dieses Jahres notierte der Kurs noch bei über 100 Euro. Am selben Freitag entschied die US-Einlageversicherungsgesellschaft (FDIC), dass die Bank verkauft werden muss. Letzten Endes setzte sich JP Morgan gegen die PNC Financial Services Group und die Citizens Financial Group durch.
Joe Biden irritiert mit Zuversicht
Indes warnen Experten vor einer sich ausbreitenden Krise. „Leute könnten sagen, wenn es diese drei Banken betroffen hat, wird das meine eigene Bank vielleicht auch betreffen, wenn die ähnlich aussieht“, sagt Michael Grote von der Frankfurt School of Finance gegenüber Tagesschau.de. „Und dann werden sie, obwohl dort noch kein Problem herrscht, die Einlagen abziehen. Das heißt, wir sind im Grunde schon in den Anfängen einer Bankenkrise in den USA.“ Umso irritierender wirkt es, dass der US-Präsident noch am 1. Mai versicherte, das Bankensystem der Vereinigten Staaten sei „sicher und gesund“, während bereits die nächste Regionalbank um ihre Existenz ringt: Die PacWest Bancorp.
EZB und Fed erhöhen dennoch die Leitzinsen
So brach der Kurs der Bank zeitweise 60 Prozent im nachbörslichen Handel an der Wall Street ein. Grund dafür war die Nachricht, dass PacWest laut Bloomberg mit einem Finanzberater zusammenarbeitet, der einen Verkauf des Unternehmens in Betracht zieht. Eine andere Option wäre eine Aufspaltung oder eine Kapitalerhöhung. Am Ende verzeichnete der Kurs der Bank ein Minus von 38 Prozent.
Pikant ist hierbei, dass sich die Märkte bisher nicht von relativierenden Worte haben beruhigen lassen. Stunden vor dem Kursrutsch der PacWest hatte Jerome Powell, Chef der US-Notenbank (Fed), noch verlautet, dass sich das Umfeld für die Banken seit März umfassend verbessert habe.
Ob Joe Biden oder der höchste Geldhüter der Vereinigten Staaten: Die Ereignisse scheinen sich von den Steuerungsmöglichkeiten der Politik entkoppelt zu haben, was ein Alarmzeichen für eine langanhaltende Krise darstellt. Auch unter diesem Aspekt kann man die neuerliche Zinserhöhung beleuchten. So erhöht die US-Notenbank den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf nun 5,0 bis 5,25 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 2007. Experten vermuten jedoch, dass dies vorerst die letzte Zinserhöhung sein wird. Die Europäische Zentralbank erhöhte ihren Zins ebenfalls um 0,25 Prozent auf nun 3,75 Prozent.
Die Unsicherheit nimmt auch in Deutschland zu
Handelt es sich hierbei lediglich um eine US-amerikanische Krise? „Es gibt natürlich schon ein etwas höheres Level an Unsicherheit, den das im Finanzsystem insgesamt hervorruft. Wenn man ein höheres Unsicherheitslevel hat, dann können auch kleinere Probleme wie unter einem Vergrößerungsglas wirken. Und es ist nicht auszuschließen, dass wir in Deutschland und Europa eine ähnliche Entwicklung haben,“ meint Michael Grote.
Fakt ist, dass die Nacht-und-Nebel-Übernahme von First Republic die Verunsicherungen in der Finanzbranche, aber auch bei den Bürgern weiter anheizt. Vor allem die Schnelligkeit, mit der Kunden ihre Gelder abziehen können, löst bei Experten Sorge aus. „Das haben wir vorher so noch nie erlebt“, meint der Chefbankenaufseher der EZB, Andrea Enria, auf einer Konferenz zur Bankenaufsicht in Frankfurt. „Möglicherweise spielen soziale Medien und die Digitalisierung eine Rolle bei diesen Dynamiken. Darüber müssen wir in Zukunft verstärkt nachdenken“, so Enria.